Jessica Jones (Staffel 1)

Jessica Jones (Krysten Ritter, Apartment 23) ist eine Marvel-Heroine. In ihrer eigenen gleichnamigen netflixexklusiven Serie hat sie zwar übermenschliche Superkräfte, aber sonst erst einmal nicht viel kostümiert farbenfroh Heldenhaftes an sich: Zynisch, nihilistisch und ohne den größten Geduldsfaden verdingt sie sich als Privatdetektivin und versucht sich durchs Leben zu schlagen, das sie bislang mehr gestraft hat. Die Welt beschützen? Sie konnte sich gerade mal selbst vor einem gewissen lila Kontrollfreak retten, der ihr noch immer Albträume beschert.

    

Jessica Jones ist 29 und ihre Detektei “Alias Investigations” im niemals schlafenden New York ist so heruntergekommen wie ihre Social Skills mangelhaft sind. Trotzdem ist sie gut in ihrem Job als Privatdetektivin, auch wenn ihre Aufträge meistens aus dem Entlarven untreuer Partner ihrer Klienten bestehen. Ihre Superkräfte gebraucht sie dabei ganz pragmatisch: Autos heben, um verängstigte Leute auszuquetschen oder mal Stockwerke hochspringen und Leute beschatten. Wenn sie nicht gerade arbeitet, versucht Jessica ihr Leben in Alkohol oder Sex zu ertränken. Doch ihre Vergangenheit hat sie hartnäckig im Griff und alsbald fassen ihre Albträume wieder Fuß in der Realität…

Ausgesprochen atmosphärisch “Noir”

Originaltitel Jessica Jones
Jahr 2015
Land USA
Episoden 13 (1 Staffel)
Genre Crime, Action, Drama
Cast Jessica Jones: Krysten Ritter
Trish Walker: Rachael Taylor
Kilgrave: David Tennant
Jeri Hogarth: Carrie-Anne Moss
Malcolm Ducasse: Eka Darville
Will Simpson: Wil Traval
Luke Cage: Mike Colter

Jessica Jones ist nach Daredevil der zweite Netflix-Titel aus dem Marvel Cinematic Universum im Serienformat. Die Serie macht öfter klare Referenzen auf andere Werke des Universums, doch sind sie für die Handlung nur insoweit relevant, als die Öffentlichkeit in Jessica Jones von der Existenz von Menschen mit Superkräften weiß. Stilistisch lässt sich die Serie dem Neo-Noir zuordnen, ein Film Noir mit kontemporärer Modernisierung. Die erste Hommage findet sich direkt am Anfang im Opening: Das Nachtleben in Silhouetten auf dunklen Gassen oder an Fenstern hinter einem Farbanstrich, der sogleich an den Expressionismus erinnert, aus dem sich der Film Noir entwickelt hat. Auch das unterlegte musikalische Titelthema ist von Jazz geprägt. Der Auftakt der Serie findet bei Nacht statt, als Jessica die Untreuen bei ihrem Stelldichein heimlich fotografiert und sich ihren Zynismus darüber nicht verkneifen kann. Wenig überraschend spielt dabei Sex eine ganz natürliche wiederkehrende Rolle, genauso wie Kriminalität, gesetzliche Grauzonen, Tod, Alkoholkonsum oder gar Drogen. Die Serie greift viele Themen auf, doch ganz zentral wie buchstäblich geht es um Kontrolle.

Machtspielchen

Kilgrave ist ein ganz starker Antagonist mit einer Superkraft, der man sich kaum entziehen kann. Dabei bekommt man das Antlitz seines Schauspielers David Tennant (Broadchurch) erst im zweiten Viertel der Serie so wirklich zu Gesicht. Doch seine Existenz ist von Anfang an allgegenwärtig. Alle, die das Glück (oder Pech?) haben seine Selbstgefälligkeiten zu überleben, sind aufs Leben verschrammt. Seine Hände macht sich Kilgrave kein einziges Mal selbst dreckig. Wozu auch, wenn er mit seiner Gedankenkontrolle überall willige Sklaven hat? In bester psychopathischer Selbstgerechtigkeit erzwingt Kilgrave seine Kontrolle ganz buchstäblich, beweist aber auch, dass er es ohne seine Kräfte kann. Das Kontroll-Motiv findet sich auch bei vielen “normalen” Nebenfiguren: Jeri Hogwarth (Carrie-Anne Moss, Matrix) ist eine manipulative Anwältin, die auch mal Jessica nach Dreck ihrer Gegner suchen lässt. Deren Noch-Ehefrau Wendy (Robin Weigert, Big Little Lies) nutzt alle ihr zur Verfügung stehenden Druckmittel, um Jeris angestrebte Scheidung zu verderben. Jessicas Adoptiv-Schwester Trish Walker (Rachael Taylor, Grey’s Anatomy) hat Kindesmissbrauch durch ihre Mutter Dorothy (Rebecca De Mornaym, Die Hand an der Wiege) hinter sich, die alles tat, um Trishs Berühmtheit als das Sternchen Patsy aufrecht zu erhalten. Hope (Erin Moriarty) kommt aus einer sehr konservativen, einengenden Familie. Robyn (Colby Minifie) ist eine Mitbewohnerin in Jessicas Apartmentkomplex und befehligt das Leben ihres Bruders Ruben (Kieran Mulcare) mit viel Geschrei. Malcolm (Eka Darville) ist ein anderer Mitbewohner und ständig auf Drogen. Jessica selbst nutzt ihre Kräfte oft genug zu Einschüchterungszwecken und schafft es ohne ihre Flasche kaum, das Leben auszuhalten. Kilgrave ist ein Bösewicht, ohne Frage. Doch wo beginnt und endet der eigene freie Wille und die Verantwortung für die eigenen Taten wirklich?

Eigentlich war ich bloß beim Studieren englischer Akzente, nachdem David Tennant in Broadchurch den Schotten mimte. In Jessica Jones spricht er Posh, das typische “Bösewichter-English”. Positiv erstaunt bin ich darüber, wie viel (Horror-)Präsenz dieser Antagonist hat, auch ohne tatsächlich großartig auf der Bühne zu stehen. Jessica Jones ist das Erste, was ich von Marvel überhaupt gesehen habe und wenn die Serie nicht auf Netflix als Marvel’s Jessica Jones betitelt worden wäre, hätte ich den Superhelden-Comic-Ursprung die halbe Serie über vermutlich gar nicht großartig bemerkt. Irgendwie habe ich mehr etwas für eine Teenie-Zielgruppe erwartet, coole Badass-Heldin in schwarzer Kluft, die souverän böse Kerle vermöbelt (das, was Trish eigentlich gerne sein würde), das verflog aber schon mit dem expressionistischen Opening. Letztlich ist Jessica immer noch cool und Badass, aber sie steckt auch sehr viel ein und vor allem präsentiert sie sich als ein mentales Wrack, in dessen Umgebung alle möglichen düsteren Themen ausgegraben werden. Doch ein Anti-Held ist irgendwie auch ein Held.

Zweite Meinung:

Als Jessica Jones angekündigt wurde, war ich schon Feuer und Flamme. Zum einen endlich mal eine weibliche Heldin als Titelfigur, die dann nicht an den Rand geschoben werden kann und zum anderen ein Marvel-Charakter mit einer sehr unschönen Vergangenheit, was perfekt zum Netflix-Konzept passt. Nicht so schön bunt und familienfreundlich wie die Kinofilme, sondern rau, ernst und unbequem. Mittlerweile muss ich sagen, wird mir diese Kost langsam zu eintönig, aber die erste Staffel Jessica Jones ist von den bis 2018 sechs veröffentlichten Serien weiterhin mein Favorit. Kilgrave ist ein wunderbar hassenswerter Gegner, der zwar eine fantastische Superkraft hat, aber doch eine sehr greifbare Form des Bösen darstellt – der Typ von nebenan, der immer seinen Willen kriegt und wenn nicht, sind immer die anderen Schuld. Keinerlei Unrechtsbewusstsein und behandelt Menschen wie Spielzeug, der Bösewicht ist der weinerliche Nice Guy. Leider wird die Staffel schnell auf ihn reduziert, dabei gibt es so viele andere tolle Dinge zu entdecken und am besten gefällt mir die Freundschaft von Jess und Trish. Die Verbindung geht tief, selbst wenn sie sich lange nicht gesehen haben und zu verschiedenen Zeitpunkten in ihrem Leben, haben sie sich gegenseitig beschützt. Das macht dieses Finale so perfekt. Mit nur zwei Dialogzeilen wird eine epische Lösung gefunden. Jess’ sagt tatsächlich “ich liebe dich”, ihr Codewort, dass sie sich Kilgrave entziehen kann und als letztes hat sie für ihn sein “lächeln” übrig, bevor das Genick dran glauben muss.  Das kennen doch die meisten Mädchen und Frauen, wie ihnen immer gesagt wird, sie sollten lächeln. Auch eine Form der Kontrolle. Melissa Rosenberg wurde skeptisch beäugt, weil sie die Drehbücher zu den Twilight-Filmen geschrieben hat, aber sie konnte schlecht den Stoff abändern. Bei Jessica Jones zeigt sie, was sie aus der Vorlage einer guten Frauenfigur – mit allen Fehlern und Problemen – machen kann. Es ist zudem nett, dass auch Luke Cage dabei ein Platz eingeräumt wird und er sich schon mal vor seiner eigenen Serie vorstellen darf. Er harmoniert mit seiner nahezu Unverwundbarkeit gut mit Jessicas physischer Stärke. Und es sind ja nicht alle Männer schlecht.

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Luna

Luna residiert auf dem Mond mit ihren beiden Kaninchen. Als solche hat sie eine Faible für flauschige Langohren und ist auch nicht um die ein ums andere Mal etwas entrückte Sicht auf die Weltordnung verlegen. Im Bestreben, sich verständigt zu bekommen, vertreibt sie gerne die Zeit mit dem Lernen und Erproben verschiedener Sprachen und derer Ausdrucksformen.

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