House of the Dragon (Folge 1×01)

Game of Thrones: Eine Serie, die neue Maßstäbe für das Genre Fantasy setzte. Mit einer riesigen weltweiten Fangemeinde, die sieben Staffeln hindurch gebannt vor den Bildschirmen saß, um dann von dem Hopplahopp-Finale der achten Staffel nachhaltig vergrätzt zu werden. Klar, dass da noch etwas hinterher kommen muss. Klar aber auch, dass die Macher des nächsten Ausflugs auf den fiktiven Kontinent Westeros mit seinen Intrigen und Machtkämpfen genau den richtigen Ton treffen müssen, um den riesigen Erwartungen gerecht zu werden und all die eingeschnappten Fans zu versöhnen. Unter verschiedenen Projekten hat nun House of the Dragon die Nase vorn. Kein Sequel, sondern ein Prequel, das sich seinen Stoff aus Teilen von George R.R. Martins Chronik der Targaryen-Dynastie mit dem Titel Feuer und Blut: Aufstieg und Fall des Hauses Targaryen von Westeros holt. Also garantiert mit Drachen und silberblonden Thronanwärter:innen. Dafür ohne irgendeine der Figuren, die man in acht Staffeln Game of Thrones lieben oder hassen gelernt hat. Am 22. August 2022 ist die erste Folge bei WOW, einst Sky, zu sehen.

Inhaltsangabe

100 Jahre nach der Ankunft der drachenreitenden Targaryen in Westeros und 172 Jahre vor der Geburt von Daenerys Targaryen, der vorerst letzten Drachenreiterin ist die Dynastie auf der Höhe ihrer Macht angekommen. Doch die Thronfolge wird kompliziert. Schon der vierte Targaryen-König Jaehaerys muss nach dem Tod seiner Söhne entscheiden, wer sein Nachfolger wird und entscheidet sich für seinen Enkel Viserys, zu Ungunsten einer älteren, ehrgeizigen Prinzessin, denn weibliche Thronfolge ist nicht üblich. Viserys herrscht als fünfter König aus dem Hause Targaryen recht unbehelligt und wohlmeinend, doch bisher hat er noch keinen männlichen Erben, nur eine halbwüchsige Tochter namens Rhaenyra, der es jede Menge Seelenverknotungen beschert, nicht der ersehnte Sohn zu sein. Offizieller Thronfolger ist also Daemon Targaryen, des Königs jüngerer Bruder. Unbeherrscht, brutal und machtgierig ist er kein Sympathieträger bei den Ratgebern des Königs. Als Königin Aemma nach einer langen Reihe von Fehl- und Totgeburten wieder schwanger ist, hofft der König auf den lang erwarteten Thronfolger und veranstaltet zum voraussichtlichen Geburtstermin ein großes Turnier. Daemon Targaryen, der es nur zum Kommandanten der Stadtwache gebracht hat, nutzt die Gelegenheit, um die Stadt Königsmund von seinen Mannen durchkämmen zu lassen und jede Menge mutmaßliche Verbrecher zu verstümmeln und niederzumetzeln. Sorge um die Sicherheit der Turniergäste oder Machtdemonstration? Während des Turniers stirbt die Königin bei der Geburt des kleinen Baelon, der seine Mutter nur um wenige Stunden überlebt.Der König trauert, doch Daemon feiert mit seinen Spießgesellen im Bordell den glücklichen Umstand, nun doch wieder Thronfolger zu sein. Damit hat er den Bogen überspannt. Viserys beschließt, die Thronfolge neu zu ordnen und statt Daemon seine Tochter Rhaenyra zur Thronfolgerin zu bestimmen. Daemon besteigt seinen Drachen Caraxes und verschwindet aus Königsmund.

Das Einzige, was das Haus des Drachens zu Fall bringen kann, ist es selbst

Die Erzählerstimme am Anfang, die diesen Satz spricht, fasst alles Kommende zusammen: die Selbstzerstörung einer Dynastie. Wer schon einmal in die Buchvorlage hineingelinst hat, der weiß: Das ist eine Chronik, kein Roman. Da erfährt man, wer von wann bis wann herrschte und wer wen meuchelte, wie alle Drachen hießen und warum etwa Burg Harrenhal eine Ruine ist. Eine Fundgrube für nerdige Details und ein Grundgerüst aus Jahreszahlen, Namen und Herrschaftsabfolgen. Aber knapp 900 Seiten Sätze wie “Ser Argilac, der Arrogante erschlug Horbert, den Halsstarrigen an den Ufern des Trident” transportieren kaum etwas von jenem Game of Thrones-Gefühl, das entsteht, wenn starke Charaktere durch eng verwobene Handlungsstränge hindurch hochemotionale Konflikte austragen. House of the Dragon steht vor der mühevollen Aufgabe, dem Handlungsskelett Leben einzuhauchen. Das passiert auch, in dieser Mischung aus Pathos und großen, schlichten, aber psychologisch nachvollziehbaren Motiven, die Schauspieler, die ihr Handwerk durch Shakespeare-Stücke erlernt haben, so gut hinkriegen. Folge 1 lässt es gemächlich angehen, Charaktermomente brauchen Zeit. Da ist der milde König und sein unbezähmbarer Bruder, dem das Wort “Schurke” schon fast auf die Stirn geschrieben steht. Aber der will von seinem Bruder eigentlich nur Liebe, Anerkennung und ein erfüllendes Betätigungsfeld. Und er scheint seine Nichte – demnächst seine Konkurrentin um den Thron – wirklich zu mögen. Die wiederum hadert mit mittelalterlichen Rollenzwängen und – wen, wunderts – Papas mangelnder Aufmerksamkeit und Liebe. Nicht innovativ, aber man kann durchaus was damit anfangen. In der zweiten Reihe ein loyaler, aber unerwartet durchtriebener Ratgeber, ein Mädchen, das zur Schachfigur von Papas Intrigen wird, eine enttäuschte Einstmals Beinahe-Königin und eine Riege von königlichen Beratern, die Keile zwischen den König und seinen Bruder treiben. Das könnte alles noch glimpflich verlaufen, aber da es der Feder von George R. R. Martin entstammt, wird die Figurenkonstellation schon für ordentlich Chaos und Untergang sorgen.

Westeros wie man es kennt

Immer dieser Erwartungshaltungen. Wenn eine Geschichte in Westeros spielt, dann weiß, man wie das auszusehen hat. House of the Dragon liefert das alles ab. Mittelalterliche Kostüm- und Bautenpracht. Gemetzel in nächtlichen Gassen. Das Bordell von Königsmund, offenbar ein Traditionsunternehmen mit jahrhundertelanger Unternehmensgeschichte. Unsympathischer Sex und abgehackte Gliedmaßen deutlich mehr und sichtbarer als sonst im Fernsehen zu erwarten, aber gern im Halbdunkel oder in so kurzen Einstellungen, dass man gar keine Zeit hat, den Schockwert des Gesehenen zu verarbeiten. Ein Turnier, bei dem es kaum ritterlich zugeht. Hier findet House of the Dragon sogar mal einen unerwartet originellen Twist. Da ist der altbekannte Satz, den in Westeros wohl alle Mädchen, die lieber kämpfen als heiraten wollen, zu hören bekommen: “Der Frauen Schlachtfeld ist ihr Wochenbett”. Das nun nicht nur als Spruchweisheit aus barbarischen Zeiten, sondern auch in Farbe. Während die Ritter auf dem Turnierplatz aufeinander eindreschen dass es nur so spritzt, verblutet die Königin an einem missglückten Kaiserschnitt ohne Narkose. Finster war es schon, das Mittelalter. Aber genau das wollten wir ja sehen.

Goldene Drachen und silberblonde Perücken

Zwei Dinge gab es in Game of Thrones nur sehr sparsam und darum waren sie umso eindrucksvoller. Zum einen Drachen. So richtig tun, was Drachen tun, durften sie erst ganz zum Schluss und da wurde einem erst klar, mit was für Monstern man es zu tun hat. Zum anderen das silberblonde Haar der Targaryen. Ein geschickter Maskenbildner kann einen ganz magischen Moment bewirken, wenn er einem oder einer Brünetten eine hellblonde Perücke aufsetzt und die dunklen Augenbrauen stehen lässt. Vor gut 20 Jahren ließ das Orlando Bloom (Der Herr der Ringe) zum Elben Legolas werden und auch Emilia Clarke (Game of Thrones) wurde mit einer blonden Flechtfrisur zur betörend schönen Kriegerprinzessin Daenerys. House of the Dragon hat handlungsbedingt beides im Übermaß, Drachen und blonde Perückenträger. Mit den Drachen kann man sich durchaus anfreunden, die sind bisher eher Privatjet als Luftwaffe, sie sind zwar zahm, aber weder harmlos noch niedlich und sie sehen dank CGI gut aus. Aber all die Blondschöpfe zerren doch etwas an Stilempfinden und Sinn für Realität. All die African-Targaryens mit ihren hellen Dreads. Okay, Diversität. Und es sieht unerwartet cool aus. Aber bei Matt Smith (The Crown) als Daemon Targaryen muss man schon sehr die Augen zukneifen, um ihm die Legolas-Frisur abzunehmen. Immerhin ist seine Schauspielleistung stark genug, dass ihn die Perücke nicht an die Wand spielt.

Fazit

House of the Dragon riecht auf jeden Fall vertraut. Nach nur einer Folge ist noch nicht absehbar, ob es nur so ähnlich wird wie eine alte Lieblingsserie oder wirklich großartig. Immerhin, man kann sich aufs Neue mit einer Chipstüte in der Hand in die Welt von Westeros hineinplumpsen lassen wie in eine gemütliche Sitzlandschaft, denn zumindest optisch und atmosphärisch kriegt man, was man erwartet. Ansonsten ist der Grundkonflikt erfolgreich auf die Schiene gebracht, Spielbrett und Figuren aufgebaut, eine vom Patriarchat enttäuschte Drachenreiter-Prinzessin und ein vielversprechender Schurke sind schon mal am Zug. Das ist genau das, was eine erste Folge abliefern sollte.  

© Sky

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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