Captain America
Zweite Chancen sind im Leben rar gesäht. Es sei denn, die Zeit sorgt für Vergessenheit. Ein bekannter Beweis dafür sind die Batman-Filme, die in den 90ern ein peinlich-buntes Stelldichein feierten, um schnell wieder in Vergessenheit zu geraten (und um dann zwei Jahrzehnte später schließlich als zweifelhafter Kult verehrt zu werden). Als die The Dark Knight-Trilogie der Figur schließlich neues Leben einhauchte, schienen die Altlasten vergessen. Ähnlich ist es da bei Marvel: Die ersten Gehversuche im Kino sind zu Filmen gewordene Unfälle. Angeführt von Captain America aus dem Jahr 1990, der den bekannten blau-weiß-roten Helden stümperhaft und unbeholfen darstellt und damit noch meilenweit entfernt ist von dem, was viele Jahre später mit Chris Evans in der titeltragenden Rolle auf die Beine gestellt werden sollte. Dass Captain America (1990) schließlich als Videotheken-Ramschware endete, kommt wenig überraschend. Sowohl in den USA als auch Deutschland wollte niemand den Film sehen, während er es in Großbritannien immerhin noch in die Kinos schaffte. Der Film von Albert Pyun (Cyborg) mit Matt Salinger als Captain America ist derart schlecht, dass er im Rahmen der SchleFaZ von Oliver Kalkofe und Peter Rütten auf Tele5 ausgestrahlt wurde.
1944: Der zweite Weltkriegt tobt in Europa. Um die Chancen im Krieg gegen die Nazis zu erhöhen, entwickelt das US-Militär ein Superhelden-Programm, durch das Soldaten mit Superkräften ausgestattet werden können. Dazu gehört auch Steve Rogers (Matt Salinger, Hinter dem Horizont), der eben noch von der Armee aufgrund seines lahmen Beins abgewiesen wurde. Durch das Programm wird er ein muskelbepackter Supersoldat: Captain America. Der genmanipulierte Red Skull (Scott Paulin, Teen Wolf) wird sein Meister, ehe Captain America nach dem Kampf in Eis eingeschlossen wird. Beim Erwachen Jahrzehnte später stellt er fest, dass der Krieg längst vorbei ist und der wahnsinnige Red Skull gestoppt werden muss …
Verdammt, wir haben eine Lizenz über
Originaltitel | Captain America |
Jahr | 1990 |
Land | USA |
Genre | Action |
Regisseur | Albert Pyun |
Cast | Steve Rogers: Matt Salinger Ronny: Tom Kimball Ned Beatty: Sam Kolawetz General Fleming: Darren McGavin The Red Skull: Scott Paulin Bernice Stewart: Kim Gillingham |
Laufzeit | 90 Minuten |
FSK |
Die Versuche, Captain America ebenbürtig für Film und Fernsehen abzubilden, reichen bis ins Jahr 1944 zurück. Geklappt hat das vor Chris Evans in Captain America: The First Avenger (2011) nie. Einen besonders schlechten Eindruck hinterließ dabei die 1990er Direct-To-Video-Ausgabe, in der Matt Salinger zum ersten und auch letzten Mal um die Gunst der Comic-Fans buhlte. Die Rechte daran besorgte sich die berühmt-berüchtigte Trashschmiede Cannon, welche drei Jahre zuvor bereits Superman IV in den Sand setzte. Ehe die Rechte an der Lizenz wieder ausliefen, musste also ein Film gedreht werden. Die Produktion landete bei Menahem Golan, der für 21st Century übernahm. Das geplante Budget von 6 Mio. US-Dollar wurde halbiert und mit gerade einmal 3 Mio. US-Dollar im Gepäck mussten kostengünstige Drehorte gefunden werden. Damit entfiel ein geplanter Alaska-Dreh und produziert wurde schließlich in Jugoslawien und Italien.
Improvisationsdesaster
Dies war auch der Beginn zahlreicher Einsparmaßnahmen: Drehbuch, Effekte, Maske, Kostüm. Auf allen Ebenen krankt der Film. Beginnend mit der Optik, die zudem auch noch ganz schlecht gealtert ist. Das ikonische Captain America-Kostüm gleicht einem Latex-Outfit von der durchschnittlichen Qualität eines Cosplays. Immerhin sorgen die albernen Flügel am Kopf des Helden für einen orginalgetreuen Look. Was noch zu verschmerzen wäre, denn die wenigsten Superhelden-Kostüme machten zu dieser Zeit viel her. Kritisch wird es dann spätestens beim Einsatz von Effekten, die wie aus der Zeit gefallen wirken und bereits damals wenig organisch gewirkt haben müssen. Einen gewissen Retro-Charme mag das auch ausstrahlen, ist handwerklich allerdings weit von einer guten Experience entfernt.
Fremdschämen am laufenden Band
Der nächste Stolperstein liegt in der Figur selbst: Captain America ist ein wenig heldenhafter Charakter. Unehrenhaft stolpert er von einer Situation in die nächste, muss Übelkeit vortäuschen, um ein Auto zu klauen, und leistet von allen Figuren des Films am wenigsten im Kampf gegen Red Skull. Ohnehin bleibt dieser positiver hängen als der Protagonist: Matt Salinger fehlt es an Charisma, welches Scott Pualin immerhin für seine Rolle mitbringt. Die konfuse Story wirft einige Fremdschämsituationen auf, stets garniert mit fragwürdigen Dialogen. Besonders trashig: Im Finale kämpft Cap gemeinsam mit dem US-Präsidenten (Ronny Cox, Beim Sterben ist jeder der Erste) um die Zukunft des Landes. Auf der Strecke bleibt die Tragik der aus der Zeit gefallenen Figur. Nur hin und wieder blitzt auf, dass Steve eigentlich ein einsamer Mann ist. Viel stärker im Vordergrund steht sein romantisches Interesse, und da seine einstige Liebe Bernice (Kim Gillingham) nun gealtert ist und selbst Kinder hat, muss die Tochter Sharon eben als Love Interest herhalten. Was Steve gerade an dieser hysterischen Dame findet, weiß wohl nur er.
Kämpfen kostet Geld
Während die erste Hälfte des Films sogar noch irgendwie funktioniert, ist in der zweiten dann die Luft raus. Der Kampf gegen Red Skull will einfach nicht an Fahrt gewinnen, doch streng nach Schema F wird durchgezogen, sodass die Lustlosigkeit dahinter auch beim letzten Zuschauer ankommt. Weit entfernt von heutigen Standards sind die Kampfszenen, die die Dynamik missen lassen. Hinzu kommen die billig aussehenden jugoslawischen Sets. Die Außenaufnahmen der Verfolgungsjagden sehen aus wie in der Wallachei gedreht und könnten unspektakulärer nicht sein. Trotz des Erscheinungsjahres wirkt der Look, als sei der Film bereits zu Beginn der 1980er erschienen.
Fazit
Aus heutiger Perspektive gibt es rein gar keinen Grund mehr, sich diesen Film anzusehen. Es sei denn, man sucht gezielt nach Trash oder ist ein verklärter Nostalgiker, der sich alles von Marvel reinziehen muss. Oder als Party-Geheimtipp, aber selbst das setzt genug Alkohol voraus, denn der Film nimmt sich zu ernst, um schlecht zu sein, um dann wieder gut zu sein (alles klar?). Einen Captain America, der sich hinter seinem Schild versteckt und Autos klaut anstatt mangels Budget zu kämpfen, braucht schlichtweg niemand. Ein Film, dessen Todesurteil mit der Unterfinanzierung bereits unterschrieben war.
© Ascot Elite Entertainment