Mom
Chuck Lorre ist ein Name, der jedem Sitcom-Fan etwas sagen sollte. Hits wie The Big Bang Theory, Two and a Half Men oder Dharma & Greg stammen allesamt von dem berühmten Produzenten, der durch einen Vertrag mit CBS für immer mehr Serien-Nachschub sorgt. Auch die Sitcom Mom, die in den USA zwischen 2013 und 2021 ausgestrahlt wurde, gehört zu seinen Produktionen. Die Serie um das komplizierte Mutter-Tochter-Verhältnis zweier trockener Alkoholikerinnen umfasst insgesamt acht Staffeln mit 170 Episoden. In Deutschland lief die letzte Episode bereits im Juni 2021 auf dem Pay-TV-Sender ProSieben Fun, am 23. Oktober desselben Jahres flimmerte das Serienfinale nun auch im Free-TV über die deutschen Bildschirme.
Die Kellnerin Christy (Anna Faris, Overboard) kämpft gegen ihre Alkohol- und Drogensucht, um so mehr für ihre beiden Kinder Violet (Sadie Calvano, Why Women Kill) und Roscoe (Blake Garrett Rosenthal, Crazy Eyes) da sein zu können. Christy ist nicht unbedingt zufrieden mit ihrem Leben, so sie hat eine aussichtslose Affäre mit ihrem Boss und es ist nicht leicht, trocken zu bleiben. Erst recht nicht, als ihre Mutter Bonnie (Allison Janney, Tallulah) durch ein gemeinsames Meeting der Anonymen Alkoholiker wieder in ihr Leben tritt, zu der sie jahrelang keinen Kontakt hatte und der sie bis heute vorwirft, sie habe sich nie richtig um sie gekümmert und deshalb sei sie in einen Teufelskreis gekommen. Nach einigem Hin und Her nähern sich Mutter und Tochter jedoch wieder an und finden in den anderen Frauen, die regelmäßig die Meetings besuchen, gute Freundinnen …
Humor und Alkoholismus, passt das zusammen?
Originaltitel | Mom |
Jahr | 2013–2021 |
Land | USA |
Episoden | 170 in 8 Staffeln |
Genre | Sitcom |
Cast | Bonnie Plunkett: Allison Janney Christy Plunkett: Anna Faris Violet Plunkett: Sadie Calvano Roscoe Plunkett: Blake Garrett Rosenthal Baxter: Matt L. Jones Marjorie Armstrong: Mimi Kennedy Jill Kendall: Jaime Pressly Adam Janikowski: William Fichtner Wendy Harris: Beth Hall Tammy Diffendorf: Kristen Johnston |
Ende Oktober 2021 auf ProSieben geendet |
Bei einer ernsten Thematik wie die der Alkohol- und Drogensucht drängt sich schnell die Frage auf, ob das der geeignete Stoff für eine Sitcom sein kann. Tatsächlich zeigt Mom, dass das durchaus möglich ist, denn neben viel Humor wird auch das richtige Fingerspitzengefühl für ernste Momente an den Tag gelegt. Und an ernsten Momenten und Themen mangelt es definitiv nicht: Tod durch eine Überdosis, häusliche Gewalt, Vernachlässigung, Krebs und sexuelle Übergriffe sind nur eine kleine Auswahl an ernsten Themen, die im Laufe der 170 Episoden zur Sprache kommen. Manches kommt sicher auch mit einem zwinkernden Auge vor. Wie etwa der Running Gag, dass die nun so herzensgute Marjorie in jungen Jahren im Gefängnis saß und in einem Karton wohnte. Aber wenn es darauf ankommt, wird auf die nötige Sensibilität geachtet. Auch die Hintergründe von Bonnie und Christy sind genau genommen nichts zum Lachen. Bonnie wurde als kleines Mädchen von ihrer Mutter verlassen und verbrachte ihre gesamte Kindheit und Jugend im Pflegesystem, vollkommen ohne familiäre Liebe. Tochter Christy hat sie dann bereits als Jugendliche zur Welt gebracht und fortan alleine aufziehen müssen, einer Verantwortung, der sie nie gerecht werden konnte. Christy schlug dann einen ähnlichen Weg wie ihre Mutter ein: frühe Schwangerschaft, Geld- und Suchtprobleme. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Annäherung von Mutter und Tochter, da Christy Bonnie nie verzeihen konnte, dass diese so wenig für sie da war und sie ihr auch in gewisser Weise die Schuld daran gibt, wie schief ihr bisheriges Leben gelaufen ist. Umso schöner ist es dann aber, wenn beide als Personen wachsen und Christy sogar anfängt, nochmal die Schulbank zu drücken und sich zum Ziel zu setzen, Anwältin zu werden.
Kehrtwende ab Staffel 3
Interessanterweise lässt sich sagen, dass sich die ersten zwei Staffeln Mom fundamental von den nachfolgenden Episoden unterscheiden, sich sogar die komplette Narrative verändert. Geht es in den ersten zwei Staffeln noch vorrangig um Christy, Bonnie und ihr familiäres Umfeld, primär die Kinder Violet und Roscoe, verschiebt sich der Fokus. Christys Probleme als Single-Mutter, die mit ihrer Vergangenheit kämpft, nehmen zunächst einen großen Raum ein. Doch ab Staffel 3 ist damit Schluss. Die Kinder tauchen immer seltener bis letzten Endes gar nicht mehr auf, stattdessen liegt der Fokus nun rein auf den Freundschaften, die Christy und Bonnie in ihrer AA-Gruppe geschlossen haben. Zwar bereitet diese Neuausrichtung tatsächlich mehr Spaß und Abwechslung, gleichzeitig leidet darunter die erzählerische Kontinuität maßgeblich. Wenn Christy plötzlich gar nicht mehr über ihren erst zwölfjährigen Sohn spricht und man als Zuschauer*in komplett im Dunkeln gelassen wird, was der Junge denn bitte in den vielen weiteren Jahren macht, dann wirkt das wenig authentisch. Violet wird als Charakter immerhin nochmal aufgegriffen und genutzt, um deutlich zu machen, dass Christy, die man als Zuschauer*in doch so sympathisch findet, als Mutter eben recht viel falsch gemacht hat. Etwas übertrieben ist jedoch, dass Christy im späteren Verlauf der Serie auch noch eine Spielsucht entwickelt (oder realisiert, dass sie diese schon seit längerer Zeit hat). Das mag zwar für Abwechslung und eine frische Thematik sorgen, ergibt aber nur bedingt Sinn und wirkt vor allem, als habe man zu viele Problematiken auf einen Charakter schreiben wollen. Dennoch funktioniert die Fokussierung auf die Charaktere, deren Alltag und deren Beziehungen zueinander sehr gut und ist deutlich unterhaltsamer als nur Christys Familie.
Das Herzstück jeder Sitcom: die Charaktere
Der Fokus liegt ab Staffel 3 somit nicht mehr nur auf Bonnie und Christy, sondern eben auch ihren Freundinnen aus den AA-Meetings. Da wäre Jill Kendall (Jaime Pressly, My Name Is Earl), eine reiche Frau, die materiell zwar alles hat, aber an der Scheidung von ihrem Mann und dem frühen Suizid ihrer Mutter zu knabbern hat. Die ältere Marjorie (Mimi Kennedy, Stichtag) ist hingegen die gute Seele der Gruppe, bereits seit Jahrzehnten trocken und steht Christy von Anfang an als Sponsorin zur Seite, sie selbst muss jedoch damit leben, dass sie durch ihre Sucht unter anderem den Kontakt zu ihrem Sohn verloren hat. Wendy (Beth Hall, Mad Men) ist Krankenschwester und der Charakter, über den man grundsätzlich am wenigsten weiß, wobei der Running Gag ist, dass niemand sie beachtet (glücklicherweise kommt aber auch das irgendwann ernsthaft zur Sprache). Ab Staffel 6 stößt Tammy (Kristen Johnston, Die Flintstones in Viva Rock Vegas) dazu, eine ehemalige Pflegeschwester von Bonnie und erst seit wenigen Monaten aus dem Gefängnis entlassen. Sie bringt eine neue Dynamik in die befreundete Gruppe, ist jedoch mit ihrer sehr aufdringlichen und überschwänglichen Art ein etwas schwieriger zugänglicher Charakter. Eine große Bereicherung für den Cast ist aber ohne Frage der ehemalige Stuntman und im Rollstuhl sitzende Adam Janikowski (William Fichtner, Prison Break), den Bonnie im Laufe der dritten Staffel kennen und lieben lernt. Er stellt einen gelungenen Kontrast zu dem ansonsten sehr weiblichen Cast dar und bringt als Nicht-Alkoholiker eine frische Perspektive mit ein. Auch fungiert er als Bonnies gutes Gewissen und hilft ihr, zu einem besseren Menschen zu werden.
Staffel 8 ohne Christy – der titelgebenden Mom fehlt die Tochter!
Die achte und letzte Staffel von Mom muss ohne Hauptdarstellerin Anna Faris auskommen. Eine Nachricht, die viele Fans kurz vor Produktionsstart der Staffel schockierte. Tatsächlich wird das Fehlen Christys sinnvoll erklärt, dennoch fehlt gerade die so bedeutende Beziehung zwischen Bonnie und Christy, auch wenn der Fokus ohnehin mehr auf der ganzen Freundesgruppe liegt. Aber gerade die liebevolle, aber wohl nie vollkommen geheilte Beziehung zwischen Bonnie und Christy ist eben ein zentraler Aspekt der Serie und gibt ihr überhaupt erst ihren Namen. Auch ist die Serie zwar sehr lustig und bringt eine Mischung aus verschiedenem Humor mit, aber manche Storylines werden recht langatmig erzählt. Das gilt vor allem für Christys Männergeschichten, die manchmal schlicht zu viele Episoden einnehmen und wenig interessant geschrieben sind. Wenn Christy den Bruder von Bonnies Lebenspartner oder den Vater der neuen Frau ihres Ex-Mannes datet, dann bietet sich das zwar als Stoff für Drama und als Steilvorlage für viele Witze an, gleichzeitig ermüden diese Geschichten aber eben auch ziemlich schnell. Dennoch macht Mom größtenteils Spaß und wartet mit sehr abwechslungsreichen Geschichten auf, bei denen auch die unterschiedlichen sozialen Hintergründe der Charaktere nicht vergessen werden. Ohnehin erweist sich auch die schauspielerische Leistung der Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller als wahrer Segen für die Serie, insbesondere Anna Faris als Christy und Oscar-Preisträgerin Allison Janney als Bonnie hätte man nicht besser besetzen können. Sie geben nicht nur glaubhaft Mutter und Tochter ab, sondern verkörpern die Figuren selbst auch sehr überzeugend.
Fazit
Mom ist eine abwechslungsreiche Sitcom, die der schweren Aufgabe, sowohl ernste Thematiken sensibel zu verarbeiten, als auch mit tollem Humor zum Lachen zu bringen, durchaus gerecht wird. Natürlich hat die Serie über eine Länge von 170 Episoden auch Ermüdungserscheinungen und es gibt Episoden, die eher wenig Spaß machen, dennoch trübt dies das positive Gesamtbild nur bedingt. Schade nur, dass die erzählerische Kontinuität und Authentizität mit dem narrativen Wechsel arg angekratzt wurde. Persönlich gefällt mir der neue Fokus auf die Freunde von Bonnie und Christy zwar auch sehr viel besser (und die Charaktere sind mir einfach schnell ans Herz gewachsen), aber ein Mittelding anstatt des rabiaten Bruches wäre hier wohl besser gewesen. Für Sitcom-Fans, die sich nicht daran stören, wenn auch mal ernste Töne angeschlagen werden, ist Mom jedenfalls Pflichtprogramm.
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