Star Trek: Picard (Folge 1×10)

Und das wars. Staffelfinale bei Star Trek: Picard. Menschheit: Retten. Schurken: Abservieren. Ethische Herausforderung: mit Bravour bewältigen. Moralische Werte: Hochhalten. Sternenflotte: in altem/neuem Glanz erscheinen lassen. Abschied: Tränchen aus dem Auge wischen. Pärchen: Zusammenbringen. Und der Ausblick auf neue Abenteuer. Was will man mehr?

Picard ist auf Dr. Soongs Anwesen unter Hausarrest, Soji macht sich daran, Verbindung mit den menschheitszerstörenden künstlichen Intelligenzen herzustellen, 218 romulanische Kampfraumschiffe sind im Anflug und die Sternenflotte ist spät dran. Kurz gesagt: die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Auf der La Sirena machen Rios und Raffi den kaputten Antrieb mit dem Vorstellungskraft-getriebenen Wunderwerkzeug der Androiden wieder flott. Auf dem abgestürzten Borg-Kubus treffen Narek und Narissa aufeinander, er ist aus Androidenhausen entwischt, sie hatte sich aus dem letzten Kampf in ein sicheres Versteck gebeamt. Sie soll die Waffensysteme des Kubus aktivieren, er macht sich auf, die Rest-Besatzung der La Sirena für seine Zwecke einzuspannen. Nämlich den Sendemast für Sojis Botschaft zu zerstören, bevor sie senden kann. Dr. Soong hat mittlerweile Sutras Schurkerei durchschaut und schlägt sich auf die Seite der Sendemast-Attentäter. Agnes befreit Picard, sie flüchten zur La Sirena, wo sie den Rest der Truppe knapp verpassen. Picard hat mittlerweile begriffen, wie man moderne Raumschiffe steuert und fliegt los, um die romulanische Übermacht aufzuhalten bis die Sternenflotte eintrifft und Soji durch sein heroisches Opfer zum Verzicht auf allgemeine Menschheitszerstörung zu bewegen. Das hätte schiefgehen können, hätte Agnes Jurati nicht ein Händchen für das bei der Reparatur liegengebliebene Wunderwerkzeug …

Eine selbsterfüllende Prophezeiung

Die Auflösung von Star Trek: Picard hat etwas von Harry Potter. Da haben die Zhat Vash jahrzehntelang intrigiert, gemordet und zerstört, um zu verhindern, dass eine Prophezeiung wahr wird und je mehr sie intrigiert und gemordet und ihre vermeintliche Gegnerin verfolgt haben, haben sie dafür gesorgt, dass just diese Prophezeiung wahr wird. Denn so haben sie Soji geradezu in die Rolle geschubst, die Ruferin der menschheitszerstörenden Metallwürmer aus der anderen Dimension zu sein. Hätten sie das alles sein gelassen, wäre nichts passiert. Eine runde Sache. Allerdings führt es zu einem potenziell recht lahmen Finale. Soji lässt sich nicht in die ihr übergebügelte Rolle schubsen und überlegt es sich anders. Die menschheitszerstörenden Weltraumwürmer haben einen kurzen Auftritt und ziehen sich zurück. Im All stehen sich zwei Raumschiff-Flotten kampfbereit gegenüber und – die eine Seite gibt auf. Und der Borg-Kubus, der noch aktivierbare Waffensysteme hat, macht – nichts. Dass das trotzdem funktioniert, liegt allein an Picard, dessen hochpathetischer Idealismus und Appell an das Gute endlich einmal in dieser Staffel die alte Wirkung zeigen darf, nachdem er die ganzen früheren Folgen hindurch immer wieder in Frage gestellt worden war. Und so verzichtet man gern auf eine ganz große Weltraumschlacht aller gegen alle und erfreut sich statt dessen an guter alter Star Trek-Tradition.

Wie man den Kuchen aufisst und trotzdem behält

Die Angelsachsen haben die Spruchweisheit “You can’t have the cake and eat it”. Soll heißen, manchmal muss man sich entscheiden. Entweder man opfert eine Figur und schreibt ihr eine große Todesszene. Dann hat man zwar eine ergreifende Szene, muss aber in Zukunft ohne die umgebrachte Figur auskommen. Oder man lässt die Figur am Leben, dann hat man keine große Todesszene. Science Fiction macht es einem leicht, da muss nur jemand einen intergalaktischen Kuchenreplikator bauen und, schwupps, kann man den Kuchen essen und trotzdem aufheben. So wie Dr. Soong einfach das Bewusstsein eines Verstorbenen abspeichert und in einen neu gebauten Körper einsetzt. Allerdings, ein bischen gemogelt ist das schon. Und eine Wiederbelebung nimmt der großen Abschiedsszene nachträglich einiges an Größe. War ja alles nicht so gemeint. Star Trek: Picard schlägt genau diesen schwierigen Weg ein. Erst gönnt sich die Serie eine lange, rührende Todesszene für den Protagonisen, inklusive Trauermomente der Crew hinterher. Denn Picards tödliche Krankheit, die schon in den ersten Folgen thematisiert wurde, schlägt just in dem Moment zu, als er seine Mission erfolgreich beendet hat. Und dann gönnt die Serie sich eine beglückende Wiederbelebung und freie Fahrt in die nächste Staffel. Manch ein Zuschauer mag sich da auf den Arm genommen fühlen.

Und was ist mit Data?

Dafür nimmt der Handlungsfaden um Data genau den entgegengesetzten Kurs. Nachdem Data die ganze Staffel hindurch präsent war und seine Rekonstruktion, über die seit Jahren spekuliert wurde, immer mehr in den Bereich des Möglichen rückte, setzt Folge 10 hier einen ganz deutlichen Schlusspunkt. Was den einen oder anderen Fan vielleicht auch nicht glücklich macht. Aber dafür sind die Szenen mit Data, dessen Bewusstsein auf Dr. Soongs Computer abgespeichert ist, wieder einmal so emotionsgeladen und herzerwärmend, dass man es gar nicht anders haben will. Data will gelöscht werden, denn dann kann er das Gefühl haben, sterblich zu sein wie ein Mensch. Und menschlich wollte er ja immer sein. Andererseits, das ist Star Trek, wo Figuren gern zurück ins Leben geholt werden. Und einen Stecker, den man zieht, kann man auch wieder einstöpseln. Aber das wäre dann wirklich schade um diese Abschiedsszenen.

Schweigen Sie, um die Spannung zu erhöhen?

Von allen beiläufig eingeflochtenen Zitaten und ironischen Metaebene-Scherzen, an denen Star Trek: Picard so reich ist, machen bis zum Schluss die am meisten Spaß, die aus dem Mund von Agnes Jurati kommen. Diesmal darf sie sogar “Make it so!” sagen. Was viel lustiger ist, als wenn Picard selbst seine alte Dialogzeile benutzt hätte. Und sie findet genau die richtigen Worte für dieses so dreist offensichtlich platzierte Wunderwerkzeug, das einfach jede Gefahrensituation entschärfen kann. “Ach, hätten wir doch einen positronischen Dimensionsvertikutierer!” Oder so. Bei ihr hat man immer das Gefühl, dass sie heimlich das Drehbuch gelesen hat. Oder vielleicht sogar daran mitgeschrieben. Und trotzdem macht sie das nie zu einer überlegenen Besserwisserin, sie bleibt stets die verschüchterte Comedy-Nebenfigur und Antagonistin wider Willen. Von allen neuen Figuren in Star Trek: Picard ist sie, neben Raffi vielleicht, eine der gelungensten.

Insgesamt eine Abschlussfolge, die Spaß macht, so wie die ganze Staffel. Dafür, dass ich Star Trek immer eher aus dem Augenwinkel wahrgenommen habe und speziell in Star Trek: The Next Generation nie wirklich eingestiegen bin, konnte ich mich erstaunlich gut in Star Trek: Picard hineinfinden. Großartiger Hauptdarsteller, schön weiter entwickelte Hauptfigur. Neue Nebenfiguren mit Profil. Alte Bekannte, die das tun dürfen, was sie am besten können. Hübsch aufgerolltes Geheimnis, auch wenn die Informationsflut am Anfang etwas mühsam war. Aber eins piekt mich. Die Behälter, aus denen Raffi und Rios trauernd den mittelprächtigen Alkohol von Coppelius trinken… das sind doch Ikea-Vasen? Da bin ich ganz sicher. Genau so eine blaue, leicht gekrümmte Vase steht ab und zu auf meinem Küchentisch, mit einer einzigen Blume im engen Hals, und die stammt aus einem bekannten schwedischen Möbelhaus. Ich glaube, das macht mir Star Trek: Picard noch mal ein wenig sympathischer. So wie das Bügeleisen von Raumschiff Orion.

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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