Westworld (Folge 3×02)

Nach einer starken Premiere kehrt Westworld mit Folge 3×02 „Die Winterlinie“ wieder zu alten Gewohnheiten zurück, wirft mit kryptischen Expositionen um sich und zwingt Thandie Newton wieder einmal jeden “Herzchen” zu nennen. Und die Realität? Die ist nur eine Simulation in einer Simulation „incite“ einer Simulation. Twistreich, ja, aber auch irgendwie ermüdend.

Maeve erwacht in ihrer neuen Storyline in Warworld, genauer gesagt in dem von Nazis besetzten Italien. Hector, ihre große Liebe aus Westworld, ist mit von der Partie. Zusammen bilden sie ein Agenten-Duo, das nicht näher bestimmte Pläne für die Alliierten schmuggelt. Während Maeve versucht, aus Warworld zu entkommen, wird ihr klar, dass Hectors Bewusstsein aus der vorangegangenen Staffel nicht überlebt hat und schlimmer noch: dass es sich bei Warworld nicht um den realen Themenpark handelt, sondern um eine Simulation. Holy shit. Bernard gelangt unterdessen zurück nach Westworld. Er ist auf der Suche nach Maeve, um mit ihrer Hilfe den Kreuzzug von Dolores „Daenerys“ Abernathy aufzuhalten. Im geheimen Labor von Ford (R.I.P.) trifft er auf den verschollen geglaubten Stubbs, mit dem er sich zusammen tut.

Warworld

In Westworld gibt es, das wissen wir, insgesamt sechs Themenparks. Staffel 2 gibt Einblicke in Shogunworld, während wir in Staffel 3 nun Warworld mit seiner WW2-Narrative erleben. Auch wenn die Besucherzahlen wegen des Delos-Massakers komplett zusammen gebrochen sind, laufen die Parks erst einmal weiter – ungewiss ob der eigenen Zukunft. Maeve und Hector befinden sich also allein unter Hosts. Mit jeder Szene suggeriert der Dialog zwischen den beiden, dass sowohl Maeve als auch Hector die Erlebnisse am Ende von Staffel 2 als selbstbewusste Hosts überlebt haben und nun gemeinsam „der Hölle“ entkommen wollen. Bis zu dem Moment, als Hector Maeve Isabella nennt und Maeves Hoffnungen mit einem Mal zerschmettert werden. Es gibt keinen Hector. Ganz cool gemacht, dass man den Dialog auf zweifache Art interpretieren kann.

Die Cradle reloaded

Damit aber nicht genug. Maeve wird allmählich klar, dass sie sich in einer Simulation innerhalb einer Simulation befindet (ähnlich der Cradle mit ihrem Cinemascope-Format, bekannt u.a. aus Episode 2×06). Wir dürfen hier wieder einmal die großartige Thandie Newton erleben und ihre gedämpfte, aber echte emotionale Reaktion auf das allmähliche Auflösen all dieser Täuschungsebenen. Maeve erkennt also, dass sie umgeben ist von dilettantisch programmierten Abklatschen ihrer Freunde. So beginnt etwa Lee Sizemore (wuhu, he’s back!) sich auf einmal in Maeve zu verlieben. Die Reaktionen der Westworld-Kenner: „Errrm, nein?“ Und ich bin froh, dass sich das Ganze als schlechte Simulation herausstellt, denn der Dialog zwischen den beiden ist echt grottig.

Was ist die Wurzel aus -1?

Maeve selber, also ihre „chestnut“ (ihr Geistmodul), steckt in einem Tank fest, der ihren Geist in die Cradle-Simulation speist. Ziel dieser menschengemachten Manipulation ist das Erlangen von Informationen darüber, wohin die Schmiede mit all den hochgeladenen Informationen verschwunden ist. Eine bestürzende Erkenntnis, tief gefangen zu sein in Schichten von falscher Realität und keinen Ausweg zu finden (starke INSIDE-Vibes hier). Glücklicherweise ist es Maeve gewohnt, bei gezinkten Spielen zu gewinnen. Sie überlastet den Prozessor hinter der Simulation, indem sie Delos-Angestellten eine simple Matheaufgabe stellt. Eine ziemlich billige Methode, muss ich sagen, und von den Delos-Leuten irgendwie auch schlecht geschauspielert. Aber ok, kann man alles serienintern auf die armselige Qualität der Simulation zurückführen – was für ein Glück für die Serienmacher, huh?

Bernard und Stubbs

Bernard, der unterdessen in Westworld angekommen ist, trifft in Fords Labor auf Stubbs, der sich (missglückt) die letzte Kugel gegeben hat. Shoutout an dieser Stelle an Stubbs Schauspieler Luke Hemsworth und alle anderen Schauspieler, die in Westworld jemals glitchende Hosts spielen mussten: Immer wieder schön anzusehen. Bernard repariert Stubbs und gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach Maeve, während der Stubbs an die Delos Security gerät – und ich muss ehrlich sagen, dieser Kampf ist so schlecht, dass ich für eine Sekunde echt raus war. Sechs Leute mit MGs werden von einem einzelnen Typen mit ner Axt in den Arsch getreten? Sind die Delos-Leute mit dieser Nummer auf gleichem oder auf noch schlechterem Level als die Sturmtruppler aus Star Wars? Aber egal: bitte mehr von Bernard und Stubbs, die sich gegenseitig aufziehen. Das ist richtig guter Stoff.

Easter Egg-Combo

Guter Stoff ist auch das große Game of Thrones-Easter Egg. Auch wenn die Parks erst einmal auf kurze Sicht weiter laufen, machen sich zwei Angestellte (gespielt von den GoT-Showrunnern David Benioff und D.B. Weiss) dennoch Gedanken darüber, wie es mit ihnen und ihren Kreationen weitergeht. Explizit gemeint ist hier ein Drogon-Host aus dem vierten Themenpark Medieval World. „Hab nen Käufer aus Costa Rica!“ „Wie kriegen wir das Ding nach Costa Rica?“ „Na, in Einzelteilen! *Säge anschmeiß*“. Witzig. Und wieso Costa Rica? Weil Jurassic Park dort gedreht wurde. Noch witziger. Es wurden schon häufig Scherze darüber gerissen, dass Westeros sicher nur ein weiterer Themenpark neben Westworld sei. „Was liegt westlich von Westeros?“ Natürlich Westworld. Eine Theorie, die hier augenzwinkernd bestätigt wird. Eine weitere interessante Parallele, aber nicht unbedingt ein Easter Egg: die Kalkulationen der KI Rehoboam ähneln in ihrer Kreisförmigkeit der Sprache der Aliens aus Arrival. Diese Sprache kann sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft darstellen und gibt dem Zuseher einen Eindruck davon, dass Zeit nicht linear ist. Das passt perfekt auf Westworlds Erzählstruktur. Keine Ahnung, ob das Absicht ist, aber ein schmucker Zufall ist es auf jeden Fall.

Fazit

Maeve vs. Host-Hitler wäre wohl wirklich zu abgedroschen gewesen, aber man wird ja wohl noch träumen dürfen, nech? „Die Winterlinie“ beinhaltet zwei Plots: Plot A erzählt von Maeve, die Inception-mäßig in den Realitäten gefangen ist, ausbricht und zum Schluss bei Engerraund Serac (Vincent Cassel) landet, dem reichsten Mann der Welt und dem Besitzer von Incite Inc.. Serac benötigt Maeve, um Dolores als unkontrollierbare Variable auszuschalten. In Plot A passiert also was, zumindest am Ende. Plot B um Bernard jedoch handelt eigentlich nur davon, wie er und Stubbs sich finden und die Delos Security sich zum Affen macht. Bernards Selbstanalyse fördert keine neuen Infos zu Tage und Maeve finden sie freilich auch nicht, also ziehen sie unverrichteter Dinge wieder ab. Die Folge hat also ein bisschen den Beigeschmack von Bedeutungslosigkeit: Nazi-Spielereien, Cameo-Aufritte, Bernards Suche ohne Ergebnis, Lee Sizemore, der verliebt ist und dann auch wieder nicht – das alles ist eine spaßige Rückkehr zum alten Westworld, ja, aber irgendwie auch obsolet.

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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