Brennen muss Salem
Die Roman-Vorlage Brennen muss Salem stellte nach Carrie den zweiten Roman von Stephen King dar und gilt allein deswegen heute als Klassiker. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Verfilmung, immerhin markierte die als Film zusammengefasste Mini-Serie 1979 einen wichtigen Punkt des US-Fernsehens. Nicht nur, dass die Laufzeit von 183 Minuten beachtlich ist – auch die Darstellung prägte das Bild des Vampir-Horrors, welches die 80er beherrschte. Immerhin ist Brennen muss Salem eine äußerst freie Interpretation von Dracula. Neben der TV-Fassung existiert auch eine gestraffte Spielfilmfassung, die auf 76 Minuten zurechtgestutzt wurde. Erst 2016 erschien schließlich die lange Fassung durch Warner Home Video auch hierzulande.
Maine, USA: Der Schriftsteller Ben Mears (David Soul, Starsky & Hutch) kehrt nach längerer Abwesenheit zurück in seinen Heimatort Jerusalem’s Lot, kurz auch Salem’s Lot. Dort plant er sein nächstes Buch zu beenden. Doch seine Neugier wird von dem alten Marsten-Anwesen geweckt, welches auf dem Pabscuitti Hill über der Stadt gelegen ist. Er bringt in Erfahrung, dass dort die Kurt Barlow (Reggie Nalder, Der Mann, der zuviel wußte ) und Richard K. Straker (James Mason, 20.000 Meilen unter dem Meer ) eingezogen sind, die einen Antiquitätenladen in der Stadt betreiben. 20 Jahre zuvor stand das Haus leer. In der Stadt verschwinden immer mehr Menschen spurlos und werden später wie in Trance wiedergefunden. Sie alle weisen eine Gemeinsamkeit auf: Bissspuren am Hals. Ben nimmt Kontakt zu seinem alten Lehrer Jason Burke (Lew Ayres, Im Westen nichts Neues ) auf. Das Marsten-Haus zieht ihn auf beklemmende Weise an. Er offenbart Burke seine Überzeugung, das Haus verkörpere das Böse an sich. Schließlich verdächtigen Ben und sein Freund Mark die neuen Bewohner des Marsten-Hauses und wollen dem Grauen ein Ende bereiten …
Von Texas nach Maine
Originaltitel | Salem’s Lot |
Jahr | 1979 |
Land | USA |
Genre | Horror, Drama |
Regie | Tobe Hooper |
Cast |
Ben Mears: David Soul
Mark Petrie: Lance Kerwin Susan Norton: Bonnie Bedelia Richard Straker: James Mason Sheriff Gillespie: Kenneth McMillan Dr. Kurt Barlow: Reggie Nalder Pater Callahan: James Gallery Jason Berk: Lew Ayres |
Laufzeit | 183 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 22. September 2016 |
An Brennen muss Salem scheiden sich die (Film-)Geister: Während die einen die Verfilmung als Kultklassiker feiern, hassen andere die Inszenierung von Tobe Hooper regelrecht. Hooper, der häufig dafür belächelt wird, dass er nach seinem Horror-Hit Blutgericht in Texas anschließend nur noch kleinere Produktionen übernahm und schließlich in der Direct-to-VHS-Hölle verschwand, um Videotheken-Ramschware auf den Markt zu bringen. Denn auch wenn Brennen muss Salem heute eher im allgemeinen Konsens als speziell unter Horror-Fans einen guten Ruf genießt, war die Mini-Serie erfolgreich genug, um weitere Stephen King-Projekte ins Rollen zu bringen. Etwa die TV-Serie ES, die später noch größere Erfolge feiern und viele Jahre später mit zwei kommerziell erfolgreichen Kinofilmen bedacht wurde. Thematisch betrachtet befand sich die Verfilmung sowieso in starker Konkurrenz: Werner Herzogs Nosferatu – Phantom der Nacht aus demselben Jahr orientierte sich an F. W. Murnaus Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens von 1922. Und ein Jahr später erschien John Badhams Dracula. Stephen King selbst war nie zufrieden mit der seriellen Umsetzung, immerhin fehlt die Hälfte des Romans und vieles wurde verändert. Dennoch erschien 1987 noch die Fortsetzung Salem II – Die Rückkehr und 2004 gar eine Neuverfilmung: Salem’s Lot – Brennen muss Salem. Auch die 2010 erschienene Anime-Serie Shiki basiert lose auf dem Stoff.
Schlecht gealtert und gegen die Sehgewohnheiten
Bei einem 700-Seiten-Roman kann man sich wohl kaum darüber beschweren, wenn dieser auf 183 Minuten verteilt wird. Da haben Roman-Fans sicherlich schon stärker abgespeckte Erzählvarianten erlebt. Hooper schien allerdings nicht derjenige zu sein, der auch das entsprechende Händchen für ein solches Projekt besitzt. Die Konsequenz: Trotz der üppigen Laufzeit birgt die Mini-Serie unbeendete Subplots, wenig motivierte Anspielungen, oftmals nicht einmal zu Ende Gedachtes. Viele erzählerische Unebenheiten, an denen man sich heute reiben kann. Heutige Filmgucker werden an der Adaption von 1979 zu knabbern haben. Der Dauer und dem Alter sowie veränderten Sehgewohnheiten geschuldet, werden manche heutigen Filmgucker vielleicht über die eine oder andere Länge hinwegsehen müssen. Die TV-Herkunft lässt sich nur schwer verbergen: Bild und Effekte wirken aus heutiger Sicht gnadenlos veraltet. Hooper war eben kein Regisseur mit Gespür für eine besondere Bildsprache. Lange Kameraeinstellungen mit wenigen Schnitten kollidieren mit heutigen Sehgewohnheiten und wenn Personen vor dem eigenen Fenster fliegen, kann man sich direkt vorstellen, wie der Kran gerade jemanden nach oben zieht. Für die späten Siebziger war das effektiv, jüngere Zuschauer würden die Produktion heute allenfalls als amateurhaft befinden. Der hohe Einsatz der Nebelmaschine sorgt für regelrechten Budenzauber und bringt immerhin etwas Abwechslung in die tristen Kulissen.
Kein Vampir von Manieren
James Mason braucht nicht viel zu sprechen in dem Film, um sich als Schurke zu enttarnen. Blicke, Kamera-Positionen und Belichtung reichen vollkommen aus, um ihn als das personifizierte Böse zu outen. Mason als menschlicher Unterstützer des obersten Blutsaugers und Reggie Nalder in seiner fiesen blutarmen Maske stehlen den Protagonisten um David Soul dabei die Schau. Soul schleppt sich irgendwie durch den Film und wirkt etwas neben der Spur. Die anderen Schauspieler können einem beinahe leid tun, dass sie gegen eine solche Trantüte ankommen müssen. Zwar bringt Mason ein gewisses Flair in den Film, kann das ganze Debakel aber nicht vor dem Untergang retten. Stephen King selbst hätte lieber Mason in der Rolle des Vampirs gesehen: Elegant, ein Mann von Welt und keine Figur einer Geisterbahn. Obervampir Kurt Barlow sieht aus wie ein Update des Grafen Orlok (Nosferatu). Die Idee, von der literarischen Vorlage von King abzuweichen und Barlow nicht als einen mit Manieren ausgestatteten Vampir zu zeichnen, sondern als Wesen der Zerstörung und Inhaber einer indifferenter Natur, ist ungewöhnlich, hinterlässt vielleicht aber auch den stärksten Eindruck.
Wenn drei Stunden nicht ausreichen …
Spannungstechnisch hat dieser Film wenig zu bieten. Die zähe Erzählweise straft die Geduld der Zuschauenden nahezu ab und vor allem in der ereignisarmen ersten Hälfte wollen sich partout kaum Highlights einstellen. Seltsame Handlungssprünge und unausgearbeitete Charakterbeziehungen haften auf eine negative Weise an. Die Zusammenhänge bleiben hölzern und werden kaum auserzählt. Viele Figuren des Romans tauchen entweder gar nicht auf oder haben nur kurze Auftritte, die kaum Eindruck erzeugen können. Am besten lässt sich das wohl an der Figur Susan (Bonnie Bedelia, Stirb Langsam) nachvollziehen, deren Auftritte an einer Hand abgezählt werden können. Warum sie und David nun so schnell zusammenfinden, bleibt nicht unbedingt nachvollziehbar. Jedenfalls kann auch diese Romanze Ben nicht von seiner Faszination für das Marsten-Haus abbringen und die Auseinandersetzung mit Susans Ex-Lover wird im Schnellverfahren abgewickelt. Trotz der Liebesgeschichte zwischen Susan und Ben kommt kein Gefühl von Romantik auf. Wenn sie sich in einer dunklen Nacht an einen See setzen, um die traute Zweisamkeit zu genießen, überrascht es kaum, dass sie nur wenige Augenblicke später eine Leiche finden. Die größere Erzählstärke ist das Motiv des bebilderten Horrors, dass Freunde, Verwandte und Geliebte nicht einfach sterben, sondern auch zurückkehren, um ihre einstigen Angehörigen ebenfalls zu Kindern der Nacht zu machen.
Affekt vor Effekt
In puncto Gewaltdarstellung nimmt sich die TV-Adaption gegenüber dem Roman deutlich zurück. Schließlich sollte das Geschehen auch in heimischen Wohnzimmer aus der Röhre flimmern können, ohne Zuschauer zu verstören. Umso überraschender war die Besetzung von Hooper für den Regieposten, der nach Blutgericht in Texas und Blutrausch vergleichsweise sanfte Töne anstimmen musste. Die Gewaltkurve schlägt selbst in drei Stunden nicht einmal nach oben aus. Bestenfalls wird alles angedeutet. Zugutehalten muss man der Adaption, dass sie angenehm kompromisslos bleibt. Hier sterben auch Sympathieträger, die jeden anderen Horrorfilm überleben würden. Nur das Vampirbaby aus dem Roman enthält Hoopers uns vor (wenngleich es immerhin erwähnt wird). Gebissen wird jedenfalls nicht wirklich. Wann immer ein Vampir einen Menschen attackiert, wird einfach das Bild eingefroren. Manch einer wird es danken, denn auch Kinder fallen den Blutsaugern zum Opfer.
Fazit
Von einem echten Horrorfilm ist Brennen muss Salem meilenweit entfernt. Das Konzept des Fernsehfilms in Überlänge bringt mehr Nachteile als Vorteile mit sich, was vor allem in der zahmen Darstellung und den inhaltlichen Längen mündet. Die extreme Laufzeit befördert nicht nur ein zähes Narrativ zu Tage, sondern auch Schwierigkeiten, das Drehbuch richtig zu straffen und die wichtigsten Dinge vor allem auszuerzählen. Je konkreter die Geschichte ihr Unheil thematisiert, desto mehr Mystik geht verloren. Dass Brennen muss Salem selten erwähnt wird, wenn es um King-Verfilmungen geht, verwundert in seiner lediglich schlichten Mittelmäßigkeit nicht. Im Endeffekt ist diese Produktion ein Musterbeispiel dafür, dass der Roman wieder einmal die bessere Adresse darstellt.
© Warner Bros.
Veröffentlichung: 22. September 2016