Doctor Who (Folge 11×10)

Mit nur zehn Episoden kommt die elfte Staffel Doctor Who schon zu ihrem offiziellen Ende. Und während jede Folge ein in sich geschlossenes Abenteuer ohne übergeordnete Rahmenhandlung erzählt, schließt sich hier der Kreis mit einem wiederkehrenden Bösewicht. Da kommen Rachegelüste hoch, die in starkem Kontrast zum hochgehaltenen Pazifismus stehen. Das kleine, emotionsgeladene Finale entspricht nicht dem üblichen Bombast – und ist damit genau der richtige Abschluss. Zumindest bis das Neujahrs-Special folgt.

Ein äußerst komplexer Hilferuf erreicht die TARDIS vom Planeten Ranskoor av Kolos. Frei übersetzt bedeutet der Name Zerfall der Seele. Das schreckt Graham etwas ab und er fragt, ob sie den anhalten müssten. Und hier kommt eine klare Antwort des Doctors. Sie müssen nicht. Aber alle anderen haben den Hilferuf bereits ignoriert, sollten sie etwa ebenfalls vorbei fliegen ohne etwas zu tun? Der Doctor entscheidet sich immer aufs Neue zu helfen und so auch jetzt. Ranskoor av Kolos entpuppt sich als Raumschifffriedhof, nicht zuletzt weil der Planet selbst einige unangenehme Energien ausstrahlt, die dem Verstand Streiche spielen. Wer hier aufschlägt, kommt nicht so einfach unbeschadet raus. Der Doctor hat zum Glück ein Hilfsmittel parat und die Untersuchung kann beginnen.

The Battle of Ranskoor av Kolos

Selbstverständlich gibt es einen Überlebenden, der ein kleines bisschen Licht ins Dunkel bringen kann. Paltraki heißt der Mann, der sich nur langsam und mit Hilfe überhaupt erinnern kann, weshalb er hier ist. Sein Gehirn muss sich erst wieder sammeln. Doch schnell ist klar, dass er etwas besitzt, was der Herrscher des Planeten gern wieder hätte. Und da trifft die TARDIS Crew der Schlag – Tzim-Sha (alias Tim Shaw) ist zurück. Das Alien, das für den Tod Grahams Frau und Ryans Großmutter Grace verantwortlich ist. Am Ende der ersten Folge „The Woman who fell to Earth“ hat der Doctor seine eigene Technik gegen ihn gewandt und dadurch strandete er auf Ranskoor av Kolos. Er kann den Planeten nicht verlassen, hat aber über 3000 Jahre ausgehalten und zwei mächtige Wesen für seine sinistren Zwecke missbraucht. Mit dem Auftauchen des Doctors ist die Zeit seiner Rache gekommen. Es gilt Überlebende in seiner Festung zu finden und zu befreien, den bösen Plot zu verstehen, um ihn zu vereiteln und dabei ganz eventuell das Universum vor einer mittelschweren Katastrophe zu retten.

Rache für Grace

Mit dem Auftreten von Tim Shaw ist klar, dass besonders Grahams innere Reise hier auf die ein oder andere Art zum Abschluss kommen muss. Seine Trauer um Grace hat ihn von zu Hause fortgetrieben und nun ist ihr Mörder in greifbarer Nähe. Der Doctor lehnt einen kalkulierten Mord aus Vergeltung (oder anderen niederen Motiven) klar ab. Und sie gibt Graham klar zu verstehen, dass er seinen Platz auf der TARDIS aufs Spiel setzt, wenn er loszieht, um Tim Shaw umzubringen. Für den Zuschauer ist dieses Verlangen in all seiner Menschlichkeit aber gut nachvollziehbar. Diese Konfrontation ist der emotionale Höhepunkt des Finales und somit ein spannender Augenblick für die weitere Charakterentwicklung von Graham. Ebenso steht dadurch seine Beziehung zu Ryan und dem Doctor auf dem Prüfstand.

Nicht das kataklysmische Finale wie gewohnt

Als Russell T. Davies Doctor Who 2005 wieder auf den Bildschirm zurückholte, legte er Wert darauf, dass die Folgen größtenteils in sich abgeschlossen sein sollten. Dennoch haben Staffel 1 bis 4 eine Art Schlagwort parat, das immer wieder auftaucht, um im Finale eine Rolle zu spielen und einen größeren Plot zu enttarnen. Unter Steven Moffat gewann die Serie von Staffel 5 bis 9 immer mehr an Komplexität. Eine fortlaufende Handlung steuert auf ein gigantisches Finale zu. Staffel 10 verläuft etwas ruhiger, knüpft aber über die Figuren einige Fäden. Mit Chris Chibnall am Ruder, hat sich Staffel 11 an allen Ecken und Kanten gegen diesen Trend gestellt und das spürt man besonders deutlich in dieser finalen Episode. Der Gegner Tim Shaw kommt nicht aus dem Nichts, aber seine Pläne wurden auch nicht nebenbei eingebunden. Es gab keine Brotkrumen für die Zuschauer, um sich auf dieses Wiedersehen vorzubereiten. Das kann bei alteingesessenen Fans aufs Gemüt schlagen. Dabei ist das Mysterium inhaltlich so skurril wie bedrohlich. Tim Shaw stiehlt ganze Planeten und versetzt sie in Stasis. Ein Schicksal, das nun der Erde blüht, um dem Doctor maximalen Schmerz zuzufügen.  Aber von einer staffelübergreifenden Spannungskurve aus gesehen, macht es fast keinen Unterschied, wann man diese Folge schaut. Der Taktgeber ist eher Grahams Innenleben und nicht das des Doctors.

Visuell hohe Qualität

Was diese Episode aber für sich verbuchen kann, ist einmal mehr die hohe Produktionsqualität. Die Ausleuchtung ist vielleicht hin und wieder ein wenig dunkel geraten, aber da müssen keine billiger aussehenden Requisiten versteckt werden. Explosive Effekte kommen schön zur Geltung und die Kameraführung lässt kaum Wünsche offen. Die Charaktere sind exzellent in Szene gesetzt. Die Geschichte ist etwas weniger episch, da sich der Doctor keine Blöße gibt oder in den eigenen seelischen Abgrund blickt, aber vom zahnbesetzten Gesicht von Tim Shaw bis zur materialisierenden TARDIS in höchster Not, sieht alles ziemlich filmreif aus.

Einer meiner Wünsche vom Staffelbeginn ist fast erfüllt worden, was mich sehr zufrieden stimmt. Beiläufig wurde erwähnt, dass die Stenza, zu denen Tzim-Sha gehört, Opfer in Stasis gefangen halten, was schlimmer als der Tod sei. Leider werden keine früheren Opfer befreit, aber zumindest können ein paar weitere von diesem Schicksal gerettet werden. Es fügt sich also ein bisschen zusammen. Leider bleibt eine Frage im Raum stehen, die nur kurz angeschnitten wird. Der Doctor hat Tzim-Sha damals nicht vollständig außer Gefecht gesetzt und obwohl er eindeutig eingeschränkt wurde, da er den Planeten Ranskoor av Kolos nicht verlassen kann, hat er doch tausende von Jahren seine Rache planen können und Schrecken verbreitet. Der Doctor ist sehr anfällig für Schuldgefühle – wären hier vielleicht welche berechtigt? Es ist für mich aber schon eine Genugtuung, dass Graham und Ryan sich dann gemeinsam entschließen, Tzim-Sha in eine seiner Kapseln zu sperren. Damit ist er aus dem Verkehr gezogen. Ein moralisches Schlupfloch! Graham und Ryan schließen für mich hier ihre charakterliche Reise ab. Und da sie das als eigenständiges Duo schaffen, erhärtet sich weiter dieses Bild, dass Yazmin die prototypische Begleitung für den Doctor darstellt. Sie hat wieder mehr Momente, in denen sie beim Doctor bleibt und auch klipp und klar sagt, dass sie genau dort sein will. Leider findet sich genau da ein winzig kleiner Moment, der die Drehbuchschwäche offenbart. Es wird anfangs so viel darüber gesagt, wie wichtig es ist, sich mental zu schützen. Die neuralen Implantate sind bei der Problemlösung dann natürlich wichtig und so bleiben der Doctor und Yaz kurzzeitig schutzlos. Leider ohne wirklich Komplikationen. Für meinen Geschmack hätte es durchaus etwas kitschig-dramatischer sein dürfen. Das wird aber abgefedert, weil der Doctor die TARDIS nochmal als ihr Ghost Monument bezeichnet und am Ende haben die zwei eben die wichtigste Beziehung von allen. Ich zähle bereits die Stunden zum Neujahrs-Special, das die Staffel abrunden wird und hoffentlich eine Brücke zu größeren Herausforderungen schlägt.

©BBC

Misato

Misato hortet in ihrer Behausung fiktive Welten wie ein Drache seinen Goldschatz. Bücher, Filme, Serien, Videospiele, Comics - die Statik des Hauses erlaubt noch ein bisschen, der Platz in den Regalen weniger. Am liebsten taucht sie in bunte Superheldenwelten ein, in denen der Tod nicht immer endgültig ist und es noch gute Menschen gibt. Íhr eigenes Helfersyndrom lebt sie als Overwatch Support Main aus und adoptiert fleißig Funko Pops.

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