Dashcam
Eine noch junge Erzählform ist die des Desktop-Thrillers. Eine Geschichte, die sich überwiegend (manchmal auch ausschließlich) über digitale Bildschirme abspielt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Nutzung moderner Endgeräte kennen die Zuschauer:innen aus eigener Erfahrung nur zu gut, zudem ist der Produktionsaufwand solcher Filme gering, da überwiegend Bildschirme abgefilmt werden. Mit Searching machte Sony 2018 großen Profit aus der Idee, ein Sturm an Nachzüglern ist bislang dabei aber nicht entstanden. Christian Nilssons erster Langfilm Dashcam ist nicht nur eine moderne Fassung des Paranoia-Klassikers Die drei Tage des Condor aus 1975, sondern nutzt die „Black Lives Matter“-Bewegung und die damit verbundene Kontrolle polizeilicher Camcorder, um seine Handlung zu erzählen. Das Fantasy Filmfest 2021 nahm den Low Budget-Verschwörungsthriller in sein Nachmittagsprogramm auf.
Jake (Social Media-Star Eric Tabach) ist ein ehrgeiziger Nachwuchsreporter, der an einer heißen Story dran ist und aufgrund der Corona-Pandemie von zu Hause aus arbeitet. Es geht um hochbrisante Aufnahmen der Dashcam eines Cops, der einen unbequemen Generalstaatsanwalt (Larry Fessenden, Jakob’s Wife) erschossen haben soll. Der offizielle Autopsiebericht widerspricht dem offiziellen Tathergang. Mittels Fotos, Sprachnachrichten und Tonspuren versucht Jake die Geschichte auf seinem Computer zu rekonstruieren. Er ist davon überzeugt, dass hier eine große Verschwörung vorherrscht …
Ein Film mit Pandemie-Background
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Originaltitel | Dashcam |
Jahr | 2021 |
Land | USA |
Genre | Thriller |
Regie | Christian Nilsson |
Cast | Jake: Eric Tabach Lieberman: Larry Fessenden Tim: Zachary Booth Rachel: Noa Fisher |
Laufzeit | 82 Minuten |
FSK | unbekannt |
Titel im Programm des Fantasy Filmfest 2021 |
Die Corona-Pandemie hat uns empfänglich für das Home Office gemacht. Wir alle kennen die begrenzten Möglichkeiten, zu Hause zu sein und Videotelefonie mit unseren Kontakten über Skype, Zoom oder Facetime zu halten. Dashcam findet an einem einzigen Schauplatz, Jakes Wohnung, statt und ist damit ein bisschen dem Zeitgeist verhaftet, in dem alle Informationen aus dem Netz geholt werden. Der Nährboden schlechthin für Fake News, Verschwörungstheorien und Populismus. Dass diese Punkte in Dashcam abgebildet werden, stellt eine der größten Stärken des Films dar: Authentizität. Jeder kann sich einfach in Jake wiederfinden. Wer zudem auch noch Spaß an Rätseln oder Adventures hat, vielleicht selbst gerne Dinge kritisch hinterfragt oder Verschwörungstheorien spannend findet, darf sich als Zielgruppe von Dashcam angesprochen fühlen.
Der Desktop-Thriller und seine Tücken
Ein zu 100 Prozent konsequenter Desktop-Thriller ist Dashcam nicht geworden. Auch wenn sich ein Großteil der Ereignisse auf einem Bildschirm abspielt, sind immer wieder Szenen außerhalb eines Bildschirms zu sehen. Das macht den Film insgesamt zwar leichter zugänglich, verwässert aber auch das Konzept, sodass gerade die Szenen, die auf einem Bildschirm stattfinden, unheimlich zäh wirken und man nur darauf wartet, dass wieder etwas außerhalb geschieht. Filme wie Searching oder Unknown User 2: Dark Web lösen das eleganter, indem weitere Wege gefunden wurden, die Geschichte zu erzählen, etwa über Überwachungskameras.
Erzählerische Durststrecke
Für eine Laufzeit von gerade einmal 82 Minuten hat es die Handlung auch nicht eilig. Direkt zu Beginn gibt es ein langatmiges Facetime-Gespräch zwischen Jake und anderen Personen. Dann beginnt die virtuelle Sichtung des Materials, der Zugriff auf geheime Akten. Was in den ersten Minuten noch spannend ist und ein bisschen das Gefühl mit sich bringt, als würde man selbst heimlich die Nase in Dinge stecken, die einen nichts angehen, verliert sich das auch schnell wieder. Die Gespräche über Zoom arten zunehmend in Langeweile aus, sind aber noch nichts gegen Jakes Editing-Software: Product Placement für Adobe-Produkte wechselt mit Nahaufnahmen zu Jakes Gesicht. Klick, klick, klick, aber viel passiert nicht. Nahaufnahme zu Jake. Klick, Klick, Klick. Zoom auf die Editing-Softwaren. Das ist zu dünn, um einen ganzen Film zu füllen. Zumal der untersuchte Fall auch nur bedingt das Potenzial birgt, das Publikum wirklich zu involvieren. Wann immer sich interessante Ansätze in Sachen Verschwörungsthriller ergeben, verflüchtigt sich die Spannung wie von selbst wieder.
Fazit
Konzeptuell macht Dashcam Lust auf mehr und auch der Ansatz eines filmischen Corona-Experiments besitzt eine gewisse Anziehung. In der Ausführung langweilt der Film mit Nebensächlichkeiten, unaufgeregter Erzählweise und monotonem Blick auf Jakes Editing-Software: Wer gerne dabei zusieht, wie man Tonspuren separiert und Videos zusammenschneidet, für den könnte Dashcam noch spannend sein. Das dramatische Potenzial bleibt vollkommen unangerührt und das Publikum muss sich eher mit der Frage beschäftigen, wieso sich diese Handlung auf Sparflamme über einen 82-minütigen Film erstrecken muss. Als halbstündiger Kurzfilm hätte Dashcam eine wesentlich bessere Figur abgegeben.
© Octane Entertainment