Brightburn – Son of Darkness

Ein Baby aus dem All landet bei Farmern in Kansas, wird adoptiert und wie ein ganz normaler Junge erzogen. Klingt wie das idyllische Leben von Clark Kent alias Superman. Aber im Film Brightburn gibt es einen kleinen Unterschied. Was, wenn dieser Junge es nicht so mit Anstand und Moral hat? Die übermenschlichen Kräfte machen ihn schließlich zu etwas Besserem. Die Cousins Brian und Mark Gunn (Die Reise zur geheimnisvollen Insel) gehen diesem Gedankenspiel in ihrem Drehbuch nach und machen in punkto Kräftemissbrauch keine halben Sachen. Reicht das auch, um beim Publikum mehr als nur Ekel zu erzeugen?

 

Tori (Elisabeth Banks, Die Tribute von Panem) und Kyle Breyer (David Denman, Outcast) wollten schon lange ein Kind und vor zehn Jahren fiel für sie buchstäblich eines vom Himmel. Der Rest des Städtchens Brightburn denkt, Brandon (Jackson A. Dunn, Gone are the Days) sei einfach nur adoptiert, tatsächlich fanden die Breyers ihn samt Raumschiff im Wald. Tori liebt ihren Sohn über alles und will ihn vor allem beschützen. Doch wo andere Kinder in der Pubertät ein wenig bockig werden, äußert sich das bei Brandon heftiger. Er hört zunächst Stimmen, findet dann heraus, dass er sehr viel stärker ist als andere, und fragt sich, warum für ihn noch normale Regeln gelten sollten. Was er will, das nimmt er sich, denn niemand kann ihn aufhalten.

Ein böser Superman – nicht mehr und nicht weniger

Originaltitel Brightburn
Jahr 2019
Land USA
Genre Horror, Thriller
Regisseur David Yarovesky
Cast Tori Breyer: Elizabeth Banks
Brandon Breyer: Jackson A. Dunn
Kyle Breyer: David Denman
Noah McNichol: Matt Jones
Merilee McNichol: Meredith Hagner
Sheriff Deever: Gregory Alan Williams
Laufzeit 90 Minuten
FSK

Dem interessierten Comicleser sind schon viele Varianten eines bösen Superman untergekommen. Sei es durch rotes Kryptonit oder in diversen alternativen was-wäre-wenn Erzählungen. Auch das Videospiel Injustice kaut dieses Thema durch. Es ist schließlich eine gruslige Vorstellung, wenn ein Außerirdischer mit gottgleichen Kräften einfach macht, was er will. Brightburn wirft den Ballast ab und erzählt den Superman-Mythos ohne Schnörkel als Horrorfilm. Statt zu verstecken, welcher Superheld hier Pate steht, werden sogar eine Menge Referenzen eingebaut. Brightburn ist wie Smallville eine Kleinstadt in Kansas. Brandon hat eine rote Decke, die nicht nur zufällig an ein gewisses Cape erinnert. Eine Mitschülerin schreibt gar einen Aufsatz, bei dem Wahrheit und Gerechtigkeit im Titel genannt werden. „The decline of truth and justice in the modern era“ – der Niedergang zwei der wichtigsten Werte für Superman. Es ist erfrischend, dass Brightburn so deutlich zeigt, was für ein Film er sein will und wie weit der Erwartungshorizont sein sollte. Die Laufzeit ist mit 90 Minuten schon fast als kurz zu bezeichnen. Da ist klar, dass hier keine Zeit für einen philosophischen Diskurs von Genetik gegen Erziehung bleibt.

Wenig Charaktertiefe

Über Brandon als Charakter wird nicht viel erzählt. Es ist sofort klar, dass die Beziehung zu seiner Mutter eine besonders wichtige ist. Elisabeth Banks ist die einzige, die hier als Tori Gefühle ausspielen darf. Ihre Mutterliebe macht sie ein wenig blind dafür, was mit ihrem Sohn vorgeht. In der Schule wird er schließlich gehänselt und es gibt keine einzige Szene, die eine Freundschaft mit jemandem auch nur andeutet. Brandon feiert seinen zwölften Geburtstag nur mit den engsten Verwandten. Dafür verrät der Junge ganz nebenbei den gesamten Plot in einer Biologiestunde in der Schule. Es ist in Filmen immer ratsam hinzuhören, worüber im Klassenzimmer geredet wird, da der Unterricht für Drehbuchautoren eine wunderbare Gelegenheit ist, um Themen vorzugreifen. So spricht Brandon über das aggressive Verhalten von Wespen, die ihre Nachkommen von anderen Arten aufziehen lassen, um danach als Jäger diese Insekten zu fressen. So wird auch Brandom zum Alphatier in der Nahrungskette. Wer ihm blöd kommt, kriegt es brutal heimgezahlt.

Schlotzige Kraftdemonstrationen

Das besondere Merkmal von Brightburn ist nicht die Story, sondern die Brutalität. Wenn Brandon loslegt, dann richtig. Da bleibt kein Auge trocken. Oder ganz. Vater Kyle glaubt, sein Sohn käme in die Pubertät und habe gewisse neue Bedürfnisse. In einem peinlichen Gespräch versucht er Brandon zu vermitteln, dass all die körperlichen Veränderungen natürlich seien und man dem nachgehen dürfe. Und so benimmt Brandon sich fortan, geleitet von Trieben. Er sieht, er will, er macht. Fasziniert davon, wie gebrechlich Menschen sind. Die Altersfreigabe ab 16 Jahren ist da ziemlich großzügig, wenn Knochen splittern und Körperteile platzen. Wem es eine Gänsehaut bereitet, wenn Augen in Großaufnahme verletzt werden, wird hier auf eine harte Probe gestellt. Zwar ist Brightburn kein Non-Stop-Gemetzel, aber für Fans von schonungsloser Gewalt absolut zu empfehlen. Schon mal überlegt, wie es einem normalen Menschen ergeht, der Supermans bekannten Hitzeblick mitten ins Gesicht bekommt? Das sind die Fragen, auf die hier Antwort gegeben wird. Keine Reue, kein Appell an Menschlichkeit.

Fazit

Man könnte Brightburn als psychologischen Thriller erzählen. Als Auslotung dessen, was einen Mensch zum Menschen macht und ob Moral eine Rolle spielt, wenn jemand wie Brandon sein Umfeld zu nichtswürdigen Insekten deklariert. Aber weder der Trailer noch die einführenden Szenen des Films deuten in irgendeiner Weise an, dass sich jemand bei der Produktion dieses Ziel gesetzt hat. Kurze und knappe Gewalt zur Unterhaltung im derzeit angesagtesten Blockbustergenre, dem Superheldenfilm, das ist die Zielsetzung. Und weil der Film hält, was er verspricht, kann ich nur wenig wirklich negativ ankreiden. Brandon benimmt sich wie ein Soziopath und wir sehen nur ein paar Tage aus seinem Leben. Wie eine Originstory des Bösen. Der Verzicht auf überraschende Twists ist mal ganz angenehm. Man möchte Tori sofort zurufen, dass sie sich ein Stück des Raumschiffs aneignen soll, als Brandon sich verletzt. Sofort ist klar, dass auch für ihn ein Stück seiner eigentlichen Heimat gefährlich sein kann. Und es ist packend anzusehen, dass sie gewillt ist, ihn am Ende zu töten. Was er ohne mit der Wimper zu zucken vereitelt. Vielleicht ist das das echte Entsetzen auf Toris Gesicht. Weniger der Sturz in den Tod, als die Erkenntnis, dass ihrem Sohn dieser Mord leichter fällt als ihr. Ein Lob meinerseits geht für diesen Schlussmoment ans Make-Up, da Toris Gesicht voller Schrammen ist. Durch die Decke der Scheune gerissen zu werden, hinterlässt Spuren. Da ist die Realität, über die man in einem Superman-Film besser nicht nachdenkt. Fast hatte ich damit gerechnet, dass Brandon seine Mutter auffängt, nur um zu zeigen, dass ihr dadurch sämtliche Knochen im Leib brechen würden. Der Flugzeugabsturz ist aber auch ein herrlich fieses Ende (weil Superman im Gegensatz immer wieder Flugzeuge rettet). Große Werbung wird mit dem Namen James Gunn gemacht. Der Produzent ist am besten bekannt als Regisseur von Guardians of the Galaxy und hat selbst mit Filmen wie Super oder Slither einiges im Bereich Gewalt und Horror abgeliefert. Es scheint der Familie im Blut zu liegen. Wer die genannten Filme mag, wird auch an Brightburn Spaß haben.

© Sony Pictures

Misato

Misato hortet in ihrer Behausung fiktive Welten wie ein Drache seinen Goldschatz. Bücher, Filme, Serien, Videospiele, Comics - die Statik des Hauses erlaubt noch ein bisschen, der Platz in den Regalen weniger. Am liebsten taucht sie in bunte Superheldenwelten ein, in denen der Tod nicht immer endgültig ist und es noch gute Menschen gibt. Íhr eigenes Helfersyndrom lebt sie als Overwatch Support Main aus und adoptiert fleißig Funko Pops.

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Ayres
Redakteur
11. August 2019 16:00

Für mich stellt Brightburn eine einzige Enttäuschung dar. Der Film wird ja gerade von Horrorfans ziemlich gehyped, aber mit der Schonungslosigkeit alleine ist es auch nicht getan. Es gibt eine Szene, die wirklich hängen bleibt (Auge), davon einmal abgesehen, finde ich nichts an dem Film, das mir wirklich gefallen mag. Auch Elizabeth Banks, die ich sonst gerne sehe, finde ich in der Rolle der aufgeschreckten Tori anstrengend. Es ist schwer zu sagen, ob es am (gesamten) Cast liegt oder den wenigen Möglichkeiten, die der Plot vorgibt: so richtig gibt es aus der Geschichte nichts herauszuholen. Ja, sie ist konsequent durcherzählt und das rechne ich dem Drehbuch auch hoch an. Aber eben eine inhaltliche Sackgasse, die nur davon lebt, dass man eben diese Ausweglosigkeit für eine entsprechende Brutalität ausnutzen kann.
Eine Fortsetzung kann ich mir zu Brightburn gar nicht vorstellen. Das wäre eine noch längere Einbahnstraße und würde in einer einzigen Materialschlacht enden.