Hexen hexen (2020)

Mit Hexen hexen adaptiert Regisseur Robert Zemeckis (Zurück in die Zukunft) das beliebte Kinderbuch von Autor Roald Dahl, das bereits 1990 unter demselben Titel mit Anjelica Huston verfilmt wurde. Mittlerweile sind 30 Jahre vergangen und der zeitlose Klassiker bereit für ein neues Publikum. Doch Zemeckis’ Anspruch war nicht, den bekannten Film einfach ein weiteres Mal einfach nur umzusetzen. Er wollte sich eng an die Buchvorlage halten und seine Fassung somit noch originalgetreuer gestalten. Denn: In der ersten Hexen hexen-Adaption änderten Produzent Jim Henson, Drehbuchautor Allan Scott und Regisseur Nicholas Roeg ausgerechnet das Ende der Geschichte ab. Das verärgerte den Autor so sehr, dass er die gelungene und sonst sehr werkgetreue Adaption rundweg ablehnte. Ob Zemeckis’ Fassung ihn glücklicher gestimmt hätte, besprechen wir im Anschluss. Die 2020er-Fassung von Hexen hexen lief nach ihrem Start am 29. Oktober 2020 gerade einmal vier Tage im Kino und wurde eine Woche darauf bereits im Programm von Sky angeboten.

1968: Ein tragischer Autounfall, bei dem er beide Elternteile verliert, führt Charlie (Jahzir Kadeem Bruno, The Christmas Chronicles 2) zu seiner Großmutter (Octavia Spencer, Ma – Sie sieht alles) nach Alabama. Der Junge ist traumatisiert und lernt gerade wieder aus sich herauszukommen, als er beim Einkaufen eine mysteriöse Frau trifft. Laut seiner Großmutter handelt es sich dabei um eine Hexe. Man erkennt Hexen daran, dass sie anstelle von Fingern Klauen haben, keine Zehen besitzen und über magische Kräfte verfügen. Zudem tragen sie Perücken, da sie selbst keine Haare haben. Am meisten hassen sie Kinder. Die Großmutter, die einst selbst mit einer Hexe in Berührung kam, erkennt die Gefahr und zieht mit Charlie kurzerhand in ein weit entferntes Hotel, das von Mr. Stringer (Stanley Tucci, Die Tribute von Panem) geleitet wird. Allerdings findet genau dort ein Hexen-Kongress statt, welcher von der Großmeisterhexe (Anne Hathaway, Der Teufel trägt Prada) geleitet wird. Der Plan der Hexen: Alle Kinder dieser Welt mittels Zaubertrunk in Mäuse zu verwandeln. Charlie platzt als ungebetener Gast mitten in den Kongress und wird verwandelt …

Wozu ein Remake?

Originaltitel The Witches
Jahr 2020
Land USA
Genre Horrorkomödie
Regie Robert Zemeckis
Cast Charlie: Jahzir Kadeem Bruno
Große Oberhexe: Anne Hathaway
Großmutter: Octavia Spencer
Mr. Stringer: Stanley Tucci
Erzähler: Chris Rock
Bruno Jenkins: Codie-Lei Eastick
Mr. Jenkins: Charles Edwards
Mrs. Jenkins: Morgana Robinson
Laufzeit 106 Minuten
FSK
Veröffentlichung: 25. November 2021

Eine Frage, die sich grundsätzlich bei Neuauflagen stellt und immer dann berechtigt ist, wenn das Original eigentlich doch ein mindestens passabler Film ist. Im Falle von Hexen hexen sogar ein Kultfilm, der bis heute aufgrund der unvergleichbaren Anjelica Huston in vielen Köpfen geblieben ist. Grundsätzlich treffen immer zwei Punkte zu: Die Tricktechnik ist 30 Jahre später eine andere. Und die Zielgruppe von heute, Teenager und junge Erwachsene, war damals entweder noch zu jung für den Film oder gar nicht erst auf der Welt. Zemeckis, der zusammen mit Guillermo del Toro (Shape of Water – Das Flüstern des Meeres) und Kenya Barris (#BlackAF) produzierte, muss also vor Augen gehabt haben, dass sein Ergebnis kein Film für die Teenager von vor 30 Jahren werden sollte. Im Gegenteil: Entstanden ist ein neuer Film für ein neues Publikum. Das sollte lästige Vergleiche auch verstummen lassen, denn was mit Nostalgie aufgeladen ist, gewinnt in der Gunst des Publikums immer.

Da ist die Sache mit dem Grusel …

Viele Zuschauerinnen und Zuschauer wurden von Hexen hexen im Kindesalter geprägt. Vielleicht auch nachhaltig verstört. Denn was als ganz normaler Kinder- und Familienfilm beginnt, nimmt irgendwann eine Abzweigung in Richtung Horrorfilm. Auf eine polterhafte Weise, die sich (angenehm) merkwürdig anfühlt, da sie eben nicht wie ein geplantes Resultat wirkt. Die teuflisch aussehenden Hexen waren bizarr und besaßen mächtig Präsenz. Und zu sehen, wie Kinder in Tiergestalten verwandelt werden und Hexen mit Klauen und Reißzähnen ausgeliefert sind, kann für ein junges Publikum beängstigend sein – dies sollte nicht unterschätzt werden. Denn selbst wenn Hexen hexen bei Tageslicht spielt und auch die Umgebung alles andere als düster ausfällt, bleiben die Fratzen im Gedächtnis. Die Neuauflage nimmt da keine Abweichung und setzt sogar noch auf CGI-Effekte, die verblüffend an Venom erinnern, wenn Anne Hathaway ihre Reißzähne fletscht und ihre übergroßen Nasenlöcher präsentiert. Die Aufmachung ist herrlich bizarr – und trotzdem setzt Zemeckis verstärkt auf Humor anstatt kinderfreundlichen Grusel.

Erzählerische Freiheiten

Wenngleich die Ambition darauf lag, das Buch weitgehend originalgetreu zu erzählen, gibt es ein paar gravierende Änderungen. Die Geschichte aus dem England der 80er wurde in die USA der späten 60er verlegt. Dafür wurde auch die ursprünglich norwegische Großmutter durch eine Afroamerikanerin ersetzt. Diese Verlagerung sollte also im Grunde ein anderes Licht auf den Film werfen, gesellschaftlich wie politisch. Doch diesen Umständen begegnet das Drehbuch mit wenig Aufmerksamkeit. Gerade einmal eine Anlehnung findet sich wieder, nämlich Voodoo-Zauber, der in den US-amerikanischen Südstaaten auch passenderweise beheimatet ist. Doch mehr als diesen Einfall bringt Zemeckis nicht auf und somit spielt es auch inhaltlich keine Rolle, dass die Großmutter Afroamerikanerin ist. Die Themen Rassismus und Rassentrennung werden in einem großen Bogen umgangen. In manchem Kontext will das nicht so recht passen. Etwa wenn die Großmutter und ihr Enkel als einzige Nicht-Weiße im Hotel unterwegs sind, die eben nicht dort arbeiten. Am Ende kommt es wirklich ganz darauf an, wieviel man selbst auf die Konsistenz der Umstände gibt. Andererseits gibt es auch Ziel­gruppen, die sich von Dahls britisch-weißen Fami­li­en schon immer über­gangen fühlten. Die Neuerzählung korrigiert das dahingehend, dass auch die Hexen eine ziemliche Multi-Kulti­-Truppe sind.

Internationale Gesellschaft zur Verhinderung von Kindesmisshandlungen

In der Rolle der Großmeisterhexe brilliert Anne Hathaway und ihr gelingt der Spagat aus diabolischem Wahnsinn und lauernder Zurückhaltung. Sie sorgt für die stärksten Momente des Films. Denn auch, wenn sie nicht die Präsenz von Anjelica Huston besitzt, die bereits mit einem Blick Zuschauer zum Erstarren bringt, spielt sie wunderbar entfesselt und stellt eine Hexe dar, die in Sachen Optik wie Verhalten gleichermaßen unangenehm ist. Octavia Spencer bildet den Gegenpol: Erzählerischer Anker und Gutmensch in einem, aber in ihrer Rolle als Großmutter in vielerlei Hinsicht nur bedingt hilfreich. Deswegen entfaltet sich auch kein direktes Duell zwischen den beiden Frauen, sondern zwischen der Großmeisterhexe und Charlie plus Freunden. Ausgerechnet dessen Darsteller Jahzir Kadeem Bruno ist der große Schwachpunkt des Films: Er kann seine Rolle mimisch kaum tragen und bringt in seiner menschlichen Form weniger Leinwandpräsenz mit als die animierten Mäuse.

Ratatouilles geistiger Nachfolger?

Zemeckis erzählt seine Geschichte stimmungsvoll und legt großen Wert auf interessante Kamera-Perspektiven. Ein augenzwinkernder Humor ist immer vorhanden. Ganz egal, wie bedrohlich die Hexen auch sind. Das ist gleichzeitig auch ein wenig bedauerlich, denn der verringerte Horror-Anteil lässt den Film, insbesondere im Vergleich zum ersten, relativ zahm wirken. Insbesondere ab dem Teil, in dem Charlie als Maus unterwegs ist, kommt eher das Gefühl einer neuen Verfilmung von Ratatouille auf. Die Animationen bewegen sich auf einem mittelmäßigen Niveau: Selten sehen die Mäuse und ihre Umgebung wirklich umwerfend aus oder erwecken den Eindruck, im Jahr 2020 zur Spitze der Animationskunst zu zählen. Andererseits sieht das Ergebnis auch nicht übel aus. In diesem Abschnitt darf sich Zemeckis dann austoben und lässt eine Achterbahnfahrt auf seine Zuschauer los. Vor allem im Epilog zeigt sich noch einmal, welche Freude ihm die Gestaltung der Mäuse-Szenen gemacht haben muss.

Fazit

Hexen hexen hinterlässt einen guten, in manchen Belangen allerdings auch nur mittelmäßigen Eindruck. Die erzählerischen Freiheiten sind grundsätzlich gelungen, lassen auf der anderen Seite aber auch an Konsequenz vermissen. So sehr man sich wünschen würde, dass die Verantwortlichen die grundlegend simple Story ausschmücken und das Universum der Hexen erweitert würden, wird das am Ende nichts daran ändern, dass das Zielpublikum hier toll und temporeich unterhalten wird. Kurzweilig erzählt, mixt Grusel und Klamauk zu einer neuen Mischung in veränderter Dosierung und macht unterm Strich Spaß.

© Constantin Film


Veröffentlichung: 25. November 2021

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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