It Comes

Ende der 90er fegte mit Ringu ein Vertreter des japanischen Geistergrusels durch die Kinosäle, der die Filmlandschaft nachhaltig prägen sollte. Nach diversen Fortsetzungen und Spin-offs, dem US-Remake The Ring und dessen Sequels sowie unzähligen Trittbrettfahrern ist Ruhe in das Genre eingekehrt. Regissseur Tetsuya Nakashima, der mit ebenso schweren (Geständnisse – Confessions) wie verrückten (Kamikaze Girls) Stoffen vertraut ist, will mit seinem It Comes für einen Wake-up-Call sorgen. Und was für einen Film er auf die Beine gestellt hat! Protagonisten und Themen im fliegenden Wechsel, eingebettet in einen Geisterschocker, der den Zuschauer immer wieder aufs Neue herausfordert.

   

Hidekis (Satoshi Tsumabuki, World of Kanako) Leben ist ein einziger Traum: Seine Karriere verläuft wie gewünscht, aus der Romanze mit Kana (Haru Kuroki, The Curtain Rises) wird eine Ehe, aus der ein kleines Töchterlein entspringt. Ein Vorbild für all seine Freunde und Kollegen. Doch diese ahnen nicht, dass Hideki seit seiner Kindheit von einem Geist verfolgt wird, der auch sein jüngstes Glück zu zerschlagen droht.

Organisiertes Chaos

Originaltitel Kuru
Jahr 2018
Land Japan
Genre Horror, Drama
Regisseur Tetsuya Nakashima
Cast Hideki Tahara: Satoshi Tsumabuki
Kana Tahara: Haru Kuroki
Kazuhiro Nozaki: Jun’ichi Okada
Kana Tahara: Haru Kuroki
Kotoko Higa: Takako Matsu
Laufzeit 135 Minuten

It Comes ist eine Herausforderung: Gefühlt alle zehn Minuten wird der aktuelle Storystrang durchgeschnitten und neu begonnen. Die Aufmerksamkeit wird dabei immer wieder anderen Protagonisten zuteil, die zwar irgendwie bereits in die Geschichte eingeführt sind, bislang aber eher im Hintergrund waren. Willkürliche Dinge. Mit einer Selbstverständlichkeit, als müsse man sich schlecht fühlen, würde man sie hinterfragen. Nakashima zaubert immer wieder einen neuen Hasen aus dem Hut und sorgt für einen wilden Themenmix. Dass dieser auch noch funktioniert, liegt an der cleveren Verknüpfung zwischen Menschen und Angelegenheiten. Klingt komisch, läuft aber so. Nun möchte man meinen, dass bei einem solchen Wirrwarr irgendwann einmal die Zügel entgleiten und alles ins Ausweglose ausartet. Doch dem ist überhaupt nicht so: Trotz aller Willkür setzt sich der Eindruck durch, als wisse da jemand ganz genau, was er wie und warum erzählt. Dafür gerät die Ausführung viel zu präzise, um nicht den Anschein zu erwecken, als habe man nicht darüber sorgfältig nachgedacht.

Aufmerksames Zuschauen lohnt sich

Neue Perspektiven ergeben sich regelmäßig durch die Verschiebung des Fokusses auf eine andere Hauptfigur. Damit wird gleichzeitig sichergestellt, dass die Geschichte auch vielseitig beleuchtet wird und dadurch an Mehrdimensionalität gewinnt. Zeitliche Sprünge, welche zwischen Jahren und Stunden vor und zurück variieren können, tragen ihren Teil dazu bei, dass das “Big Picture” entsteht. Eigentlich eine großartige Idee, um eine Handlung noch greifbarer zu machen. Doch vor allem Zuschauer, die wenig gewillt sind, sich auf so viele Informationen einzulassen, suchen in It Comes schneller den Ausstieg, als ihnen lieb ist. Wer sich auf die Handlung einlässt, wird im Nachhinein erkennen, dass mancher Pfad behutsam vorbereitet wird.

All you can eat für Horror-Fans

Bei aller Liebe zum fliegenden Wechsel: Hier soll noch immer ein Horrorfilm erzählt werden. Das funktioniert erstaunlich gut, wenngleich Nakashima das kleine Einmaleins des Geistergrusels herunterzählt: Fliegende Türen, aggressiver Wind, bebende Wände. Kennt man alles, gehört alles irgendwie dazu. Dennoch schimmern hier und dort Momente hervor, die für wohligen Grusel sorgen. Worum geht es nun eigentlich? Flüche, Exorzismus, Beziehungsdramen, Folklore, Wesensveränderungen, Psychopathen-Charakterstudie, Paranoia? It Comes ist auch auf Horror-Ebene ein thematischer Gemischtwarenladen, der von allem etwas anzubieten hat. Spannungstechnisch erreicht die Produktion allerdings bei Weitem nicht das Niveau eines Ringu oder Ju-On: The Grudge. Das Drehbuch ist auch gar nicht darauf ausgelegt, den Zuschauer fortlaufend durch Jump-Scares zu schicken. Es nutzt die 135 Minuten vor allem immer wieder, um Platz für Sozialstudien und damit einher gehend Gesellschaftskritik zu schaffen. Beispielsweise wird auch der Umgang mit Social Media oder die Geltungssucht von Bloggern thematisiert, obwohl beides für die Handlung selbst unerheblich ist. Doch egal, worum es geht: Die tolle Kameraarbeit fängt dies in psychedelischen Bildern ein, deren violett-blaue Töne das Geschehen dominieren und einen Wiedererkennungswert schaffen.

Fazit

Auf inhaltlicher Ebene ist It Comes rettungslos konfus. Tetsuya Nakashima hebt konsequent alle Konventionen aus den Angeln und tischt einen Film auf, der fortlaufend für Überraschungen sorgt. Tetsuya Nakashima hat ein virtuoses Werk auf die Beine gestellt, das zwar in Sachen Grusel keinen Meilenstein darstellt, dafür in Sachen ambitioniertes Erzählkino ganz neue Herausforderungen schafft, ohne jemals plump oder oberflächlich zu sein. Kein Titel, der eine neue Trendwelle auslösen wird, aber ein Vorzeige-Muster für sorgsam aufbereitete Erzählkunst.

© Gaga Corporation

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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