Star Trek: Picard (Folge 1×03)
“Sie brauchen jemanden, der Sie hasst. Und der nichts zu verlieren hat.” Mit diesem Bewerberprofil startet Jean-Luc Picard in die dritte Folge, denn nach all der Vorarbeit der ersten beiden Folgen ist nun der Kurs recht geradlinig: Finden Sie Schiff und Mannschaft, begeben Sie sich auf Mission ins Weltall. Die alten Mannschaftskollegen aus Enterprise-Zeiten zu kontaktieren, hatte Picard in der vorigen Folge kategorisch abgelehnt, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Mal schauen, ob sich der eine oder andere im Verlauf der Staffel doch noch sehen lassen wird, Besetzungslisten und durchs Internet geisternde Fotos weisen darauf hin. Aber jetzt ist es erst einmal Zeit für neue Gesichter.
Die Person, die Picard dann kontaktiert, ist in der Tat sehr schlecht auf ihn zu sprechen. Raffi Musiker, jetzt struppige Hippiefrau mit Drogenproblem, war einst Sternenflotten-Offizier unter Admiral Picard, voller Loyalität und Tatendrang. Picards Abschied aus der Sternenflotte kostete sie ihren Job, ihre Selbstachtung und ihr Vertrauen in Picard und seine Unternehmungen. Aber obwohl sie eins ums andere Mal beteuert, dass sie nichts mit Picard und seiner Mission zu tun hat, besorgt sie ihm dennoch ein Schiff und einen Piloten. Captain Rios ist ebenfalls desillusionierter Ex-Sternenflotten-Offizier, der seit einer tiefen Enttäuschung in der Vergangenheit seinen Idealismus an den Nagel gehängt hat. Sagt er. Sein Alter Ego, das recht vorwitzige Notfall-Hologramm seiner selbst, weiß es besser. Und dann stößt auch noch Dr. Agnes Jurati dazu, die eine beunruhigende Begegnung mit Commodore Oh, Sicherheitschefin der Sternenflotte hatte. Und bei Picard just in dem Augenblick hereinplatzt, als romulanische Agenten das Chateau überfallen. Sie beherrscht zwar weder Nahkampf noch Zynismus, ist aber als Androidenforscherin Feuer und Flamme für Picards Mission. Währenddessen darf Soji auf dem verlassenen Borg-Würfel im Rahmen ihrer Forschungen eine ganz besondere Patientin besuchen: die romulanische Mythologie-Expertin Ramdha, die zu den letzten Opfern der Borg gehörte und nun durch die Spätfolgen der Assimilation ins Borg-Kollektivbewusstsein unter geistiger Verwirrtheit leidet. Merkwürdig, dass Soji über ein enormes Wissen verfügt, ohne so recht zu wissen, wie sie dazu gekommen ist. Merkwürdig auch, dass die erst recht gefasste Romulanerin hysterisch reagiert, als sie in Soji “die Zerstörerin”, eine Gestalt der romulanischen Mythologie erkennt.
Die Fronten klären sich
Mittlerweile haben sich die Figuren übersichtlich sortiert. Auf Picards Seite beginnt sich eine Crew zu bilden. Wer das hier und da im Internet auftauchende Mannschaftsfoto gesehen hat, der weiß, das noch nicht alle da sind. Aber drei Crewmitglieder in einer Folge sind schon ganz schön viel. Raffis Weigerung, sich jemals wieder mit Picard einzulassen, mochte man ihr von Anfang an nicht glauben. Auf jede Beteuerung, nicht dabei zu sein, lässt sie stets einen ordentlichen Schub Unterstützung folgen. Erst stellt sie den Kontakt zu Pilot Rios her, dann findet sie heraus, wo Dr. Maddox steckt. Und dann ist sie auch gleich mit an Bord. Nur als Mitfahrgelegenheit, nicht als Teil der Crew. Aber sicher, Raffi. Christopher Rios, der Pilot, ziert sich ganz ähnlich. Zunächst gibt er das Rauhbein am Rande der Legalität, mit einem Titaniumsplitter in der Schulter, einer dicken Zigarre in der Hand und stets einem flotten Spruch auf den Lippen. Eine Art Han Solo im Fernsehformat. Aber sein Raumschiff ist, wie Picard sachkundig feststellt, tiptop nach Sternenflotte-Standards in Stand gehalten. Offenbar braucht es auch bei ihm nicht viel, um den versteckten Idealisten hervorzukitzeln. Vor Begeisterung glühend tritt nur Agnes Jurati der Crew bei. Sollte das vielleicht misstrauisch stimmen? Was genau hat Commodore Oh mit ihr besprochen?
Das gegnerische Team
Was auf die Seite der Antagonisten führt, auch da hat sich ein klareres Bild ergeben. Die Drahtzieherin aller Geheimaktionen: Commodore Oh, die Sicherheitschefin der Sternenflotte. Eindrucksvoll vulkanisch streng und emotionsgebremst. Offensichtlich treibt sie ein doppeltes Spiel und arbeitet für die Zhat Vash, den geheimsten Zirkel innerhalb des romulanischen Geheimdienst. Dazu ihre Agenten, das Geschwisterpaar Narek und Narissa. Die waren schon hinter Dahj her, jetzt sind sie auf Soji angesetzt. Nun tragen sie in dunklen Ecken Geschwisterkonkurrenzen aus und kabbeln sich über das weitere Vorgehen. Motiv, soweit bisher erkennbar: mythologisch fundierter Hass auf künstliche Intelligenz.
Geheimnisse bleiben Geheimnisse
Auch, wenn die Zhat Vash, der geheime Kreis innerhalb des romulanischen Geheimdienst, nun ein Gesicht und ein Motiv haben, bleibt immer noch eine Unstimmigkeit ungeklärt. Warum haben sie die Androidenrebellion auf dem Mars angezettelt, wenn als direkte Folge davon die Mission zur Rettung unzähliger Romulaner abgebrochen wurde? Zweimal spricht Picard in Folge 3 diesen Widerspruch an. Eine Auflösung ist noch nicht in Sicht. Auch, was Soji angeht, die Androidin, die sich für ein menschliches Wesen hält, da tappt der Zuschauer nach wie vor im Dunklen. Einige Themen sind angerissen: Soji weiß Dinge, die eigentlich der romulanischen Zensur unterliegen. Sie bekommt Freigaben für Bereiche, die sonst nicht zu haben sind. Romulanische Mythologie und Prophezeiungen spielen eine Rolle. Und die Mutter der Zwillinge, die schon im Gespräch mit Dahj verdächtige Fehler machte, hat sich jetzt definitiv als Manipulatorin herausgestellt. Wer da manipuliert und warum, das muss man wohl abwarten.
Meinung
Eine dritte Folge mit einem gemächlicherem Tempo, viel Zeit für neue Figuren und einem recht vorhersehbaren Strang: Picard findet seine neue Mannschaft. Eine Folge, in der man sich gemütlich zurücklehnen und vertraute Handlungs-Versatzstücke genießen kann, anstatt wie in Folge 2 hektisch ein Übermaß an Informationen aufnehmen und einordnen zu müssen. Und das Fanherz schlägt höher, wenn zum Schluss die bekannte Melodie aus Star Trek: Next Generation ertönt und Picard endlich wieder wie in alten Zeiten das Startkommando geben darf: “Energie!”