Murderbot (Folge 1×09)

Folge 9 von Murderbot (»Systemkollaps«) hat alles in petto: Pathos, (vermeintlichen) Verrat, missratene High-Fives – und natürlich rettet »Sanctuary Moon« mal wieder in allerletzter Minute den Tag. Die Episode liefert das große Stelldichein mit GrayCris, bevor in Folge 10 das Grande Finale über die Mattscheibe flackert und die Zukunft von Murderbot besiegeln wird.

Inhaltsangabe:

Murderbot, Mensah, Pin-Lee und Gurathin sind mit dem Hopper auf dem Weg zum Rendezvous-Point mit GrayCris. Auf Nachfrage schätzt Murderbot ihre eigenen Überlebenschancen zunächst als »medium bis low« ein, rückt nach einer Rüge von Gurathin aber doch mit der Wahrheit heraus: Sie liegen bei »low bis extrem low«. Na wunderbar.

Mensah bleibt im Hopper zurück. Gurathin und Pin-Lee sollen eine Drohne in die Luft schicken, um die Bake von GrayCris zu aktivieren. Murderbot geht zum Rendezvous-Point.

Murderbot hält sich nicht an den vereinbarten Plan. Stattdessen geht es dazu über, seine Space-Hippies zu verraten. Es lässt die Anführerin von GrayCris wissen, dass es freidrehend ist und bereit sei, PresAux auszuliefern – gegen sein Leben. Außerdem behauptet Murderbot, dass PresAux gerade dabei sei, die Bake manuell vor Ort zu hacken (was eine Lüge ist).

GrayCris gerät in Panik, sammelt Murderbot ein und hebt ab zur Bake. Murderbots Plan: GrayCris soll in den brennenden Feuern der Bake umkommen, wenn diese überraschenderweise startet. Dass Murderbot nun auch dabei sein wird, gehörte eigentlich nicht zum Plan. Es nimmt sein Opfer dennoch in Kauf. Dies ist für die Space-Hippies der absolute Beweis, dass Murderbot trotz aller Differenzen auf ihrer Seite ist.

Murderbot versucht vor Ort bei der Bake mit schlechtem Smalltalk Zeit zu schinden (natürlich verzögert sich alles, weil ein Alien-Vogel die Drohne auffrisst und Pin-Lee und Gurathin noch einmal umdisponieren müssen). Schließlich taucht auch noch Mensah auf, die Murderbot gegen Informationen freitauschen will. GrayCris zeigt sich unbeeindruckt. Ein letzter Kampf entbrennt.

Inmitten dieses Chaos startet die Bake. Murderbot greift sich Mensah, springt die Klippe hinunter und schirmt sie vor dem Aufprall ab.

Mensah überlebt. Pin-Lee und Gurathin fallen ihr erleichtert in die Arme. Murderbot hingegen erleidet einen schwerwiegenden Totalausfall seiner Systeme.

Seine letzten Worte: »Meine Klienten sind die besten Klienten.«

Gute Fan-Fiction

Die Änderungen, die vorgenommen wurden, um aus der Vorlage eine TV-Serie zu machen, wurden von der Autorin Martha Wells abgesegnet – und in vielen Fällen sogar von ihr selbst vorgeschlagen. Es heißt (wenn auch unbestätigt), sie habe gesagt: »Man muss sich die Serie wie gute Fan-Fiction vorstellen«. Unabhängig davon, ob sie das nun gesagt hat oder nicht, handelt es sich hierbei um eine ziemlich akkurate Umschreibung. Murderbot geht wirklich durch als gute Fan-Fiction im besten Sinne: liebevoll gemacht, mit ’nem fetten Zwinkersmiley und dem richtigen Gespür für Tonfall und Charaktere.

Das beginnt bei der Ausgestaltung von »Sanctuary Moon« und reicht bis zu kleinen Momenten, in denen andere Figuren Murderbot direkt auf seine Soap-Sucht ansprechen. Dieserart wird eine typische FanFic-Frage gleich mitverhandelt: Was würde passieren, wenn die Menschen wüssten, dass Murderbot all seine Taktiken aus einer Space-Soap gelernt hat? Und dann wäre da noch die OC-Figur LeeBeeBee (Folge 5); eine Figur, die bewusst überzeichnet ist und ganz offen eine andere Fan-Fantasy bedient: Wie geht Murderbot eigentlich mit aufdringlicher Anzüglichkeit um?

Die Serie erlaubt sich außerdem mehr ehrliche Gespräche (Folge 7). Fans lieben es, wenn Figuren sich endlich aussprechen können – das sorgt für emotionale Befriedigung, auch wenn’s in der originalen Vorlage eher unausgesprochen bleibt. Und auch Folge 9 strotzt vor kleinen Gegebenheiten, die man als Fan-Fiction-Gold betrachten kann: Murderbot, das abklatscht – bzw. versucht, abzuklatschen. Murderbot, das cringy Smalltalk führt. Murderbot, das sich über ein Steinchen im Stiefel beschwert. Die Serie bezieht sich klar auf das Original, erlaubt sich aber bei der Ausgestaltung der Charaktere etliche kleine Freiheiten, um den unsichtbaren Möglichkeiten eine Form zu geben – die Superpower eines jeden guten Fan-Fiction-Schreibers, gell?

Unsere Space-Hippies entwickeln sich

Mit dem Erreichen des Finales haben unsere Space-Hippies einen Großteil ihrer Charakterhürden überwunden. Mensah z. B. überwindet bewusst ihre Angst, um Murderbot zu retten. Das ist der Beweis dafür, dass ihr »Furchtlose galaktische Abenteurerin«-Moment in Episode 4 kein einmaliger Glücksfall war. Generell müssen die kindischen und verschrobenen Space-Hippies in dieser Folge einen Realitätscheck hinnehmen. Allesamt haben sie beschlossen, Murderbot zu vertrauen, und das bedeutet, dass GrayCris sterben muss. Sie ergreifen kollektiv die entsprechenden Maßnahmen, um dies zu erreichen. Mensah, die sich an ihre Moral klammert und einen »anderen Weg« beschreiten will, muss am Ende realisieren: Ihr Weg führt lediglich in die Folterkammer von GrayCris. Die unanfechtbare moralische Überlegenheit von PresAux hat also einen dicken Dämpfer erhalten. Die Hippies begreifen, dass es manchmal einfach keine »guten« Entscheidungen geben kann. Etwas, das Murderbot schon immer begriffen hat. Jetzt haben sie alle Blut an ihren Händen kleben.

Murderbot – der Loser, der ständig gewinnt

Auch in Folge 9 zeigt Murderbot wieder einmal, dass es jeden Kampf, den es bestreitet, konsequent verliert. Die Kernaussage lautet: »Man bekommt das, wofür man bezahlt« – zumindest was das Kampfkönnen anbetrifft. Murderbot ist halt ein ausrangiertes Modell. Diesen Mangel gleicht es aber durch Kreativität (und gelegentliches Glück) wieder aus. Es lügt, es unterläuft Erwartungen, und kann daher dort überleben, wo andere SecUnits es nicht tun. Und obwohl Murderbot im Laufe der Serie schon mehrfach zerschmettert wurde, ist es den Showrunnern gelungen, seinem diesmaligen »Versagen« echten Pathos zu verleihen. Zu Beginn der Serie war es kaum vorstellbar, dass Murderbot in einem letzten Aufflackern von Gefühlsverduselung so etwas sagt wie: »Meine Menschen sind die besten Menschen.« Tja, aber genau da sind wir jetzt.

Fazit

Hach, ich liebe diese ganzen FanFic-Momente. Habe noch nie jemanden so überzeugt falsch abklatschen sehen wie Murderbot – als würde es mit beiden Händen gleichzeitig versuchen, eine imaginäre Space-Mücke zu plätten. Davon abgesehen wissen wir allerdings immer noch nicht, ob Flight Officer Hordööp-Sklanch (geiler Name einfach) den Selbstmordflug des NavBots überlebt hat oder nicht. Wenn das in der finalen Folge 10 nicht aufgelöst wird, dann muss ich wohl selbst eine 37-seitige Fan-Fiction über sein Überleben schreiben – ob die Welt es nun will oder nicht.

 

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Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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