The Howling ‒ Das Tier
1981 – Der Kalte Krieg, der sich nach dem Ende des Vietnamkriegs mit der Ermüdung der Beteiligten etwas entspannt hatte, gewann wieder an rhetorischer Schärfe. Mit Ronald Reagan wurde ein Republikaner Präsident der Vereinigten Staaten, dessen erklärtes Ziel es war, den Rüstungswettlauf gegen den Warschauer Pakt zu gewinnen. Und Joe Dante schickte sich mit The Howling – Das Tier ins Kino-Rennen, um gegen den wenige Monate später erscheinenden American Werewolf anzutreten. Handgemachte Effekte, 80’s Vibe, viel, viel Sex und Erotik plus Humor. Sind das die Zutaten, die diesen Film auch 40 Jahre nach Erscheinen beliebt machen? Zum 40-jährigen Jubiläum spendierte StudioCanal dem Klassiker eine umfassende Restauration und veröffentlicht den Film als 4K UHD Blu-ray Steelbook.
Karen White (Dee Wallace Stone, Cujo) wird von einem psychopathischen Stalker verfolgt. Beim Aufeinandertreffen wird sie gezwungen, einen Snuff-Film inklusive einer Vergewaltigungsszene anzuschauen. Dank der Polizei kann sie knapp entkommen und der Mörder stirbt. Dieses Ereignis prägt und verfolgt Karen sehr. Schweißdurchtränkt und schreiend schreckt sie nachts auf. Sie kann nicht loskommen. In einer Klinik hofft sie auf Hilfe. Doch es kommt schlimmer: Das „Therapiezentrum“ ist eine Werwolf-Kolonie. Silberkugeln könnten eventuell hilfreich sein.
I am your #1 Fan
Originaltitel | The Howling |
Jahr | 1981 |
Land | USA |
Genre | Horror |
Regie | Joe Dante |
Cast | Karen White: Dee Wallace Dr. George Waggner: Patrick Macnee Chris: Dennis Dugan Bill Neill: Christopher Stone Terry Fisher: Belinda Balaski Fred Francis: Kevin McCarthy |
Laufzeit | 91 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 28. Oktober 2021 |
Regisseur Joe Dante besitzt einen extrem schwarzen und nerdigen Humor. Hatte er diesen bereits in seinem Erstlingswerk Piranhas aus dem Jahre 1978 angedeutet, weitert er diesen in The Howling – Das Tier extrem aus. Dabei ist der Werwolf als Filmfigur genau so, wenn nicht sogar noch älter als Dracula. Joe Dante ist ein großer Filmfreund und Fan des klassischen Horrors. Boris Karloff, Nosferatu, Der Wolfsmensch, Die Rückkehr der Vampire mit Bela Lugosi, Der Fluch von Siniestro – ja, Joe Dante ist ein Nerd und großer Connaisseur des Genrekino. Ähnlich wie Quentin Tarantino zelebriert Dante Referenzen an seine Helden aus der Vergangenheit. Bei den Namen seiner Figuren nahm Dante sich bekannte Horror-Regisseure zur Vorlage, die unter anderem auch Werwolf-Filme drehten. „Dr. George Waggner“ ist George Waggner (Der Wolfsmensch); „Bill Neill“ ist erinnert nicht von ungefähr an Roy William Neill (Frankenstein trifft den Wolfsmenschen). Terry Fisher gleich Terence Fisher (Der Fluch von Siniestro). Fred Francis ist Freddie Francies (Die Legende vom Werwolf), Erle Kenton ist Erle C. Kenton (Frankensteins Haus). Dann wäre noch Sam Newfield (The Mad Monster), da wurde sich nicht mal die Mühe gemacht den Namen zu „verfälschen“ und Charlie Barton ist Charles T. Barton, der Regisseur von Abbott und Castello treffen Frankenstein. Ja, Dante ist ein wahrer Fan.
Kontroverse Presse – klingende Kasse
Dante ist sich der „realen Welt“ neben und außerhalb Hollywoods bewusst. Insbesondere über die Gewaltdebatte Ende der 70er, die unter anderem wegen Clint Eastwoods Dirty Harry, Tarkowskis Stalker und Romeros Zombie-Reihe entfachte, über den Grad an Gewalt in den Medien und wie potenziell schädlich sich dies auswirkt. Speziell auf junge Zuschauer. Dante nimmt sich dieser Debatte auf seine sehr lakonische Art in seinem Film an. Bereits im Voraus folgten die Hinweise, wie „schockierend“ die Effekte seien, wie blutig der Lykaner seine Beute reißt. Doch ist weniger der Werwolf der Horror für den Zuschauer: Die Gewalt in den 80ern prägte das Kino. Dante spielt genau mit jenem Element und präsentiert vor allem am Anfang weniger klassischen Horror, sondern menschliche Abgründe. Während Karen als Reporterin es gewohnt ist, tagtäglich über Elend und Abgründe zu berichten ohne eine Miene zu verziehen und die Titelstory nicht an sich heranlässt, bricht ein Perverser mit sadistischen Zügen ihre stoische Fassade. Eddie (Robert Picardo, Small Soldiers) zwingt sie einen Snufffilm zu sehen. Sie wohnt einer Vergewaltigung bei und muss hilflos ansehen, wie ein Mensch wie Müll behandelt wird. Als Zuschauer wird man nicht auf eine grafische Weise ins Geschehen geworfen, jedoch reicht es um ein flaues Gefühl im Magen zu erzeugen. Mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu nähert sich der Regisseur der Darstellung von Gewalt. Im Verlauf beobachtet man als heimlicher Voyeur, wie eine starke Frau mit ihrem Mann an dieser Tragödie fast zerbricht.
Alles kann man therapieren
Wie es für die US-Filmlandschaft üblich ist, ist eine Therapie das Heilmittel für alles. Ob nun reiner Filmtrope oder tief in der Gesellschaft verankert – ein Therapeut ist der Schlüssel. Dante nimmt dies bewusst aufs Korn und lässt Karen mit ihrem Mann (Christopher Stone, Cujo) in der angeblich unterstützenden Einrichtung Hilfe suchen und mehrere (amerikanische) Albträume auf die beiden los. Werwölfe, Ärzte, das Unbekannte und zügellosen Sex. Mit nymphomanischen Werwölfen. Extrem erotisch aufgeladen ist die Szenerie in der Klinik. Und erneut schlägt Dante einen erzählerischen Haken und schickt den Zuschauer auf eine neue Fahrt. The Howling wird immer lustiger und besitzt klassische komödiantische Züge.
Ekel schafft Erinnerung
Trotz aller interessanten erzählerischen Ansätze und einer gut aufgelegten Dee Wallace und einer Elisabeth Brooks als lüsterne Marsha Quist, die verschwitzt und lasziv in die Kamera schauen und die Männer im Film und vor den Bildschirmen um den Verstand bringen – ein guter Werwolf-Horror steht und fällt mit der ersten Verwandlung. Der Metamorphose von Mensch zu Tier. Nicht nur im übertragenden Sinn. Hierbei liefert Dante auf ganzer Linie. Die Effekte und Einfälle sind kongenial. Es wird nicht weggedreht, wenn Haut platzt, Zähne wachsen, der Wolf ausbricht. Nein, nein. Dante hält voll drauf und hat mit raffinierten Prothesen, Latex und literweise Kunstblut eine unglaublich gute Illusion der Verwandlung geschaffen. Auch mehr als 40 Jahre später sehen diese Effekte, insbesondere in der restaurierten 4K Fassung noch fabelhaft aus. Dante persönlich nahm die 4K-Auswertung zur Freigabe ab. Die restaurierte Fassung basiert auf einem 4K-Scan der Film-Negative (35mm) in 16-bit und liegt somit in „nativer“ 4K Auflösung mit erweitertem Dynamikumfang vor. Das 1.20:1 Negativ wurde auf 1.85:1 beschnitten und erhält so das Originalformat der Filmprojektion. Als HDR-Formate kommt neben HDR10 auch das dynamische Dolby Vision zum Einsatz. Der englische Originalton sowie die deutsche Synchronisation liegen beide als DTS-HD Master Audio 5.1 ab. Zu den Specials zählt unter anderem “Inside the Career of Joe Dante”, “Welcome to Werewolfland”, hinzu kommen geschnittene Szenen und Outtakes.
Fazit
The Howling – Das Tier ist nun 40 Jahre alt geworden. Ein Alter, in dem mancher Erstzuschauer bereits Kinder hat und diese vielleicht sogar selbst bereits für Nachwuchs gesorgt haben. Der Film gilt als ist einer der Begründer des Werwolf-Horrors. Die Effekte sind top-notch und auch heute bei Filmfreunden beliebt. Lehrmaterial der handgemachten Effekte. Es handelt sich um eine wunderbare Horrorstory, die erzählerisch das Genre wechselt und gekonnt die 80er-Jahre mit einer Hommage an die Klassiker des Gruselfilms verbindet. Kritischen Stimmen, die besagen, dass der Film nach so vielen Jahren arg verstaubt und teilweise hölzern daherkomme, sei gesagt: Dante entschied sich bewusst, den Zuschauer an der Nase herumzuführen, nahm sich Zeit für die Charaktere und hat dabei den Spagat zum Mainstream-Publikum gemacht. Für den heutigen Zuschauer mag es kaum „neue“ Geschichten geben. Doch wie erwähnt: Kinder haben selber Kinder bekommen. Als liebevolle Eltern kennen wir die Fehler, die man auf seinem Weg macht. Und unsere Kinder? Die lernen erst später zu schätzen, was alles für sie vorbereitet wurde und heutiger in restaurierter Pracht für sie zur Verfügung steht.
© Studiocanal
Veröffentlichung: 28. Oktober 2021