Von Rache und Regen (Band 1): Regentänzer

Ein Deserteur, der sich durch ein kriegsgeplagtes Land nach Hause zurückkämpft, und ein Magier, der zu denen gehört, die für den Zustand dieses Landes verantwortlich gemacht werden. Kann eine solche Kombination auf ein entspanntes Vorankommen in einem traumatisierten Land hoffen lassen? In Annette Juretzkis Roman Von Rache und Regen: Regentänzer auf jeden Fall nicht. Der erste, seit dem 1. Oktober 2019 erhältliche Band der düsteren Fantasysaga nimmt die Leserschaft mit in eine Welt, in der einer gegen den anderen und das Wetter gegen alle ist.

   

Riagh ist ein Deserteur und ständig auf der Hut, denn mit Deserteuren wird in Carthal kurzer Prozess gemacht. Nicht das Grauen der Kämpfe gegen die Untoten, die das Land bedrohen, haben ihn zu seiner Entscheidung bewogen, sondern die Furcht um die Sicherheit seiner Verlobten Anryn, die er vor Jahren zurückgelassen hat. Die Seuche, die die Untoten hervorruft, hat sich im Land ausgebreitet. So ist er auf dem Weg in sein Heimatdorf, als er auf Nuzar trifft, der kurz davor steht, gelyncht zu werden. Obwohl Nuzar ein Feuermagier aus Ash’Bahrim ist und damit zu denen gehört, die mit ihrer Magie Untote erschaffen können, rettet Riagh den Unglücklichen und nimmt ihn mit auf seine Reise. Er ist sich unschlüssig, ob er Nuzar töten oder aber leben lassen soll, da der Magier schwer zu durchschauen ist. Auf ihrem weiteren Weg wird den beiden immer klarer, dass hinter dem Fluch der Untoten mehr steckt als vermutet.

Ein seltsames Paar

Originaltitel Von Rache und Regen: Regentänzer
Ursprungsland Deutschland
Jahr 2019
Typ Roman
Band 1 / ?
Genre Fantasy
Autorin Annette Juretzki
Verlag Traumtänzer Verlag

Riagh und Nuzar sind zwei Charaktere, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten. Der eine ist ein einfacher Krieger aus Carthal, dem Land, in dem es scheinbar immer regnet. Der andere ist ein gebildeter Magier aus Ash’Bahrim, wo das Matriarchat herrscht. Während Riaghs Motivation einzig die Furcht um die Sicherheit seiner Ziehschwester/Verlobten zu sein scheint, die ihn hat desertieren lassen, liegen bei Nuzar die Gründe für sein wagemutiges Verhalten verborgen. Ihre gemeinsame Reise ist geprägt von den Vorurteilen, die Riagh in Nuzar beharrlich den Feind sehen lassen, den es zu bekämpfen gilt. Er tut sich schwer, in Nuzar ein eigenständiges Individuum zu sehen. Nuzar dagegen spricht sogar Riaghs Sprache, beobachtet ihn genau und erkennt schnell Lücken in seinem Gegenüber, die er wortgewandt ausnutzt. Mutig sind sie allerdings beide, da Riagh durch die fehlenden Brandnarbe im Gesicht deutlich als Deserteur zu erkennen ist und Nuzar als Feuermagier der Ash’Bahar sich weit im gegnerischen Land befindet. Sie beide haben Prioritäten, die sie vor den Schutz ihres eigenen Lebens stellen.

Das Land des Regens und des Schlamms

Das Wort „Regen“ im Buchtitel Von Rache und Regen: Regentänzer hat seinen Platz zu Recht. Es regnet viel in Carthal. So viel, dass die Einheimischen dreiunddreißig verschiedene Bezeichnungen für die unterschiedlichen Regenqualitäten erfunden haben. So nennen sie zum Beispiel einen Regenschauer, der ohne Ankündigung vom Himmel fällt, „Nechtair“, während mit „Leith“ ein Platzregen gemeint ist, der nicht nass macht (ein wahrlich bemerkenswertes Phänomen!). Demzufolge sind die Wege, die Riagh beschreitet, selten trocken und fest, und Autorin Annette Juretzki gelingt es in wunderbarer Wortarbeit, den Leser*innen das Gefühl zu vermitteln, mit Riagh, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, zusammen durch den Schlamm zu marschieren und nachts unter feuchten Decken zu frieren. Überhaupt zeichnet sich der Erzählstil der Autorin durch eine große Wortvielfalt und einen lebendigen Erzählstil aus, der eindrückliche Bilder hervorzaubert, die plausibel und greifbar wirken. Carthal könnte gleich hinter der nächsten Landesgrenze liegen.

Fazit

Von Rache und Regen: Regentänzer ist ein Roman, den ich mit Vergnügen gelesen habe und auf dessen Fortsetzung ich mich schon freue. Die Welt, die Annette Juretzki auf die Buchseiten gezaubert hat, besticht durch ihre Einfachheit, ist aber dennoch in sich rund und schlüssig. Die Charaktere wirken lebendig und die Dialoge natürlich. Mein einziges Problem ist, dass ich mit Riagh nicht wirklich warm werde. Seine Fixierung auf Anryn (die ich gerne in einem der nächsten Bände kennenlernen würde) und die sture Haltung gegenüber Nuzar, in dem er krampfhaft den Feind sieht, empfinde ich als ziemlich anstrengend und nicht wirklich plausibel. Dankbar bin ich aber für die Erzählperspektive, mit der die Geschichte sich einzig aus Riaghs Sicht entfaltet, auch wenn jedes Kapitel mit zwei Zitaten eingeleitet wird, die das Blickfeld etwas erweitern. Überrascht hat mich Nuzars Redeweise, da er die Begriffe da, wo es möglich ist, in ihrer weiblichen Form benutzt, eine konsequente Weiterverfolgung der Tatsache, dass er aus einem Matriarchat stammt. Das generische Femininum stört den Lesefluss aber in keiner Weise, sondern klingt ganz normal. Erwähnen möchte ich noch das zauberhafte Cover, das von Yvonne Less gestaltet wurde und in seiner Grundstimmung perfekt zur Geschichte passt. Gäbe es das in einem großen Format, würde ich es mir als Bild aufhängen. Und jetzt heißt es, auf den nächsten Band zu warten. Der Cliffhanger am Ende von Regentänzer ist allerdings eine fiese Sache …

© Traumtänzer Verlag

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