WorldEnd

Man könnte fast meinen, Autor Akira Kareno wollte mit seiner Light Novel WorldEnd: What are you doing at the end of the world? Are you busy? Will you save us?  den Rekord für den längsten Titel brechen. Dank dessen sticht zumindest die gleichnamige im April 2017 erschienene Anime-Adaption der Geschichte auf jeder Watchlist hervor. Aber sind Inhalt und Qualität der 12 Folgen langen Serie auch so rekordverdächtig?

   

Als der junge Held Willem Kmetsch mit seinem magischen Schwert in die letzte Schlacht um das Schicksal der Menschen zieht, verspricht er seiner Tochter, lebendig nach Hause zurückzukehren. Ein Versprechen, das er nicht halten kann. Im Kampf verwundet und jahrhundertelang im Eis eingeschlossen, ist Willem nun der letzte Überlebende seiner Art. Die Welt, so wie er sie kennt, gibt es nicht mehr: die Oberfläche der Erde ist ein wüstes Ödland, durchstreift von grausigen Monstern. Schutz vor ihnen bieten nurmehr die schwebenden Inseln im Himmel.

Um dem Schmerz über seinen Verlust und seinem tristen Dasein zu entkommen, übernimmt Willem im Auftrag des Militärs die Aufsicht über ein Waffendepot. Darin sollen Waffen lagern, die als einzige eine Invasion der Monster verhindern können. Wie er feststellen muss, handelt es sich dabei aber um etwas ganz anderes: eine Gruppe junger Mädchen, die Leprechauns, die das Militär im Geheimen auf tödliche Missionen zur Abwehr der Monster schickt. Und dies auch noch bewaffnet mit genau den Schwertern, die Willem und seine Gefährten hinterlassen haben.

Ungewöhnliche Perspektiven

Originaltitel Shuumatsu Nani Shitemasu ka? Isogashii desu ka? Sukutte Moratte Ii desu ka?
Jahr 2017
Episoden 12 (1 Staffel)
Genre Science-Fiction, Drama, Romance
Regisseur Jun’ichi Wada
Studio Satelight

Statt auf die Kämpfe der jungen Heldinnen konzentriert sich WorldEnd (oder SukaSuka, wie das für lange Light-Novel-Titel übliche japanische Akronym der Serie lautet) aber hauptsächlich auf die Entwicklung der Charaktere im Umgang mit ihren Schicksalen. So entdeckt die junge Chtolly dank ihrer wachsenden Zuneigung zu Willem mehr und mehr den Wert ihres eigenen Daseins, und stellt ihre Rolle als lebendige Waffe zunehmend in Frage. Mit der männlichen Hauptfigur nimmt die Erzählung des Anime darüber hinaus eine innerhalb des Fantasy- und Isekai-Genres seltene Perspektive ein: Willem kann nach seinem langen Winterschlaf nicht mehr selbst kämpfen; so schlüpft der ehemalige Held zwangsweise in die Rolle all derjenigen, die, wie einst seine eigene Tochter, zu Hause zurückbleiben, wo sie bangend auf die Rückkehr ihrer Lieben warten. Das gebrochene Versprechen seiner Familie gegenüber macht Willem diese Situation genauso schwer wie seine stärker werdenden Gefühle für Chtolly. Doch können die beiden unter diesen Umständen überhaupt an eine gemeinsame Zukunft denken?

Dass die Charaktere und ihre Beziehungen im Fokus der Serie stehen, bezeugt neben der inhaltlichen Perspektive auch der Einsatz typischer erzählerischer Mittel: neben Dialogsequenzen und Monologen durchbrechen Rückblenden, Traumsequenzen und Vorgriffe die laufende Handlung. Mit seinen Charakter-Porträts und der Frage nach den Umständen klassischer Fantasy-Rollen reiht sich WorldEnd in einen stärker werdenden Trend innerhalb des Fantasy-Genres ein, der bisher weniger beachtete Aspekte der klassischen Heldenreise unter die Lupe nimmt oder deren Elemente gar ganz infrage stellt. Serien wie die 2016 gestartete Fantasy-Parodie KonoSuba – God‘s Blessing on This Wonderful World oder das kurz davor erschienene Re:ZERO – Starting Life in Another World – in der Protagonist Subaru Natsuki auf schmerzhafte Weise lernt, wieviel Mühe das Heldentum wirklich macht – zeigen aber, dass ein solche Prämisse durchaus Erfolg haben kann.

Welthaltige Aussichten

In einem Aspekt bleibt der Anime aber den Spezifika des Fantasy-Genres treu: die Ausgestaltung seines Settings. Dabei bedient sich WorldEnd zunächst einmal eher standardmäßigen Elementen wie Panorama-Shots fliegender Inseln, mittelalterlich anmutender Architektur oder aber steam-punkigen Flugmaschinen und viktorianischer Mode des 19. Jahrhunderts. Schon etwas seltener findet man in modernen Anime dagegen eine solche Vielzahl anthropomorpher Tiere, die zum Teil an Charakter-Designs aus den 80er und frühen 90er Jahren erinnern. Alle Elemente werden, nebenbei gesagt, in einem ganz dem Stil des für die Produktion der Serie zuständigen Studio Satelight entsprechenden Mix aus 2D Grafik mit CG-Effekten visualisiert. Doch das vielleicht auffälligste Merkmal sind die vielen kleinen Details, für deren Präsentation der Anime trotz seiner 12 Folgen Lauflänge einige Spielzeit aufwendet. Ob eine Tour zu den Schauplätzen einer beliebten Filmreihe von Echsen-Romanzen, oder ein in den menschlichen Ruinen der Erdoberfläche gefundener, in (korrektem!) Latein verfasster Propaganda-Aufruf zum Kampf gegen die Feinde der Menschheit – dank solcher Elemente erzeugt diese Welt einen Eindruck von Individualität und Tiefe.

Bleibender Eindruck

Trotz einer solch aufwendigen Gestaltung ihrer Welt, ihrer komplexen Handlung mit teilweise parallelen Schauplätzen und mehreren zeitlichen Ebenen, oder der großen Zahl ebenso komplexer Charaktere wirkt die Serie nicht so überfrachtet, wie man es bei einer Light-Novel-Adaption mit so geringer Episodenzahl vielleicht erwarten würde. Zudem gelingt es dem Anime, eine für sich allein stehende Geschichte ohne Handlungslücken oder offene Fragen zu erzählen. Gemäß der thematischen Ausrichtung des Fantasy-Romantik-Dramas schreitet die Handlung bei all der Weltgestaltung und Charakterdarstellung nur sehr langsam voran. Die wenigen actionreicheren Sequenzen – vor allem die dynamischen Kampfszenen – sind ordentlich gestaltet, auch wenn sich hier Kritiker von 3D-Grafiken an den deutlich herausstechenden CG-Effekten stören könnten.

Wer sich auf das gemütliche Tempo der Handlung und die guten, aber nicht herausragenden Visuals einlässt, wird belohnt mit einer packenden Geschichte voller echter Emotionen und authentischer, tiefgründiger Charaktere. Dank der hohen Welthaltigkeit des Settings erscheinen deren Sorgen plausibel und bedeutend. Am eindrucksvollsten ist Chtollys verzweifelter Kampf, wider ihre eigene Natur ein erfüllteres Leben zu führen und so die Hindernisse zwischen ihr und Willem zu überwinden. Hier wartet auf Fans großer Gefühle eine der vielleicht besten, weil natürlich wirkenden und gänzlich klischeefreien Liebesgeschichten, die das Medium Anime zu bieten hat. Abseits der Romantik lässt sich WorldEnd mit seiner detailreich gestalteten Welt voller versteckter Wahrheiten aber auch allen anderen Anhängern von Science-Fiction und Fantasy empfehlen. Und nicht nur wegen der fantastischen Ansichten, sondern auch wegen des Soundtracks, der unter anderem mit einer Version des Celtic-Klassikers „Scarborough Fair“ aufwartet.

nightfury

nightfury liebt Geschichte(n), gibt aber auch gerne seinen eigenen Senf dazu: er verkriecht sich für seine Doktorarbeit in staubige Archive und philosophiert viel zu lange über das Werk, das er konsumiert hat. Leider mag er auch Sprachen und ist ein Grammatik-Freak, weshalb kein Text vor seinem Pedantismus sicher ist. Wenn er mit seiner Besserwisserei dann endlich am Ende ist, hört er auch gern mal den Anderen zu oder spielt ihnen mit seiner Westerngitarre Lieder von Johnny Cash vor.

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Ayres
Redakteur
14. September 2017 13:10

Danke für den Artikel. Klingt tatsächlich nach einer sehr interessanten Serie, die ich bislang selbst nicht auf dem Schirm hatte 🙂