Murderbot (Folge 1×02)

In der zweiten Folge von Murderbot (»Augenkontakt«) tauchen wir tiefer in Murderbots psychische Landschaft ein (Sex = »Ugh!«) und sehen, wie die Preservation-Leute auf eine seltsame gravitative Anomalie treffen. Außerdem gibt es die ersten Toten, aber keine Panik, unsere Space-Hippies sind noch alle am Leben.

Inhaltsangabe

Während sich SecUnit in Stase befindet, ordnet Gurathin, der ewige Skeptiker, ein nächtliches Geheimtreffen im Hopper an, um über die seltsamen Vorkommnisse zu diskutieren: die lückenhaften Informationslage, die blinden Flecken auf den Karten sowie das Verhalten der SecUnit. Sabotiert »die Firma« ihre Mission?
Die Preservation-Leute beschließen, einen dieser blinden Flecken auf der Karte zu untersuchen. Mensah und Bharadwaj brechen bei Anbruch des nächsten Tages auf – auf Empfehlung von Gurathin ohne SecUnit, was diese sehr verärgert.

Unterdessen nutzt Gurathin die Zeit und unterzieht SecUnit einem Verhör. Er zwingt SecUnit zum »Augenkontakt« (etwas, dass SecUnit stets vermeidet) und konfrontiert sie mit ihrem empathischen Verhalten Arada gegenüber, als diese unter Schock stand und SecUnit versuchte, sie mit behaglichen Worten zu beruhigen. Gurathin will herausfinden, was mit der SecUnit nicht stimmt und warum sie sich so abnormal verhält. SecUnit kann mit erfundenen Antworten parieren, aber sie kann sich nicht gänzlich aus der Affäre ziehen.

Bharadwaj und Mensah erreichen den blinden Fleck auf der Karte. Während Bharadwaj im Hopper bleibt, erklimmt Mensah einen Hügel. Es dauert nicht lange, und eine der insektenartigen Kreaturen taucht wieder auf. Doch statt Mensah anzugreifen, gleitet sie über den Hügel hinweg, rutscht den Abhang hinunter und bleibt unten tot neben einer gravitativen Anomalie liegen, umgeben von etlichen anderen, bereits verwesten Kreaturen ihrer Art.

Zurück auf dem Stützpunkt diskutieren die Preservation-Hippies die Vorkommnisse. Möglicherweise handelt es sich bei der Anomalie um zurückgelassene Überreste von Aliens, die Jahrtausende alt sind. Sie nehmen Kontakt zu einem weiteren Forschungsteam (DeltFall Survey) auf der anderen Seite des Planeten auf, doch die Leitung bleibt tot, was daran liegt, dass DeltFall Survey abgeschlachtet wurde (aber das sehen nur wir, das geneigte Publikum). Das Team beschließt daher, bei DeltFall Survey vobeizuschneien und nachzusehen, was Sache ist – dieses Mal mit der SecUnit.

Doch SecUnit ist davon alles andere als begeistert. Warum setzen diese »Scheißmenschen« alles daran, zu sterben?

 

Hippies auf die Spitze getrieben, Part II

Unsere Protagonisten, die Preservation-Leute, dienen als Gegenpol zur durchkommerzialisierten Konzern-Realität im Universum und machen auch in dieser Folge ihrer Progressivität alle Ehre. Dieses Mal kommen vertraglich geregelte Dreiecksbeziehungen sowie die ersten (nicht nackten) Schritte zur Kopulation dazu. Dass der Fokus in den ersten beiden Folgen vergleichsweise stark auf Arada und ihre Beziehungssituation liegt, stört mich etwas, da das in der entsprechenden Novelle nur in einem Nebensatz fällt und sich auch etwas anders gestaltet. Allerdings ist die Präsenz dieses Beziehungsdings dahingehend wichtig, um Murderbots Einstellung diesbezüglich porträtieren zu können (die Kurzversion: »Ugh, muss das?«.)

Ein nordischer Mann als androgynes Konstrukt?

Kommen wir zu Murderbot und dessen Darsteller Alexander Skarsgård. Ich muss zugeben, dass die Casting-Entscheidung auch mich überrascht hat, da Murderbot in der Vorlage als geschlechtslos beschrieben wird und sich in der Novelle Exit-Szenario (Killerbot-Reihe Band 1) sogar erfolgreich als ‚Sicherheitsoffizierin Rin‘ ausgibt. Ich habe also einen gewissen Grad an Androgynität erwartet. Skarsgård ist allerdings das komplette Gegenteil davon. Mit seinem markanten Kiefer, den tief liegenden Augen, der stoischen Blickqualität und der dramatischen Kinnfurche entspricht er eher dem nordisch-archaisch-männlichen Typ als einem ambivalenten Zwischending.

Die Frage des Geschlechts

Nun zur Preisfrage: Muss Geschlechtslosigkeit zwingend mit Androgynität einhergehen? Oder ist diese Annahme mittlerweile reaktionär? »Geschlechtslos« ist Murderbot allemal – wir sehen, dass er über keine Geschlechtsteile verfügt und nicht einmal Brustwarzen hat. Zu akzeptieren, dass jemand trotz archaisch männlicher Lesart geschlechtslos ist und die Pronomen »it/es« nutzt, ist möglicherweise der nächste Schritt, den wir hier tätigen müssen. Murderbot jedenfalls identifiziert sich nicht als Mensch und ist aus diesem Grunde auch nicht innerhalb des menschlichen Geschlechtsspektrums zu finden.

Alexander Skarsgård als Murderbot – hui oder pfui?

Alles schön und gut. Aber ‚kann‘ Skarsgård Murderbot? Ich sag mal so für mich: Ja. Skarsgård catcht mich durchaus. Sein Mienenspiel deckt alles ab: platte Bestürzung, wenn sich ihm die Space-Hippies aufdrängen, aber auch sehr feine Nuancen, wenn er versucht, sozialen Situationen zu entkommen oder Augenkontakt halten muss (press F for Respect). Auf der anderen Seite dieser verletzlichen Unbeholfenheit liegen Murderbots extrem trockene Kommentare aus dem Off, die Skarsgård mit gutem Timing rausknallt. Am meisten fasziniert mich jedoch die Stimme, die besagte trockene Note hat, aber vor lauter Unsicherheit auch geradezu wegbrechen kann (wenn Gurathin z. B. das Sex-Thema anspricht). In der deutschen Lokalisierung wird Murderbot von Sascha Rotermund gesprochen (Stimme von Pedro Pascal in The Mandalorian). Rotermund ist extrem charismastisch und bringt vor allem die genervte Scheißegalheit und den Humor von Murderbot perfekt rüber. Allerdings schafft er es nicht, Skarsgårds Verletzlichkeit zu adaptieren (diese brüchige Stimme: unerreicht!).

Fazit

Folge 1×02 »Augenkontakt« ist vor allem ein psychologischer Schlagabtausch zwischen Gurathin und Murderbot. Gurathin stochert in Murderbots Fassade herum, während dieser alles tut, um sein Geheimnis zu wahren – und dabei fast an Augenkontakt scheitert. Alexander Skarsgård gibt alles, um Murderbots inneren Konflikt in seine verspannte Mimik zu legen. Neben der Charakterarbeit gibt’s aber auch die ersten Anzeichen eines größeren, tödlichen Mysteriums. Wie gut, dass sich gerade unsere unbedarften Space-Hippies dazu berufen fühlen, das benachbarte Schlachthaus zu untersuchen. Nächstes Mal also Survival-Horror.

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Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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