Mimicry Freaks
Über Hütten im Wald wurden schon viele Geschichten erzählt. Kaum eine Geschichte um eine Hütte ist dabei auch nur annähernd so verwirrend wie die japanische Produktion Mimicry Freaks. Der für seine Vorliebe zu Geschichten mit Rätselanteil bekannte Horror-Regisseur Shugo Fujii (White Panic) kündigte zu Beginn des Projekts an, ganz neue Wege beschreiten zu wollen: Eine westliche Herangehensweise, die sich vom klassischen Japano-Grusel unterscheidet, nicht aber auf landestypische Elemente verzichtet. Unter extremen Bedingungen entstand innerhalb von nur einer Woche ein Film, der im Rahmen des CFA (Cinema for Actors) auf die Beine gestellt wurde. Das bedeutet, dass die Schauspieler gleichzeitig auch die Rolle der Crew besetzen. Zur Folge hat dies, dass der Blickwinkel für den Zuschauer ein umso näherer ist, im Umkehrschluss aber auch Produktionskosten und damit die Qualität niedriger ausfallen. Nicht nur die ungewöhnliche Herangehensweise, sondern auch die obskure Handlung prädestinierten Mimicry Freaks für einen Slot auf dem Obscura Filmfest 2019.
Eine Brautgesellschaft bestehend aus Bräutigam, Braut und Brauteltern ist auf dem Weg zur Eheschließung, als das Auto mitten im Wald liegen bleibt. Die Stimmung ist angespannt, ohnehin ist der Vater nicht sonderlich angetan von seinem Schwiegersohn. Nun führt also der Weg durch den dichten Wald, über dem ein grauer Wolkenschleier liegt. Unweit befindet sich eine verlasse Hütte und niemand ahnt, dass ganz in der Nähe eine Geheimorganisation stationiert ist, welche für das Scheitern eines Klon-Experiments verantwortlich ist. Es dauert nicht lange, bis die Familie auf ein Testobjekt stößt …
Zwischen Delirium und Kopfschmerztablette
Originaltitel | Chô-gitai ningen |
Jahr | 2018 |
Land | Japan |
Genre | Horror, Mystery |
Regisseur | Shugo Fujii |
Cast | Ren: Riku Enomoto Junko: Etsuko Tanemura Jun: Miya Savini |
Laufzeit | 91 Minuten |
Mimicry Freaks zeigt sich hochbemüht darin, dem Zuschauer eine möglichst konfuse Geschichte aufzutischen. Das beginnt damit, dass zeitgleich zu der durch den Wald irrenden Hochzeitsgesellschaft ein Mann in seinem Bett mitten im Wald erwacht, dessen Erinnerungsvermögen getrübt ist. Dass sich die beiden Geschichten kreuzen werden, liegt nahe. Doch die Zusammenhänge wollen erst erarbeitet werden. Dafür hat Shugo Fuji ein regelrechtes Erzählpuzzle in seinem Skript verarbeitet. Dieses lebt von obskuren Einfällen: Kindermörder, Sexmaschinen, Klontechnologie, fragwürdie Muttergefühle und deformierte Gestalten sind nur einige Buzzwords, die Aufschluss über die Themenbreite von Mimicry Freaks geben. Soviel Stoff erfordert Geduld und den Willen, sich auf dieses Experiment einzulassen. Diese Voraussetzungen sind nämlich ein erforderlicher Schlüssel, da die japanische Low Budget-Produktion alles andere als leicht bekömmlich ist.
Obskur, obskurer, Mimicry Freaks
Als wäre das nicht genug, besitzt der Regisseur ein Faible für überbordende Traumsequenzen, welche die Grenzen zur Realität regelmäßig aufbrechen. Paranoia-Vorstellungen, achronologische Erzählungen und kaum greifbare Charaktere sind weitere Faktoren, die ausgehebelt werden, um dem Zuschauer einen Orientierungspfeiler zu geben. Zumindest lässt sich die Verwirrung der Figuren umso besser nachvollziehen, wenn man als Zuschauer selbst wenig von dem versteht, was aktuell vor sich geht. Erschwerend kommt aus europäischer Sicht hinzu, dass Elemente der japanischen Folklore und Mythologie aufgegriffen werden, deren Zugang sich uns nicht von selbst erschließt. Damit das nicht alles allzu sehr in die fantastische Richtung abdriftet, folgt im letzten Drittel auch eine wissenschaftliche Abhandlung, welche obendrein noch Raum für Fakten schaffen möchte.
Auch die Produktion kam dem Wahnsinn nahe
Wann immer ein Film überwiegend im Wald gedreht wird, ist das in der Regel ein Anzeichen für eine kostengünstige Produktion. Exakt so verhält es sich auch in diesem Fall. Darsteller nehmen Aufgaben der Crew ein und gedreht wurde an nur sieben Tagen im November 2018. Um die Produktion ranken sich Gerüchte, dass die geringen Temperaturen, der Schlafentzug am Set, Hunger und zahlreiche Käfer innerhalb der Hütte dafür sorgten, dass die Crew selbst allmählich dem Wahnsinn verfiel. Visuell ist das Ergebnis wenig ansprechend, dafür umso authentischer ausgefallen: Die matschigen und übersättigten Grau-und-Grün-Töne haben wenig mit der Darstellung eines typischen Unterhaltungsfilms gemeinsam, sondern erwecken eher das Gefühl, als würde man selbst bei schlechtem Wetter im Wald zelten gehen. Und das wiederum zahlt auf die ungemütliche Atmosphäre ein, welche das Gefühl verleiht, als sei man schlicht nirgendwo in diesem Wald sicher.
Fazit
Mimicry Freaks könnte kaum weiter von einem mainstreamigen Popcorn-Kinofilm entfernt sein. Die befremdlichen Gepflogenheiten gemischt mit den obskuren Einfällen und der wirren Erzählweise fordern Geduld, manchmal auch Nerven und Energien ein. Wer damit leben kann und sich offen gegenüber Experimenten zeigt, kann mit Fujiis Film eine Erfahrung der außergewöhnlichen Art mitnehmen. Eine echte Alternative zum hundertfach erzählten J-Horror, der sich immer wieder selbst recycelt. Mimicry Freaks besitzt frische Ideen und eine erfrischende Herangehensweise, welche bei wenigen Zuschauern für echte Aha-Momente sorgen können wird. Für solche also ein treffsicherer Geheimtipp!
©108 Japan