Another Life
Für manchen Battlestar Galactica-Fan reicht der Name Katee Sackhoff aus, um die Magnetwirkung der Netflix-Serie Another Life zu aktivieren. Die Science-Fiction-Serie aus der Feder von Aaron Martin (Slasher) startete 2018 auf dem Streamingdienst und sollte vor allem jüngere Zuschauer fesseln. Doch trotz des zugkräftigen Ensembles mit Schauspielern wie Justin Chatwin (Shameless), Selma Blair (Anger Management) und Tyler Hoechlin (Teen Wolf) ging die Serie vor allem bei Kritikern baden. Fehlt es dieser Aliens-im-Weltraum-Story etwa an etwas ganz Entscheidendem?
Irgendwann in der Zukunft: Das Ehepaar Eric (Justin Chatwin) und Niko Breckinridge (Katee Sackhoff) lebt in den USA. Eines Tages taucht ein geheimnisvolles Artefakt auf, das dem Weltall entspringt. Eric versucht mit den Außerirdischen Kontakt aufzunehmen, Niko wird dagegen eingezogen, mit einem Team ins All zu reisen, um die Ursprünge des Artefakts herauszufinden. Wenn nötig, mit Waffengewalt. Doch lange bevor das Raumschiff mit ihrer Besatzung am Ziel angelangt, häufen sich die Schwierigkeiten und die Stimmung an Bord scheint außer Kontrolle zu geraten …
Gut inspiriert oder schlecht geklaut?
Originaltitel | Another Life |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 10 in Staffel 1 |
Genre | Science-Fiction, Drama |
Cast | Niko Breckinridge: Katee Sackhoff August Catawnee: Blu Hunt Oliver Sokolov: Alex Ozerov Sasha Harrison: Jake Abel Erik Wallace: Justin Chatwin William: Samuel Anderson Bernie Martinez: A.J. Rivera Javier Almanzar: Alexander Eling |
Seit dem 25. Juli 2019 auf Netflix verfügbar |
Another Life scheint gleich mehrere Inspirationsquellen anzuzapfen: Auf der einen Seite steht die Kontaktaufnahme zu den Außerirdischen, die kurz vor Erscheinen der Serie bereits ähnlich wie Arrival dargestellt wurde. Auch zu George R.R. Martins geflopptem Serienprojekt Nightflyers sind Parallelen vorhanden: In beiden Serien verlässt die Hauptfigur die eigene Familie, um außerirdisches Leben zu erforschen. Während auf der einen Seite also an Kommunikation geübt wird, bricht auf der anderen Seite das Weltraum-Abenteuer an. Dass hierbei vor allem zwischenmenschliche Themen besonders präsent sind, erinnert an Filme wie Sunshine oder auch Serien wie Lost in Space. Klingt abwechslungsreich, doch eine Prämisse muss sich erst einmal in der Tat beweisen. Insbesondere dann, wenn populär der Name Katee Sackhoff daran prangt, erwarten eingefleischte SciFi-Fans auch, dass geliefert wird. Spätestens an der Stelle beginnen die Probleme, die Another Life mit sich bringt.
SciFi als Vorwand für eine Soap
Zunächst einmal der offensichtlichste Punkt: Die Crew besteht aus überwiegend jungen und attraktiven Mitgliedern. Die einen mögen sagen: Das ist eine Serie, die haben gefälligst gut auszusehen. Die anderen heben den Finger und wollen darauf hinweisen, dass Wissenschaftler und Models in der Realität optisch (zumindest in der Regel) klar getrennt werden können. Das Ensemble um A. J. Rivera (Grandfathered), Alexander Eling (Shadowhunters), Alex Ozerov (The Americans), Jake Abel (Dirty John), JayR Tinaco (Rake), Jessica Camacho (The Flash), Barbara Williams (Rookie Blue) und Lina Renna (The 100) umfasst ausschließlich Typen, die ebenso auch in einer Soap beheimatet sein könnten. Die werden uns aber als Wissenschaftler, Weltraumforscher und Techniknerds verkauft. Glaubhaftigkeit? Null. Zudem scheint ein Großteil der Besatzung das Ziel aus den Augen zu verlieren, denn wo immer sich eine Gelegenheit für ein künstlich erzeugtes Drama bietet, wird diese am Schopfe gepackt. Bereits in Folge 1 dreht der erste Charakter durch. Erschreckend: Die Liste der Dinge, die die Besatzung nicht kann, ist länger als die Fertigkeiten, die man für eine solche Reise mitbringen sollte. Für zusätzliche Trash-Momente sorgt die Figur der Influencerin Harper Glass (“Guten Morgen, meine 250 Millionen Follower!”).
Liebe, Feindschaft und andere Anziehungskräfte
Klar: Verbringt man mehrere Monate auf engstem Raume nebeneinander, kommt es zu Reibereien. Menschen ziehen sich an und stoßen sich auch wieder ab. In Another Life scheint allerdings jeder zu vergessen, dass die eigentliche Aufgabe beruflicher Natur ist. Die Dramen, die das gemeinsame Leben im All mit sich führt, sind stets konstruiert. Hierin schenken sich männliche wie weibliche Crewmitglieder nichts und Bordpsychologe Zayn (JayR Tinaco) kann die Flagge auch nicht lange oben halten. Nervige Ego-Trips sind ebenso vertreten wie gleichgeschlechtliche Beziehungen. Aaron Martin, der selbst Teil der LGBTQ-Szene ist und Wert darauf legt, homosexuelle Figuren in seinen Geschichten zu haben, findet mit Another Life allerdings nicht den richtigen Rahmen, um seine Romanze zwischen zwei männlichen Crewmitgliedern zu etablieren. Zu gewollt und wenig authentisch wirkt das Ergebnis.
Dem Weltraumschrott so nahe
Während viele Augen also nur auf Katee Sackhoff gelenkt sind, sticht auch ihre Figur nicht aus der generischen Masse heraus. Niko trifft nicht wenige fragliche Entscheidungen und ist nicht selten nur schwer nachvollziehbar. Was umso tragischer ist, denn während ihre austauschbaren Kollegen deutlich jünger sind, benötigt es eine reife Figur, an die man sich hängen kann. Niko sagt selbst von sich, sie wolle nicht die Mutter der Crew sein, bringt aber auch gar nicht die Kompetenzen dafür mit. Von Prioritäten gar nicht erst zu beginnen, denn es sind immer die Nebensächlichkeiten, die Vorrang bekommen.
Dank quasi pausenlos vorhandener Dramatik platziert das Drehbuch auch in regelmäßigen Abständen Action-Szenen. So viele Probleme wie an Bord bestehen, gewinnt es schon an unfreiwilliger Komik, dass ständig etwas Neues los ist. Visuell machen diese Szenen allerdings auch nicht viel her. Im Gegenteil: der Greenscreen ist häufig förmlich zu spüren. Dass der gesamte “Science”-Part ohnehin nichts Nennenswertes bietet, passt leider ins Gesamtbild von Another Life.
Fazit
Another Life orientiert sich inhaltlich an einer breiten Masse beliebter SciFi-Titel. Eigenständigkeit ist aber nur in Maßen vorhanden und im Besonderen die schwachen Charaktere, deren eindimensionale Persönlichkeiten sich auf durchschnittlichem Soap-Niveau bewegen, können nicht überzeugen. Der eigentlich erwachsene Anstrich will nicht mit den teenagerhaften Schablonencharakteren harmonieren. Ob auf einem fremden Planeten oder an Deck des Schiffs: Zu Höchstformen läuft die Serie nicht auf. Die intergalaktische Reise quetscht ihren “Big Brother”-Effekt zehn Folgen lang aus, hätte in anderer Form aber auch auf der Erde spielen können.
© Netflix