Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte

Japan-Reiseführer wissen Bescheid: Der Frühsommer in Tokio ist heiß und feucht. Erst Mitte Juli lässt der Dauerregen nach. Japantouristen passen ihren Reisezeitraum an, Japaner müssen da durch. Aber was, wenn es im August immer noch regnet? Und der Regen überhaupt nicht aufhören will? Und nur das Mädchen, das du liebst, für Sonnenschein sorgen kann? Regisseur Makoto Shinkai bringt mit Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte nach seinem Erfolgsfilm Your Name. – Gestern, heute und für immer aus dem Jahr 2016 eine weitere Teenager-Romanze mit fantastischen Elementen ins Kino. In Japan feierte der Film am 19. Juli2019 Premiere – passend genau zu der Zeit, wo Japaner den Sommerregen satt haben und auf trockenes Wetter hoffen. Über eine Million Zuschauer in den ersten drei Tagen und eine Oscar-Nominierung zum besten internationalen Film (!) 2020 sprechen für sich. In den Handel kam Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte am 25. September 2020.

 

Hodaka ist 16 Jahre alt und von zu Hause ausgerissen. Hina gibt vor, bald 18 zu werden und ist gerade ihren Job in einem Schnellrestaurant los. Tokio ist groß, grau und abweisend. Und es regnet in Strömen, wie seit Jahrzehnten nicht mehr und hört nicht mehr auf. Da stellen die beiden fest, dass Hina ein Sonnenschein-Mädchen ist. Sie besitzt eine besondere Fähigkeit: ihre Gebete um gutes Wetter werden erhört. Für kurze Zeit reißt die Wolkendecke auf, Sonnenschein und blauer Himmel heben die Laune der dauernassen Tokioter. Hodaka hat eine Geschäftsidee. Warum nicht eine Website basteln, auf der man gutes Wetter buchen kann? Und Hina erfüllt Kundenwünsche nach einem sonnigen Geburtstag oder einem regenfreien Picknick im Park? Gegen angemessenes Entgelt natürlich. Eine Marktlücke! Aber der Einsatz ihrer magischen Fähigkeit bleibt nicht ohne Folgen für Hina …

Hauptdarsteller: Die Stadt. Das Wetter.

Originaltitel Tenki no Ko
Jahr 2019
Laufzeit 114 Minuten
Genre Fantasy, Romanze
Regie Makoto Shinkai
Studio CoMix Wave Films
FSK
Veröffentlichung: 25. September 2020

Sommer in Tokio, ohne Geld und bei Dauerregen. Denkbar schlechte Vorzeichen, um die Metropole lieben zu lernen. Aber die Stadt ist so opulent und detailreich in Szene gesetzt, dass sie den Zuschauer sofort in ihren Bann zieht. Wer schon einmal in Tokio war, wird versuchen, lauter Straßenecken und S-Bahnbrücken wiederzuerkennen. Wer noch nicht da war, hat am Ende das Gefühl, die Stadt in- und auswendig zu kennen. Mit all ihrem Beton, ihrer Unübersichtlichkeit und ihren untouristisch-schäbigen Ecken, aber auch großartigen Ausblicken über das Häusermeer. Und Regen steht Tokio gut. Zumal, wenn er so virtuos als Gestaltungselement eingesetzt wird. Regentropfen perlen ästhetisch von Glasscheiben, Wolken ziehen eindrucksvoll über Hochhauslandschaften, Sonnenstrahlen brechen majestätisch durch Dauer-Grau. Eine großartige Kulisse für eine eher kleine, leise Geschichte.

Junge trifft Mädchen. Aber was dann?

Natürlich geht es auch um die beiden Teenager, die im verregneten Tokyo zueinander finden. Aber trotz aller Verfolgungsjagden und Rettungsaktionen bleibt ihre Beziehung sehr verhalten. Kein Wunder, sind sie doch in dem Alter, wo Verliebtsein neu, rätselhaft und fürchterlich peinlich ist. Und Hodaka ist einer von den Jungs, der vor nichts halt machen, um seine große Liebe aus Gefahren zu erretten, aber einfach nicht die Zähne auseinander kriegen, um ihr zu sagen, was in ihnen vorgeht. Und so hat das Pärchen zwar ganz große Momente der ungebremsten Romantik, wenn die beiden etwa Arm in Arm durch Wolken stürzen, aber insgesamt bleibt die Liebesgeschichte leise und unkitschig. In Momenten großer Intensität übernimmt anstelle von Dialogen gern einmal die Musik die Führung, eingängige Melodien mit viel Text der J-Rock Band Radwimps (Your Name), wo man sehr das Gefühl hat, gerade jetzt wäre es wichtig, die japanischen Lyrics zu verstehe. Deutsche Untertitel hätten da hilfreich sein können.

Klimawandel mal ganz anders

Letztendlich ist es auch ein Film über den Klimawandel. Aber einer, mit dem Greta Thunberg so gar nichts anfangen könnte. Zwar geht es um eine drastische Veränderung des Wetters mit katastrophalen Folgen –immerhin ist am Ende Tokio zu weiten Teilen überflutet . Aber es geht nicht um CO2-Emissionen und die Schuld, die wir durch Fleischverzehr und Flugreisen auf uns laden. Und auch junge Liebe und übernatürliche Kräfte retten weder die Welt noch stürzen sie sie in den völligen Untergang. Mit den Folgen des Dauerregens müssen die Stadtbewohner eben leben. Schließlich hätte das heutige Stadtgebiet von Tokio in früheren Jahrhunderten ja auch unter Wasser gelegen , kommentiert am Ende des Films eine schicksalsergebene alte Dame gelassen. Ob das nun ein allzu naiver oder unbekümmert spielerischer Umgang mit einem ernsten Thema ist, auf jeden Fall ist es ein sehr ungewohnter Blick auf die Problematik.

Fazit

Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte ist ein leiser, poetischer Film über schüchterne erste Liebe. Auch wenn darin Verfolgungsjagden auf dem Motorroller und durch Abrisshäuser, Flüge durch die Wolken und eine Klimakatastrophe vorkommen. Es ist eine Liebeserklärung an Tokio, ein Tokio mit Dreckecken und grauer Tristesse. Und es ist ein Film, der optisch in die Vollen geht und das Wetter zum heimlichen Star macht. Selten hat Regen auf der Leinwand so gut ausgesehen. Und selten hat man sich im Kino so sehr über einen Sonnenstrahl zwischen grauen Wolken gefreut.

© LEONINE


Seit 25. September 2020 im Handel erhältlich:

 

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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