Perfect World

Ein Unfall und dann ist das bisherige Leben vorbei – solch ein Unglück ist dem Protagonisten Itsuki Ayukawa widerfahren, durch das er sich eine Querschnittslähmung zuzog. Egmont Manga veröffentlicht mit Rie Arugas Manga Perfect World einen Titel mit einer diffiziler Prämisse: Der Umgang mit einem Leben im Rollstuhl und in einer Partnerschaft, die 2018 auch für die japanische Kinoleinwand adaptiert wird.

    

Tsugumi Kawana wollte als High School Schülerin Illustratorin werden. Doch das Leben verschlug sie schließlich zur Innenarchitektur, wo sie 26-jährige ihren ehemaligen Klassenkameraden und erste Liebe Itsuki Ayukawa wieder trifft. Itsuki träumte als Schüler davon, Architekt zu werden, als welcher er nun auch arbeitet. Was sich jedoch niemand jemals ausgemalt hätte, ist die Tatsache, dass Itsuki durch einen Fahrradunfall nun querschnittsgelähmt an einen Rollstuhl gefesselt ist. Durch ihre gemeinsame Arbeit verbringen die beiden jungen Erwachsenen viel Zeit miteinander und Tsugumi spürt immer mehr ihre alte Liebe hervorquellen. Doch eine Beziehung mit einem körperlich Behinderten will wohlüberlegt sein…

“Sie verstehen hoffentlich, dass eine Dialyse bei einer Querschnittslähmung eine ernste Sache ist?!”

Orginaltitel Perfect World
Jahr 2014
Bände 1 / ?
Genre Romanze, Slice of Life, Drama
Autor Rie Aruga
Verlag Egmont Manga (2018)

Eine Querschnittslähmung hat viele Konsequenzen. Der Klassiker, an den gewöhnlich direkt gedacht wird, ist die beeinträchtigte unkontrollierte Darmfunktion. Auch das bleibt hier nicht unerwähnt, doch wird es nicht besonders in den Vordergrund delegiert. Stattdessen wird auf Durchblutungsprobleme und Entzündungen aufmerksam gemacht, die entstehen, weil die Person übliche Körperwarnsignale nicht mehr spürt. Alles Beschwerden, die zu Organversagen bis Lebensgefahr führen können. Itsuki leidet ebenfalls an Phantomschmerz: Ein Schmerz, bei dem sich Nerven einen Schmerz einbilden, wofür es keine unmittelbaren Verursacher gibt.

“Soll sie etwa mit einem Krüppel zusammen sein?”

Trotz seiner Behinderung hat Itsuki es in seinen Traumberuf geschafft. Doch kann ihm dieser Traum jederzeit wieder entgleiten, was er durch harte Arbeit verhindern will. Auch ist die gesellschaftliche Akzeptanz nicht die höchste, denn ein Rollstuhl nimmt viel Platz ein und ohnehin fällt man aus der Norm. Seiner Umwelt wird er stets Umstände bereiten. Nach einer bereits gescheiterten langjährigen Beziehung hat sich Itsuki entschlossen, keine Beziehung mehr eingehen zu wollen. Eine mentale Hürde, die Tsugumi erst einmal durchbrechen muss.

Zunächst nur ein Kratzen an der Oberfläche  

Perfect World erscheint in Japan im Josei Manga-Magazin Kiss, in dem Werke wie Princess Jellyfish, Nodame Cantabile oder Tramps Like Us, die sich an junge Frauen richten, erschienen sind. Es ist aber auch das Debütwerk der Autorin Rie Aruga, das laut Autorenkommentar zunächst nur auf eine kurze Geschichte in einem Band ausgelegt war. Die Körperbeeinträchtigungen werden behutsam und leicht verständlich eingeführt. Diese Sorgsamkeit der Erzählung kommt ohne moralischem Hammerschlag in die Magengrube aus, allerdings kann man sie auch als ein Mangel einer Festlegung deuten. Der Schwerpunkt liegt auf Tsugumis Beobachtungen, wie Itsuki durchs Leben streift. Doch die einzige ausgeprägte Charaktereigenschaft, die sich bislang hervortut, ist seine Sturheit. Tsugumi besitzt kein eigenes soziales Umfeld und das um Itsuki herum bleibt charakterlich eher funktional bis blass. Auch die Zeichnung der gesellschaftlichen Haltung zum Thema ist eher grobschlächtig. Für den Auftakt ist das noch passend, denn Tsugumi hat als Außenstehende bislang nur kurze Einblicke in Itsukis Lebens- und Leidensgeschichte erhaschen können. Mit dem ersten Band ist diese Phase jedoch abgeschlossen. Es wird sich daher erst noch zeigen, ob sich Perfect World wie so viele Geschichten mit einer derart schwermütigen Grundthematik am Ende unter “nett gemeint” verbuchen lässt. Zumal sich die Reihe auch unabhängig des Themas der Querschnittslähmung in ein Terrain begibt, dass wenige Romance Titel nachhaltig betreten: Den Verlauf einer Beziehung nach dem Zusammenkommen.

Erster Eindruck:

Zeichnerisch sieht man dem Band stellenweise an, dass er noch nicht ganz ausgereift ist. Manche Panels sind nicht sehr reich an Details, einige Nebenfiguren haben buchstäblich kein Gesicht und Hände sehen mitunter etwas unproportioniert aus. Beim Charakterdesign selbst stellt sich noch kein individueller Wiedererkennungswert ein (Itsuki sieht auf manchen Bildern aus wie ein Kazehaya aus Nah bei dir). Die zwiespältige und zaghaft-vorsichtige Stimmung von jemandem, der keine hautnahe Erfahrung mit der Materie hat, fängt der erste Band aber recht gut ein. Die Grundprämisse gibt sehr viel Material her, vor allem in einen japanischem Setting und seiner teilweise sogar eskalierenden Abneigung Behinderten gegenüber. Der Mangel an mehrschichtiger Charakterzeichnung bislang macht mich allerdings etwas bange für den weiteren Verlauf, da er mich auch ein wenig an der unmittelbare Glaubwürdigkeit der vorgestellten medizinischen Informationen zweifeln lässt. Aber selbst wenn sich die Serie an die Wand befördern sollte, ist der erste Band alleinstehend genug für einen soliden Romance-Kurzmanga. Wer sich weiterführend für das Thema interessiert und kein Problem mit der englischen Sprache hat, kann auch in das Videokurzdokumentation Living in Japan with a Physical Disability der Dokumentationsreihe “Life Where I’m From” reinschauen.

Luna

Luna residiert auf dem Mond mit ihren beiden Kaninchen. Als solche hat sie eine Faible für flauschige Langohren und ist auch nicht um die ein ums andere Mal etwas entrückte Sicht auf die Weltordnung verlegen. Im Bestreben, sich verständigt zu bekommen, vertreibt sie gerne die Zeit mit dem Lernen und Erproben verschiedener Sprachen und derer Ausdrucksformen.

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2 Comments
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Taria
Redakteur
29. Mai 2018 7:08

Mir hat der erste Band gut gefallen. Die Thematik wird mit dem nötigen Ernst behandelt und wirkt auch gut recherchiert. Da der Manga wohl nur ein Einzelband werden sollte, merkt man schon etwas. Allerdings stehen die Chancen gut, dass die Mangaka die zusätzlichen Bände nutzt, um diese Lücken zu füllen.