Wieviel LGBT steckt in She-Ra?

Wenn eine Figur wie Wonder Woman im Siegeszug der Diversität empor gehoben wird, darf auch eine andere, häufig vergessene Ikone nicht fehlen. Noelle Stevensons Neuauflage von She-Ra wird allem gerecht, was in irgendeiner Weise mit Konventionen und traditioneller Charaktergestaltung bricht. Feminismus, Homosexualität, Diversität in (Körper-)Form und (Haut-)Farbe. Bereits die Originalserie aus den 80ern bringt rückblickend so manches ans Licht, was aus damaliger Kindessicht völlig unbedenklich war und wohl erst heute für Wirbel gesorgt hätte. In Zeiten, in denen jede Serie über einen eigenen homosexuellen Charakter verfügen muss, fährt She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen schwere Geschütze gegen Traditionshüter aus. Doch wieviel LGBT steckt eigentlich wirklich in der Serie?

Fact Check: So war das damals

Was She-Ra bereits in den 80ern auszeichnete, ist die überproportionale Repräsentativität weiblicher Figuren. Bis auf Bow sind alle Mitglieder der Rebellion Frauen. Und auch über die Serie hinaus gilt: Frauen sind mit Männern gleichauf. She-Ra steht ihrem Bruder He-Man in nichts nach und bringt auch keine körperlichen Defizite mit. Beide Figuren sind gleich stark, womit die Geschwister bereits kräftetechnisch ein Äquivalent für die Gleichstellung zwischen Mann und Frau darstellen. Allerdings tritt She-Ra ohne die muskulösen Arme ihres Bruders auf. Und auch unverwandelt ist Adora eine starke Kämpferin, während Adam Züge eines klassischen Schwächlings besitzt. Adora ist smart und empathisch, mit oder ohne Verwandlung. Die Ursache für diese Attribute besitzen einen denkbar einfachen Hintergrund: She-Ra und ihre Freundinnen basieren auf Actionfiguren. Figuren, die als weibliches Pendant männlicher Interessen produziert wurden, da der Spielzeughersteller Mattel erkannte, dass auch Mädchen kämpfen wollten. Dafür sollte Barbie nicht herhalten müssen. Und Actionheldinnen sind nun einmal stark, das ist Gesetz.

Bow, die umgekehrte Damsel-in-Distress

Ähnlich wie Teela in He-Man und die Masters of the Universe gibt es nur eine zentrale Figur des anderen Geschlechts unter She-Ras Freunden. Bow, der immer wieder von She-Ra gerettet werden muss und solange singend in seiner Zelle verharrt, bis es soweit ist. Der Hüne lief bereits in den 80ern bauchfrei herum. Ein Trend, der Männern bis heute verwehrt bleibt, aber bei Bow niemals wirklich hinterfragt wurde. Immerhin ist er eine Figur in einem Fantasy-Cartoon. Eine Sexualität besitzt er nicht. Was angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Kinderserie handelt, ohnehin keine Rolle spielt. Das Design des muskulösen Bauchfreiträgers mit Schnäuzer ist wohl heute befremdlicher als damals. Immerhin ist er auch nicht aufreizend in Szene gesetzt, was ebenso auf die mitunter üppig ausgestatteten Kriegerinnen in den kurzen Röcken zutrifft. Außerdem störte sich auch niemals jemand daran, wenn ein stattlich gebauter Kerl seine Hände an die Hüften eines anderen legte – und das auf einer Stute mit pinkem Geschirr! Beinahe bizarr, wie wenig sich damals jemand daran störte, während diese Einstellung heute das Netz für mindestens einen Tag beben ließe.

Und dann kam Netflix …

Auf der New York Comic Con 2018 zählte Noelle Stevenson gemeinsam mit Aimee Carrero (Adora/She-Ra), Karen Fukuhara (Glimmer) und Marcus Scribner (Bow) zu den geladenen Gästen. In einem Panel rund um das kommende She-Ra und die Rebellen-Prinzessinnen antwortete Aimee Carrero auf die Frage nach ihren liebsten Figuren der Serie, dass dies Bows Väter seien. Von diesen ist in Staffel 1 zwar noch nichts zu sehen, allerdings unterstrich dieses Statement, welchen Weg die Serie einschlagen würde. Schließlich wurde eingeräumt, dass es sich hierbei um einen Spoiler handeln würde. Gleichzeitig auch einen großen Schritt weiter, wenn es um die Darsteller der Diversität geht. Nickelodeons The Legend of Korra endete 2014 mit zwei weiblichen Figuren (Korra und Asami), händchenhaltend. Erst später wurde erklärt, dass die beiden Figuren eine romantische Beziehung eingegangen waren.

Und genau hier setzt She-Ra and the Princesses of Power an und bringt in seiner ersten Staffel gleich sechs (mögliche) LGBT-Paarungen ins Rollen.

She-Ra & Catra

Zweifelsfrei zu den interessantesten Konstellationen gehört das “Frenemy”-Duo She-Ra und Catra. Mal Freundinnen, mal Feindinnen, doch stets mit besonders starker Affiniät. Während des Tanzes (Folge 8) keimt der Verdacht auf, dass Catra She-Ra nicht etwa als geistige Schwester, sondern als Love Interest hasst. Also eine Hassliebe, wie sie im Buche steht. Doch man erfährt im Laufe der ersten Staffel eher, was bei den beiden schief gelaufen ist als wie nahe sie sich jemals wirklich standen.

Vibes:

Netossa & Spinnerella

Viel zu sehen gibt es noch nicht von Netossa und Spinnerella. Sieht man sie auf einem Ball noch gemeinsam tanzen, handelt es sich hierbei um nichts weiter als einen möglichen Hint. Immerhin erfährt man nahezu nichts über die beiden Damen, außer dass sie stets gemeinsam auftreten. Erst in Folge 13 (“Die Schlacht von Bright Moon”) ändert sich dies. Wir sehen, wie sich die beiden auf eine romantische Art umarmen und Händchen halten.

Vibes:  

Perfuma & She-Ra

Während Perfuma wenig Interesse an Adora zeigt und eigentlich Bow datet, fühlt sie sich umso stärker von She-Ra angezogen. Funkelnde Augen und errötende Wangen sprechen eine eindeutige Sprache und suggerieren, dass Perfuma sich von beiden Geschlechtern angezogen fühlt. She-Ras Interesse an der Dame mit dem grünen Daumen scheint alles andere als romantisch geprägt.

Vibes: 

Bow & Sea Hawk

Die Affinität zwischen Bow und Sea Hawk lässt sich nicht von der Hand weisen. Sea Hawk verhält sich wie der starke Mann, nachdem sich Bow augenscheinlich sehnt. Oder wie lässt sich erklären, dass Bows Augen funkeln, wenn Sea Hawk in der Nähe ist? Beachtlich ist auch eine Szene, in der Bow von Sea Hawk während einer Rettungsaktion auf Händen getragen wird. Und auch Sea Hawk begrüßt Bow gerne separat. Mehr als Komplimente und intensives Schwärmen sind bislang allerdings nicht drin. Allerdings könnte Sea Hawk noch als Dauerflirter durchgehen, während Bow augenscheinlich schwul ist.

Vibes:  

Bow & Kyle

Der (wie im Original häufiger) inhaftierte Bow wird von Hordaks Handlanger Kyle umsorgt. Dieser begegnet Bow mit Schüchternheit und verhält sich wie ein verliebter Teenager. Die Szenen zwischen den beiden sind kurz und dennoch gibt es ein Wortspiel, welches auf ein noch nicht stattgefundenes Coming Out Kyles hindeutet. Auch ist er sehr beeindruckt davon, dass sich Bow mit ihm abgeben möchte, da er dies von seinen Kollegen nicht kennt. Bow scheint allerdings eher die Rolle des großen Bruders einzunehmen als dass er Kyle als Mann betrachtet.

Vibes: 

Scorpia & Catra

Scorpias Sexualität muss nicht weiter in Frage gestellt werden: Sie ist offenkundig lesbisch. Mit Catra verbindet sie eine Freundschaft, doch Catra scheint Scorpia in dieser Hinsicht jedenfalls kaum wahrzunehmen. Ohnehin befinden sich beide nicht auf einer Augenhöhe, da Scorpia eine ausführende Kraft ist, während Catra eher taktisch agiert. Daher würden beide ein ungleiches Paar abgeben.

Vibes: 

Fazit:

Es wird spannend, welche dieser möglichen Ansätze in Staffel 2 weiterverfolgt werden. Als zugkräftige Marke und Mainstream-Cartoon hat She-Ra and the Princesses of Power einen Weg eingeschlagen, welcher zwar wenig überraschend ist angesichts der Weichen, welche die 80er Serie bereits gelegt hat. Und dennoch bleibt die Spannung, wieviel Mut das Kreativteam zukünftig noch beweisen wird.

©Netflix

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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