The Hole in the Ground
Horrorkinder sind einfach nicht totzukriegen. Warum auch? Schließlich zieht der schleichende Verdacht, dass mit dem eigenen Kind etwas nicht stimmen könnte, auch mit der x-ten Produktion noch. Mit The Prodigy kam im Januar 2019 ein Film in die Kinos, dem es nicht gelang, dem bekannten Schema viel Neues hinzuzufügen. Mit The Hole in the Ground erschien nur wenige Monate später ein weiterer Titel, der sich einer ähnlichen Prämisse bedient. Auch hier nimmt das gestörte Eltern-Kind-Verhältnis einen großen Part ein. Im Vorfeld genoss die Koproduktion (Irland/Belgien/Finnland) von Lee Cronin Vorschusslorbeeren. Immerhin ist der Independent-Horror seit Hereditary wieder in. Wir fühlen der Sache auf den Zahn.
Nach langer Zeit des Leidens unter ihren gewalttätigen Ehemann zieht es Sarah (Seána Kerslake, Dollhouse) und ihren achtjährigen Sohn Chris (James Quinn Markey, Mother’s Day) in die irische Pampa. Die Nähe zur Natur soll Schwung in das neue Leben bringen, und so verspricht der Rand des Waldes Abgeschiedenheit von all dem Trubel. Einmal im neuen Häuschen engerichtet sollen die Dinge wieder in geordneten Bahnen zugehen. Doch Chris fällt die Eingewöhnung schwer und so kommen Konflikte zwischen Mutter und Sohn auf. Als Chris im Eifer eines Gefechts verschwindet, stößt Sarah im Wald auf einen mysteriösen Krater im Boden. Ein wenig darauf taucht Chris auch schon wieder auf, doch etwas stimmt mit ihm nicht …
Verunsicherung vs. Verdacht
Originaltitel | The Hole in the Ground |
Jahr | 2019 |
Land | Irland |
Genre | Horror |
Regisseur | Lee Cronin |
Cast | Sarah O’Neill: Seána Kerslake Chris O’Neill: James Quinn Markey Louise Caul: Simone Kirby Rob Caul: Steve Wall Jay Caul: Eoin Macken |
Laufzeit | 90 Minuten |
FSK |
Auf den ersten Blick sind alle Elemente bereits bekannt: Der Rückzug aufs Land, die Rückbesinnung auf das Wesentliche, das Zusammenrücken von Mutter und Sohn. Was nach Hoffnung und Blick nach vorne aussieht, entpuppt sich erwartungsgemäß als trügerische Idylle, und lange dauert es nicht, bis die Handlung in Fahrt kommt. Angenehmerweise zählt Sarah nicht zu den begriffsstutzigen Eltern, die ihr Kind bis auf das letzte Hemd verteidigen müssen. Ein Makel vieler Kinderhorrorfilme: Die Eltern agieren völlig blind und bemerken Dinge erst, wenn es schon zu spät ist. The Hole in the Ground setzt sich hier auf eine positive Weise ab, indem mit Sarah eine aufgeweckte Person im Mittelpunkt steht.
Es gibt nervige Horrorkinder und es gibt Chris
Was an Chris gleich positiv auffällt: Anders als andere Genre-Kinder (als Referenz ist hier der nervige Bengel aus Der Babadook zu nennen) nervt er nicht, entwickelt aber dennoch hässliche Seiten. Ja, dieses Kind ist nicht nur hassenswert, sondern auch unberechenbar. Das Mutter-Kind-Verhältnis verkommt nie zum reinen Selbstzweck, sondern bleibt glaubhaft. Das funktioniert, weil auch Sarah ihr persönliches Päckchen mit sich herumtragen muss. Weniger originell ist die Nutzung von Spiegeln als Symbolträgern für das wahre Wesen. Ein völlig zertrampelter Pfad, der hierbei gegangen wird, um das Grauen immer wieder einmal aufflackern zu lassen. Auch Geschmackssache ist das Ende. Im Finale verhaspelt sich der Regisseur und liefert einen Schluss ab, dessen Erzählgeschwindigkeit überstürzt wirkt.
Welche Innovation kann das Genre noch bieten?
Der Independent-Charakter sickert hier und dort durch: Viel Landleben und die Natur Irlands sorgen für Schauwerte, was positiv zur Atmosphäre beiträgt. Auch die Darsteller wirken alles andere als mehrfach gesehen und damit ziemlich unverbraucht, was für eine gewisse Frische sorgt. Die Wälder Irlands bieten ein notorisch unheimliches Setting. Der denkbar beste Rahmen für eine solche Geschichte, die eigentlich bereits x-fach erzählt wurde. Genau das scheint dem Regisseur bewusst gewesen zu sein. Denn Cronin legt sich umso mehr ins Zeug, seinen Figuren Futter zu liefern und die Familienangelegenheit glaubhaft zu gestalten. Ohnehin scheinen seine inszenatorischen Qualitäten über dem Drehbuch erhaben.
Fazit
Lee Cronin ist ein echter Hoffnungsträger: Die Produktion besitzt eine überzeugende Stimmung und kann auch ohne Jump-Scares und dauerhaft quietschende Türen für kleinere Schauerszenen sorgen. Schließlich passiert wirkliches Grauen, wie es John Carpenter ausdrückt, in unseren Köpfen durch das, was nur angedeutet und niemals gezeigt wird. Wahn und Wirklichkeit sind hier die Schlüsselbegriffe, mit denen Hole in the Ground zu überzeugen weiß. Welch angenehme Überraschung, dass sich der Horror auch ganz subtil und ohne Einsatz des Holzhammers breit machen darf.