Revenge

Eine schwerverletzte Frau rennt durch eine flirrend heiße Wüste. Nur in Fetzen bedeckt und noch immer beirrt durch eine Vergewaltigung und einen anschließenden Mordversuch, entwickelt sich in ihr eines der stärksten Gefühle: Rache. Es entbrennt ein mörderisches Katz- und Mausspiel, das an die Nerven geht. Dieses klassische, aber Adrenalin-treibende Spektakel entstand unter der Verantwortung der Regisseurin Coralie Fargeat, deren Langfilmdebüt mit dem schlichten, aber alles sehr treffend beschreibenden Titel Revenge ankommt. Seit dem Aufschwung des Rape-and-Revenge-Films in den 1970ern haben wir schon vieles gesehen, doch Revenge liefert ganz neue Impulse und zählt trotz seines jungen Alters bereits zu den modernen Klassikern des Genres.

  

Die hübsche, aber naive Jen (Matilda Lutz, Rings) hat eine Affäre mit dem jungen Millionär Richard (Kevin Janssens, The Bouncer). Das nicht offizielle Pärchen verbringt ein heißes Liebeswochenende in einem luxuriösen Domizil inmitten der Wüste. Überraschenderweise stehen ganz unverhofft Richards Kumpel Stan (Vincent Colombe) und Dimitri (Guillaume Bouchède) vor der Tür. Nach einer Partynacht am Pool wollen die Männer am nächsten Tag auf die Jagd gehen. Als Richard gerade nicht im Haus ist, kann Stan seine Triebe nicht mehr unter Kontrolle halten und vergewaltigt Jen. Dimitri bekommt dies mit, ignoriert jedoch, dass dies nicht unter Jens Willen geschieht. Als Richard zurückkehrt und die Situation außer Kontrolle geraten sieht, werfen die Männer Jen über eine Klippe und betrachten das Problem als erledigt. Unten angekommen, um die Leiche irgendwo in der Wüste zu verscharren, stellen sie fest, dass Jen verschwunden ist…

 

Originaltitel Revenge
Jahr 2017
Land Frankreich
Genre Actionthriller
Regisseur Coralie Fargeat
Cast Jen: Matilda Lutz
Richard: Kevin Janssens
Stan: Vincent Colombe
Dimitri: Guillaume Bouchède
Laufzeit 108 Minuten
FSK

Vier Darsteller, zwei Locations und eine Frau auf dem Regiestuhl

Regisseurin und Drehbuchschreiberin beschränkt sich auf das Wesentliche: Da ist zum einen die sonnige Luxuskulisse mitsamt Pool, zum anderen die endlose Weite der Wüste. Eine überschaubare Anzahl an Figuren mit simpel ausgearbeiteten Beziehungen untereinander. Für den Zuschauer ist also schnell abgesteckt, wie die Bedingungen dessen aussehen, was sich 113 Minuten lang abspielen wird. Schnell entwickelt sich eine Dynamik, der man sich nur schwer entziehen kann. Denn obwohl klar ist, was in Revenge geschehen wird, ist besonders die Frage nach dem “Wie” spannend. Ein Ausrufezeichen, das permanent über dem Film schwebt: Diese Inszenierung stammt von einer Frau. Das ruft automatisch bei manchem gewisse Vorurteile auf den Plan, ebenso wie andere gerade deswegen neugierig werden. Ebenso fällt auf, dass in Sachen Fleischbeschauung Gleichberechtigung herrscht: Nicht nur Jens Hintern im knappen Höschen wird voyeuristisch in Szene gesetzt. Auch an Richards stählernem Körper ist die Kamera höchstinteressiert. In der Regel erscheinen die Vergewaltiger unterdurchschnittlich attraktiv, um den Ekeleffekt zu verstärken. Doch hier gibt es das Gegenteil von Doppelkinn und Speckgürtel.

Härte in Videoclipästhetik

Worauf Coralie Fargeat allerdings großen Wert legt, ist die Inszenierung ihres Streifens. Eine Vergewaltigung ist hart und keineswegs eine schön anzusehende Szene. Ohne Wesentliches auszusparen sträubt sie sich allerdings gegen eine unnötige Plakativität, sondern zeigt lieber einen übergewichtigen Dimitri beim Essen eines Schokoriegels in Zeitlupe, um die Widerwärtigkeit der Männer zu unterstreichen. Das mag sich nach Schmuddelkino anhören, allerdings ist Revenge ästhetisch einnehmend abgefilmt. Als wäre der apokalyptische Sandsturm aus Mad Max: Fury Road einmal über das Set gefegt, finden wir auch hier eine hohe Farbsättigung wieder. Zwischen den mittels Farbfiltern überbetonten Darstellungen des ultrablauen Himmels und der ultrasandfarbenen Wüste (gedreht wurde in Marokko) baumelt irgendwo immer Jens pinker Kunststoffohrring, der nur in Sachen Knalligkeit der Farbe ins Gesamtbild passt. Warme Steinfelsen, üppige bunte Glasfenster: Dank der gelungenen Kameraarbeit kann man jede sensorische Note beinahe spüren. Sogar die Hautfarben der Figuren weisen goldgelb überhöhte Farbwerte auf. Für einen weiteren surrealistischen Anstrich sorgt der bohrende Electro-Soundtrack, der die Subwoofer erfreut.

Körperwelten

Ganz ohne Ungereimtheiten geht es nicht. Dass Jen diesen Sturz überlebt, ist bereits nur schwer zu glauben. Doch vor allem mit den Mengen an Blut, die in diesem Film verloren werden, können drei andere Streifen gefüllt werden. Das macht vor allem das grandios inszenierte Finale zu einer schmierigen Blutspur. Der Umgang mit den Folgen körperlicher Gewalt ist ohnehin eher untergeordnet zu betrachten: Realismus spielt hierbei keine tragende Rolle. Und dann ist da noch eine Szene mit einer Bierdose, die derart absurd wirkt, dass man in diesem Moment nicht drumherum kommt, darüber zu lachen. Obwohl die Grundsituation alles andere als komödiantisch ist. Manchmal ist aber auch schlicht unklar, ob die Regisseurin hier nicht einfach auf Meta-Ebene gängige Genre-Klischees durch den Kakao ziehen will. Solange jedoch eine Wirkung erzielt wird und der psychologische Effekt mitschwingt, prallt hier jegliche Kritik ab.

Für mehr Gleichberechtigung

Anders als im zur selben Zeit entstandene Genre-Kollegen Marlina – Die Mörderin in vier Akten entwickelt die Protagonistin in Revenge vor allem aus ihrem physischen Zustand heraus eine enorme Kraft. Jen durchläuft ein wahres Delirium bis sie zu der Person wird, die sie am Ende ist. Und ihr dabei zuzuschauen, ist intensiv. Matilda Lutz als Jen ist nicht nur schön anzusehen, sondern weiß auch realistisch zu leiden. Dabei erreicht sie eine ganz neue Form der Attraktivität: Am Ende fließt der Schweiß nicht mehr lasziv über die Haut, sondern verbindet sich mit einer Mischung aus Blut und Dreck, sodass von Jens Naivität nicht mehr viel zu sehen ist. Häufig herrscht ein massives Ungleichgewicht zwischen der Protagonistin und ihrem Gegenspieler. Doch Kevin Janssens bewegt sich als Richard auf Augenhöhe mit Matilda Lutz. Er wechselt glaubhaft zwischen besorgtem Familienvater und ignorantem Arschloch, sodass er viel mehr ist, als nur ein Widersacher.

Fazit

Durchgängig schindet Revenge Eindruck und sieht als Rachefeldzug-Endergebnis derart gut aus, dass man um den Film kaum einen Bogen machen kann, wenn man auch nur annähernd für dieses sperrige Subgenre offen ist. Die Inszenierung ist stärker an einem drastischen Actionthriller als wirklicher Sexploitation oder sinnloser Folterung angelehnt und verspricht, nicht langweilig zu werden. Dafür sorgt die übertriebene Gewalt, welche Jen mehr einstecken lässt als Rambo in der gesamten Quadrologie. Doch anders als I Spit on Your Grave will Revenge nicht schocken, sondern unterhalten. Jens pinke Ohrringe wird man so schnell nicht mehr vergessen. Schon jetzt gehören sie zu kultigsten Objekten des Genres.

 

 

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Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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