Controlled – Bewahren Sie Ruhe

Zehn Jahre Arbeit liegen zwischen der ersten Idee und dem fertigen Film. Johnny Kevorkians (The Disappeared) Science-Fiction-Horror Controlled – Bewahren Sie Ruhe ist ein Film für alle, die nur zu gut wissen, wie schnell Familienfeiern aus dem Ruder laufen. Die Sozialsatire wird von einem spannenden Dampfkessel-Plot ummantelt und steigert ihre Spannung ins Unermessliche. Wie verdammt nochmal ist all das nur möglich? Auf der Suche nach einer Lösung wird ein Haken nach dem anderen geschlagen.

  

Es ist Weihnachten. Nick (Sam Gittins, Obey) will diese Gelegenheit nutzen, seiner Familie bei einem Weihnachtsbesuch seine neue Freundin Annji (Neerja Naik, Sold) vorzustellen. Das erweist sich als absoluter Reinfall. Der rassistische Großvater (David Bradley, Argus Filch in Harry Potter) beäugt die indisch-stämmige Annji mürrisch, Nicks Vater Tony (Grant Masters, Rom) spricht im Kommandoton und seine Schwester Kate (Holly Weston, Howl Endstation Vollmond) ist ein einziges Nervenbündel. Zudem hat diese auch noch ihren hitzköpfigen Ehemann Scott (Kris Saddler, Painkiller) im Schlepptau und Mutter Beth (Abigail Cruttenden, Die Entdeckung der Unendlichkeit) versucht sich nur noch in Schadensbegrenzung. Als die Situation eskaliert und Nick mit Annji mitten in der Nacht das Haus verlassen will, stellen sie fest, dass eine schwarze Barriere das Haus von außen einschließt. Nur der Fernseher entpuppt sich als einseitiger Kommunikationskanal…

Drei Komponenten sorgen für Unruhen

Originaltitel Await Further Instructions
Jahr 2018
Land Großbritannien
Genre Science-Fiction, Horror
Regisseur Johnny Kevorkian
Cast Nick: Sam Gittins
Annji: Neerja Naik
Grandad: David Bradley
Tony: Grant Masters
Beth: Abigail Cruttenden
Kate: Holly Weston
Scott: Kris Saddler
Laufzeit 91 Minuten

Gleich drei Ebenen finden in Controlled zueinander. Auf der einen Seite steht da die dysfunktionale Familie und die menschliche Unart, jede Situation entgleisen zu lassen, sofern dies der persönlichen Genugtuung dient. Hinzu kommt ein Technik-Schocker, wie man ihn am ehesten mit Black Mirror vergleichen könnte. In jener Science-Fiction-Serie steht schließlich auch der technische Fortschritt im Kontext zum menschlichen Umgang damit. Die dritte Ebene ist da schon klassischer, nämlich der typische Escape-Movie. Diese drei Komponenten bedient der Regisseur gleichermaßen, sodass Controlled alles ist – nur niemals ruhig. Drehbuchautor Gavin Williams ging für sein erstes Langfilm-Drehbuch direkt in die Vollen. Kevorkian zieht mit und inszeniert einen Film, der stilistisch an das 80er Jahre-Horrorkino im Stile von Cronenberg und Carpenter erinnert.

Paranoides Kammerspiel

So unterschiedlich wie die einzelnen Familienmitglieder sind, so unterschiedlich ist auch ihr Umgang mit der Situation. Ähnlich zur bekannten Saw-Methode erhält die Familie Anweisungen (die Instruktionen aus dem Titel). Manche davon klingen noch sinnig, andere dagegen völlig absurd und sorgen für Gesprächsstoff. Dass Diskussionen unter Teilnehmern, die im normalen Leben die größten Feinde wären, hitzig ausfallen, erklärt sich von selbst. Auf Meta-Ebene schwingt hier auch der Geist von Oliver Hirschbiegels Das Experiment mit. Wie weit gehen Menschen unter Druck, um einer vermeintlichen Autorität Folge zu leisten? Die Sozialstudie nimmt ihren Lauf und so schiebt einer dem anderen die Schuld in die Schuhe. Doch wer hat nun Recht?

Der Weg ist das Ziel, oder?

Während die Situation für alle Familienmitglieder immer auswegloser und abgefahrener wird, eröffnen sich auch für den Zuschauer drei bis 33 Fragen. In vorderster Reihe: Wie gelangt eigentlich der Text auf den Bildschirm? Gibt es Überwachungskameras im Haus? Wird die Familie ausspioniert? Steckt wie vermutet die Regierung dahinter? Geister? Aliens? Lebende Leitungen?  Die Zahl der Möglichkeiten ist groß und umso erschütternder ist, dass Kevorkians einen besonders einfachen Weg wählt. Er erklärt den Zuschauern rein gar nichts. Außer eben, dass sämtliche Familien im Block von diesem ominösen Angriff betroffen sind. Punkt.  Der deutsche Zuschauer ist es ja gewohnt, mit der Kinokarte eine Antwort mitzukaufen. Und selbst Filme, die einem noch einen gewissen Interpretationsfreiraum lassen – geschenkt. Aber Controlled legt es darauf an, es sich mit wirklich jedem zu verscherzen. Es sei denn, man findet sein persönliches Ende, das alles schlüssig zusammenbringt.  An diesem Film scheiden sich die Geister und das zurecht.

Wie weit darf sich ein Film aus dem Fenster lehnen, wenn es darum geht, dem Zuschauer etwas aufzutischen, das Antworten verlangt? In Controlled tun sich eine Menge Fragen auf, die mal mehr, mal weniger gut beantwortet werden. Sieht man davon ab, ist dies ein Film über unterdrückte Ängste, Konfliktscheu und das bewusste Übertreten persönlicher Grenzen. Fraglich ist eben nur, wo die individuelle Toleranzgrenze beginnt, wenn es um das Aussparen handlungsrelevanter Informationen geht. So viel Spaß ich auch mit dem Film hatte, so verschwommen ist der Gesamteindruck schließlich. Deshalb ist dieser Titel nur für Zuschauer empfehlenswert, für die der Prozess spannender ist als das Ergebnis.

 

©Tiberius Film 

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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