Ju-On: Origins (Staffel 1)
Anfang der 2000er feierte der J-Horror seine größten Erfolge: Subtiler Geistergrusel aus Japan, der dank des US-Remakes The Ring in den Westen schwappte. Alles, was nicht auf drei im Brunnen war, wurde einmal durch den Remake-Fleischwolf gedreht. Dazu gehört auch Ju-On: The Grudge aus dem Jahr 2002. Das US-Remake The Grudge mit Sarah Michelle Gellar in der Hauptrolle avancierte zu einem der bekanntesten Horror-Remakes der 2000er und lenkte vor allem im Westen die Aufmerksamkeit ins ferne Japan. Dort ist Ju-On inzwischen auf ein stattliches Franchise angewachsen: 13 Filme plus das trashige The Ring-Crossover Sadako vs. Kayako umfasst die Reihe. Dazu gesellt sich seit Anfang Juli 2020 auch die sechsteilige Netflix-Serie Ju-On: Origins. Wie der Titel es schon anklingen lässt, geht es um nichts Geringeres als die Ursprünge des Fluchs.
Japan, 1988: Yasuo Odajima (Yoshiyoshi Arakawa) ist nicht nur Journalist, sondern liebt auch paranormale Vorfälle. In seiner nächtlichen Talkshow interviewt er die Schauspielerin Haruka Honjo (Yuina Kuroshima). Diese erzählt ihm von unheimlichen Schritten, die sie in der Wohnung über sich wahrnimmt. Kleine Füße, die von einem Kind stammen müssen und sich auch aufnehmen lassen. Yasuo macht sich an die Recherche und findet heraus, welche Tragödie hier einst eine Mutter und ihr Kind ereilte.
Eine Serie als Extended-Film
Originaltitel | Ju-On: Origins |
Jahr | 2020 |
Land | Japan |
Episoden | 6 (in Staffel 1) |
Genre | Horror |
Cast | Yasuo Odajima: Yoshiyoshi Arakawa Haruka Honjo: Yuina Kuroshima Frau in weiß (Geist): Seiko Iwaido Yudai Katsuragi/Katsuji Kobayashi: Koki Osamura Kiyomi Kawai/Kumi Shigematsu: Ririka Yoshie Minakami: Nana Owada |
Seit dem 3. Juli 2020 auf Netflix verfügbar |
Die Ju-On-Titel waren schon immer episodisch. Stets verschlägt es andere Leute in verfluchte Häuser, sodass ein reges Kommen und noch regeres Gehen in Sachen Personal schon zur Gewohnheit geworden ist. Da reiht sich eine sechs Episoden lange Serie, die auf eine Gesamtlaufzeit von drei Stunden kommt, nahezu unauffällig ein. An dieser Stelle ist es sogar mal erfreulich, dass nicht zehn einstündige Folgen produziert wurden, die nicht viel zu erzählen haben. Stattdessen konzentriert sich die Geschichte auf das Notwendigste und springt traditionell zwischen mehreren Zeitebenen hin und her, um die Geschehnisse achronologisch wiederzugeben. Regisseur Sho Miyake (And Your Bird Can Sing) ist die Geschichte wichtiger als die Figuren. Oder noch konkreter formuliert: Das Haus ist ihm wichtiger als seine Figuren. Und deren Schicksale stehen über ihren Leben, so simpel ist die Formel. Bis sich die Charaktere sich erst einmal über den Weg laufen, vergeht einige Zeit. Das Erzähltempo wird manchem Zuschauer zu schleichend sein und die Belohnung fürs Dranbleiben ist gering. Denn Antworten bleiben zu einem Großteil aus und der Verweis auf eine Folgestaffel (inklusive Wartezeit) kann Frust sähen.
Der brutalste aller Ju-On-Teile
Zuschauer sollten gewarnt sein: Die Serie ist zwar ganz im bewährten Stil des Franchises gehalten, traut sich allerdings weitaus mehr als die Filme. Das geht mit der Vergewaltigung eines Mädchens los und endet mit einem Kindsmord. Wo die Filme noch stärker auf Schnitte und Jumpscares setzen, erhöht Ju-On: Origins sowohl den Gewaltpegel als auch die Szenen, die eine abstoßende Wirkung auf ihre Zuschauer haben könnten. Schwangere Frauen und scharfe Messer sind definitiv nichts für sensible Gemüter. Ob man es gutheißen kann, wenn ein Ableger noch stärker auf derart polarisierende Schocks aus ist, liegt im Ermessen des Einzelnen. Ju-On: Origins verdeutlicht, was zwar keine neue Erkenntnis für Kenner des Franchise darstellt, aber hier so ausdrucksstark wie selten zuvor zur Geltung kommt: Missbrauch ist ein erlerntes Verhalten und Schmerzen sind real. Eine Geschichte über Gewalt und was sie aus Menschen macht. Vor allem Frauen haben in dieser Geschichte zu leiden. Beinahe jede wird entführt, muss Gewalt erleben oder wird ermordet. Über der Handlung liegt ein schwerer und depressiver Schleider, welcher diese Serie nur schwer verdaulich macht.
Fazit
Ju-On: Origins mag Fans enttäuschen, die ganz in der Tradition der Reihe auf verstörende Fratzen und Jumpscares aus sind. Stattdessen ergänzt die Vorgeschichte weitläufig die Handlung und reichert das Gefüge um ein deutlich höheres Gewaltlevel an. Eine Geschichte über Gewalt lebt von Gewalt. Ursache und Wirkung erzeugen dasselbe: ein Trauma. Die Miniserie ist der beste Beweis dafür, dass das Franchise eben doch noch nicht zu Ende erzählt ist und noch eine Menge herausgeholt werden kann, indem neue Facetten beleuchtet werden. Qualitativ handelt es sich hierbei vielleicht nicht um ein Spuk in Hill House, aber einen wertvollen Franchise-Beitrag.