Zanki Zero: Last Beginning
Wurden Sie auch schon einmal bei der Suche nach einem rostigen Stück Eisenzaun auf einer tropischen Halbruineninsel von einer mordlustigen Ziege zu Tode getackelt, nur um dann mit einem beschämten ‘Na sowas!’ von ihren Freunden in einem Arcade-Spielautomat zurück ins Leben geklont zu werden? Sollte die Antwort aus welch unvernünftigen Gründen auch immer ‘Nein’ lauten, keine Sorge. Seit April 2019 bietet Entwickler Lancarse zusammen mit Publisher Spike Chunsoft eine Postapokalypse der besonderen Art in Zanki Zero: The Last Beginning. Sommer, Sonne, Sonnenschein, ein Besorgnis erregend kurzer Weg zum Strand, Tentakelzombies und selbstverständlich jede Menge Ziegen. Simples Herumräkeln im Liegestuhl steht aber nicht auf dem Programm, immerhin dient alles dem höheren Wohl der Menschheitsrettung. Das hat zumindest die Kinderfernsehshow gesagt. Wie gesagt, Postapokalypse der besonderen Art. Ob Zanki Zero einen Trip für Sie wert ist, entnehmen Sie bitte der nachfolgenden Broschüre. Das Reisebüro übernimmt keine Haftung für mehrfachen und ausgiebigen Todesfall.
Haruto Higurashi hatte sich seinen Selbstmord per Todessprung vom örtlichen Hochhaus vermutlich etwas anders vorgestellt. Maßgeblich mit mehr ‘Tod’ und weitaus weniger ‘von kleinem blonden Mädchen auf einem Sandstrand aufgeweckt werden’. Das Leben ist aber nun einmal kein Ponyhof und jetzt schon gar nicht mehr, da es vermutlich weder Höfe noch besagte Ponys mehr gibt. Oder Pony-Besitzer. Oder Pony-Züchter. Oder … nun … Menschen. Wobei das nicht ganz stimmt. Denn die Trümmerinsel, auf der Haruto so unsanft erwacht ist, hat mehr zu bieten als sengende Hitze und vor sich hinstaubende und vermodernde Häuserleichen. Zum Beispiel eine Garage mit einigen nicht ganz so ausgelöschten Menschen, die ihn nicht essen wollen. Immer ein großes Plus bei neuen Bekanntschaften. Tatsächlich handelt es sich bei der nun versammelten Achtergruppe nicht um irgendwelche ‘nicht ausgelöschte Menschen’, sondern um die ‘nicht ausgelöschten Menschen’. Den letzten Überlebenden der Menschheit. Das wird ihnen zumindest von einem exhibitionistischen Cartoon-Schaf und einem ‘leicht’ perversen Rotzbengel mitgeteilt, die, logischerweise, Hosts einer Kindershow sind, die immer wieder ungefragt in trüben Schwarz-Weiß über abgehalfterte Röhrenfernseher flimmert. Klingt extrem vertrauenswürdig, aber Haruto und Co. haben keine große Wahl und in der Not nimmt man dann auch Missionen von einem piepsstimmigen Comedy-Duo an, um eine Klon-Maschine zu reparieren und die Menschheit zu retten. Ergibt Sinn? Ergibt Sinn. Also dann … For humanity!
Überleben nicht leicht gemacht
Originaltitel | Zanki Zero: The Last Beginning |
Jahr | 2019 |
Plattform | PlayStation 4, PC |
Genre | Dungeon Crawler-RPG |
Entwickler | Lancarse |
Publisher | Spike Chunsoft |
Spieler | 1 |
USK |
Zu Beginn von Zanki Zero: The Last Beginning bekommt man vom Schlagstock des Irrsinns einige saftige Ohrfeigen, aber keine Sorge; das geht so weiter. Sobald sich die erste Verwirrung gelegt hat, werden die Gameplay-Elemente und der zentrale Ablauf des Spiels vorgestellt. In seinem Kern ist Zanki Zero ein Dungeon-Crawler mit gewissen Rogue-Lite-Elementen. Aber Schritt für Schritt: Haruto und Co. bekommen von Mirai und Sho, den erwähnten Moderatoren- und Humor-Azubis, Missionen, die zur Fertigstellung einer Klon-Maschine dient. Konkret sollen sie einzelne Bauteile aus verschiedenen Dungeons in Form von herumdümpelten Insel-Trümmern, die in die Nähe ihres Garagen-Kontinents treiben, in ihren Besitz bringen. Wer vermutet das das keine Spazierfahrt mit Eis und Zuckerwatte wird, darf sich den Titel ‘Guessing King’ geben. Die schwimmenden Ruinen sind angefühlt mit allerlei Fallen und Viechern. Sehr aggressiven Viechern. Angefangen bei den bereits erwähnten meckernden Rammböcken über gepanzerte Kampfschweine, einem guten Schuss (sowohl faktisch als auch mental) giftiger Affen und den Königen der Nahrungskette: Tentakelmonstermutanten. Als wäre Flora, Fauna und Tentakula nicht schon genug, um die Uhr auf Stunde Null zu stellen, haben Haruto und Freunde zu allem Überfluss in der Protagonistenschule die Kurse ‘Warum Essen überbewertet wird’ und ‘Toiletten sind was für Schwache’ nicht besucht oder waren vielleicht schlicht miserabel darin. Konkret bedeutet das, dass Zanki Zero ein gehöriges Survival-Management in seinem Kern-Gameplay dabei hat. Ausdauer, Stress und der gute alte Harndrang müssen im Auge behalten werden. Regelmäßige Nahrungszufuhr ist nicht nur optional erwünscht, sondern ein Muss für weiterhin vorhandenen Stoffwechsel und wer nicht rechtzeitig auf den Porzellanthron steigt … nun … reden wir nicht darüber. Um all das zu erleichtern, kann (und muss) die Hauptinsel nach und nach mit verschiedenen Einrichtungen aufgerüstet werden. Küche, Werkbank, Unterkünfte etc. können per gesammelter Ressourcen aufgewertet werden, damit das Leben leichter wird. Ha, als ob …
Ein Tod für alle Fälle
Durch das Gesundheits-Management der Gruppe erhöht sich die Anzahl der Gefahren nicht nur durch stresserhöhende unkontrollierte Blasenentleerung, sondern auch durch verdorbenes Essen, Allergien, zu hohe Traglasten und und und. Kurz gesagt: Der Sensenmann schaut nicht nur aus der Ferne zu oder schielt einem über die Schulter, sondern setzt sich einem direkt breitknochig auf den Rücken. Ein verfrühtes Ende wirkt (und ist!) unausweichlich, aber in Zanki Zero ist der Tod nicht wirklich dein Feind. Denn Haruto und Konsorten sind nicht einfach ‘nur’ die letzten Überlebenden der Menschheit. Sie sind auch (und vor allem) Klone. Sollten sie einmal Bekanntschaft mit dem falschen Ende eines anstürmenden Kampfschweins machen, können sie dank ihnen eingepflanzten X-Key in der Maschine, die sie reparieren sollen, wiederbelebt bzw. geklont werden. Und das ist nicht alles. Was sie umbringt, macht sie im wahrsten Sinne des Wortes stärker, dank der sogenannten Shigabane-Funktion. Sollte beispielsweise jemand einen borstiges Ende finden, kann er im nächsten Leben mit einem Bonus gegen die steckdosennasigen Biester in Form von mehr Schaden oder mehr Verteidigung wiederkehren. All das funktioniert über Score-Points, die in der Arcade-Maschine gegen frische (und verbesserte) Neukörper eingetauscht werden. Häufiges Sterben ist also kein Zeichen von Dummheit, sondern ein Part der Strategie. Oder so kann man es sich zumindest einreden. Wer jetzt dank Quasi-Unsterblichkeit erleichtert aufatmet, sollte lieber die Luft anhalten, denn das Klonleben kommt mit einem Preis; in Form eines Haltbarkeitsdatums. Denn dummerweise halten die Klonkörper nicht ewig, faktisch nur dreizehn Tage und dann klopft der Sensenmann schon nicht mehr, sondern bedient sich gleich laut yodelnd eines Rammbocks. Die wichtigen Score-Punkte verdient man sich übrigens durch gute alte Keilerei. Denn selbstverständlich sind die Klonbuben- und bubinnen nicht vollkomnen wehrlos. Stöcke können ausgerüstet, Waffen gecraftet und später spezielle Powermoves (Clione genannt) aktiviert werden, um dem Monster-Gelump Haksen und Hörner vom Leib zu prügeln (wörtlich zu verstehen). Leben. Sterben. Besser werden. Das ist das Motto in Zanki Zero.
Der ‘Feige Vierschritt’
Neben dem Sterben und dem Versuch selbiges zu vermeiden, ist man maßgeblich damit beschäftigt, die verschiedenen Dungeons zu erkunden. Gesteuert wird dabei aus der Ego-Perspektive, in der man sich über Felder bewegt wie man es aus Titeln wie Legend of Grimrock oder der Etrian Odyssey-Reihe kennen könnte. Das Hacken und Stechen läuft allerdings nicht rundenbasiert sondern in Echtzeit ab. Die Gegner krabbeln/schleichen/zappeln ohne eigenes Zutun über die Felder und haben allesamt ein eher schlechtes Verhältnis zu Besuchern in ihrem Revier. Per Knopfdruck können nacheinander die ausgewählten Gruppenmitglieder (vier sind gleichzeitig möglich, man will ja ein wenig Fairness beweisen) mit dem Mordinstrument ihrer Wahl zulangen oder für eine härtere Attacke aufladen. Bei richtigem Timing beweisen die Charaktere gar meisterliches Taktikverständnis und hauen ihrem herumwuselnden Opfer gleichzeitig eins vor den imaginären Koffer. Unglücklicherweise bleibt das Kampfsystem hinter seinen Möglichkeiten zurück. Zwar ist die Echtzeit-Komponente angenehm für die Immersion, aber wer einmal den patentierten ‘Feigen Vierschritt’ (Aufladen. Hinlaufen. Hauen. Weglaufen.) gemeistert hat, wird so schnell kein Strategie-Treffen mehr einberufen müssen. Ob Anfangs-Opferziege oder Lategame-Mutantenboss. Der Ablauf bleibt meist gleich. Die erwähnten Powermoves könnten Abhilfe schaffen, bergen aber über eine eigene Corruption-Anzeige wieder eine zusätzliche Gefahr und sind für das Bezwingen der Feinde meist eher hinderlich als wirklich hilfreich. Das Erkunden der Dungeons ist aufgrund etwas mäßig abwechslungsreicher Innenausstattung (wozu auch die herumschlurfenden Gegner gehören) und der sicherlich weder Bäume noch Sträucher ausreißenden Optik ebenfalls eher passabel als Luftsprünge fördernd.
Eine runde Atmosphäre mit Kanten
Es ist mehr die Kombination der einzelnen Elemente, als ein Aspekt an sich, der Zanki Zero zum Spielspaß verhilft. Oder eher die Atmosphäre, die sie schaffen. Gerade zu Anfang wird man schnell mit all den Parametern, Möglichkeiten und Ziegen regelrecht erschlagen. So wurde bisher noch gar nicht erwähnt, dass die Charaktere dank ihrer sehr schnell tickenden inneren Uhr auch noch verschiedene Altersstufen durchlaufen. Vom Jungspund über etwas weniger Jung zu wandelnder Midlife-Crisis bis hin zum zahnlosen Greis. Und wie sich überraschenderweise herausstellt, sind die Charaktere als kleine Bälger im Kampf so effektiv wie ein nasses Handtuch bei einem Großbrand. Auch das Alter will also beachtet werden. Damit werden speziell die ersten Vorstöße in die Dungeons besonders nervenaufreibend. Hat meine Gruppe genug Ausdauer? Hab ich genug Essen? Kann ich mich trauen, die Treppe da hochzusteigen? Warum sieht der Boden vor dem Schalter wie eine Falltür aus? Und wieso tippt mir andauernd ein Tentakel auf die Schulter?! Die eigenen fragilen Charaktere, die zahlreichen Gefahren gepaart mit dem Wunsch zu sehen, was hinter der nächsten Ecke wartet, fügen sich zu einer schönen Mischung zusammen, auch wenn es bei den einzelnen Elementen hapert. So ist zum Beispiel das Kochen und Ess-Management generell sinnig, aber man kommt nicht umhin zu bemerken, dass es meist am effektivsten ist, das billigste Dörrfleisch zusammenzupanschen, da es jeder Charakter ungeachtet der Situation vertragen kann. Auch wenn es einen gewissen Charme besitzt, während man vor einem Boss wegläuft, verzweifelt ins Menü zu wechseln, um einem am Hungertuch nagenden Charakter Tomatensuppe einzuflößen, nur um ihn verdutzt explodieren zu sehen, weil für den werten Herrn das rote Gemüse ein rotes Tuch darstellt.
Fragen über Fragen
Zum Abschluss zurück zur Geschichte, denn anders als in so manchem Vertreter der dungeoncrawligen Art ist die hier keine bloße Entschuldigung, um eine Gruppe von Abenteurern in unterschiedlich klimatisierte Verliese zu jagen. Haruto und Company treiben etliche Fragen um, die in einem großen ‘Was zum Teufel…?!’ zusammengefasst werden können. Was soll diese Kindershow? Warum ist die Welt untergangen? Wie und warum sind sie zu Klonen geworden? Und vieles mehr. Als wäre das nicht genug ist jeder Dungeon auf eine der Personen der Gruppe ausgerichtet, die man dann in den einzelnen Kapiteln übernimmt. Dabei geht es ihnen nicht nur körperlich an die Klonsubstanz, sondern auch mental, denn jeder von ihnen hat ein Päckchen zu tragen, welches in genüsslich naiv-höhnischer Form von den Moderatoren in einzelnen Videos ausgepackt wird. Die Präsentation und die Witzeleien, die meist südlich der Gürtel und Röcke wandern, dürfte nicht jedermanns Geschmack sein und generell sind Sho und Mirai eine ganz eigene Hausnummer, der gewollt fremdschämigen Art. Der Kontrast zwischen der fröhlichen Aufmachung und den teils durchaus düsteren Vergangenheiten der einzelnen Figuren springt einem dabei sofort ins Auge und führt zu einer eigenwilligen Stimmung. Die Geschichte wartet zudem mit so mancher Wendung auf, die mal zu ‘Oh!’ und mal zu ‘Öh?’ führen. Manche Fragen und Ereignisse werden mit der Erklärungsplanierraupe ‘Ist halt so!’ plattgewalzt, aber trotzdem ist es ein spannendes Auf und Ab mit einem wirklich schönen leicht offenen Ende. Die Figuren leiden zwar hier und da an leichter Anime-Stereotyperitis, bekommen aber durch ihre persönlichen Dungeons immer eine gewisse Tiefe. Pun intended.
Fazit
Okay, direkt vorweg, ich liebe nahezu alles was Spike Chunsoft veröffentlicht und durch die Danganronpa-Reihe wird der Publisher bei mir bis zum Ende aller Tage einen Stein und drei Gebirge im Brett haben. Tatsächlich war ich aber anfangs bei Zanki Zero: The Last Beginning nicht sonderlich interessiert, da ich mit dem Dungeon-Crawl-Survival-Mischmasch nicht soviel anfangen konnte. Letztlich würde ich auch nicht behaupten, dass es einer der stärksten Titel aus ihrem Katalog ist, aber ignorieren sollte man ihn definitiv nicht. Denn der ungewöhnlich Mix geht durchaus auf, auch wenn er unzweifelhaft so einige merkliche Ecken und Kanten mit sich bringt. Frustration saß auch mitunter neben mir auf dem Sofa, denn der Schwierigkeitsgrad ist dank der fragilen Charaktere nicht ganz ohne und die wenigen Möglichkeiten des Kampfsystems können gerade bei Bosskämpfen mitunter die Luft rauslassen. Trotzdem war ich immer motiviert weiterzumachen und würde auch empfehlen, den knackigen Schwierigkeitsgrad anzunehmen und nicht auf simplen Story-Mode runterzuschalten, in der all die Survival-Aspekte wegfallen. Das Ringen ums Überleben, das (mitunter gezielte) Sterben und das neue Anrennen gegen Hindernisse gehört dazu und schafft zusammen mit dem sehr ungewöhnlichen und kreativen Setting eine angenehm fiese Atmosphäre. In Hinblick auf die Geschichte bin ich etwas zwiegespalten. Die Idee der charakterbezogenen Dungeons mag ich recht gerne, die ultimative Auflösung bekommt eher ein ‘Hmhm’ und dann wären da noch Sho und Mirai. Bei ihnen werde ich das Gefühl nicht los, dass man besser dran wäre, wenn man japanisch verstünde, da sie Pseudo-Comedy-Duo auftreten, aber dann doch einiges in der Übersetzung flöten zu gehen scheint. Alles in allem: Wer über die ein oder andere Ungereimtheit hinwegsehen kann und Lust auf einen sehr eigenwilligen Klon-Postapokalypsen-Menschheitstrettungs-Dungeon-Crawl-Drama-Comedy-Science-Mischmasch hat, der sollte Zanki Zero: The Last Beginning eine Chance geben. Oh und ganz nebenbei; wer auch immer die sich in den Rücken teleportierenden Schattenmänner-Kreaturen entwickelt hat: I hate you.
© Spike Chunsoft