Arcane (Staffel 2)

Als Arcane 2021 auf Netflix erschien, überraschte es in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur, dass es die Idee verfestigte, dass Videospiel-Adaptionen auf dem Bildschirm funktionieren können (und sogar eines Emmys würdig sind), es erweckte auch das weltweit beliebteste E-Sport-Franchise zu neuem Leben: League of Legends von Riot Games. Mit dem Erscheinen der zweiten Staffel am 23. November 2024 kommt nun die nächste Überraschung: Nach zwei Staffeln ist Schluss. Ein vorzeitiges Aus mitten in der Blütezeit? Nein: Ein geplantes Ende – und ein Sprungbrett zu vielen weiteren Geschichten aus dem LoL-Kosmos.

Nach dem Anschlag auf den Ratsturm ist ein offener Konflikt zwischen Piltover und Zaun nicht mehr zu vermeiden. Caitlyn (Katie Leung, Harry Potter und der Feuerkelch) übernimmt die Führung auf Seiten Piltover und wird zum Diktator, während Jinx (Ella Purnell, Fallout) damit zurecht kommen muss, dass sie von den Bürgern Zauns zur neuen Galionsfigur ihrer Rebellion auserkoren wurde. Unterdessen springt Viktor (Harry Lloyd, Game of Thrones) dem Tod von der Schippe und beginnt seine Existenz als Hybrid, während Jayce (Kevin Alejandro, Lucifer), Ekko (Reed Shannon) und Heimerdinger (Mick Wingert, What if…?) neue Sphären betreten.

Zwei Staffeln: Nicht mehr, nicht weniger

Originaltitel Arcane
Jahr 2024
Land USA/Frankreich
Episoden 9 (in Staffel 2)
Genre Drama, Action, Fantasy, Steampunk
Cast Powder/Jinx: Ella Purnell
Jayce Talis: Kevin Alejandro
Vi: Hailee Steinfeld
Caitlyn Kiramman: Katie Leung
Viktor: Harry Lloyd
Ekko: Reed Shannon
Mel Medarda: Toks Olagundoye
Ambessa Medarda: Ellen Thomas
Sevika: Amirah Vann
Cecil B. Heimerdinger: Mick Wingert
Veröffentlichung: 23. November 2024 auf Netflix

Nach nur zwei Staffeln geht der Animationserfolg von Netflix also zu Ende. Man mag sich wundern: Anderswo werden Stoffe ins Unendliche potenziert, bis nichts mehr übrig bleibt (die homöopathische Art), während bei Arcane der Riegel vorgeschoben wird, obwohl noch reichlich Stoff vorhanden wäre. Verwirrende Berichte darüber, dass doch eigentlich fünf Staffeln geplant waren, beruhten auf einem Missverständnis, welches vom League Of Legends-Schöpfer Marc Merill auf Reddit ausgeräumt wurde. In Budgetgesprächen ging es lediglich um die »Genehmigung von fünf Staffeln«, was nur bedeutete, dass der finanzielle Puffer für die Entwicklung gesichert war, was aber nie im Zusammenhang mit dem kreativen Konzept hinter der Serie stand. Seitens der Kreativabteilung waren für Arcane von Anfang an zwei Staffeln für den Abschluss der Geschichte geplant. In einer Zeit, in der immer mehr Serien vorzeitig mit einem Cliffhanger abgesetzt werden, einfach, weil sie sich nicht rentieren, ist es erfrischend zu hören, dass das Ende von Arcane das Ende ist, das die Macher immer geplant und die Fans verdient haben.

Music Videos all over the place

So richtig glauben mag man das zunächst jedoch nicht, kommt doch keine der ersten Episoden ohne das Music Video Syndrome aus – ein Kunstgriff, der eine charakterliche oder gesellschaftliche Entwicklung verkürzt auf den Punkt bringen soll und damit dem Zeitraffer dient. Musikvideos waren schon immer die Stärke von Riot Games; gut gemacht mit einer prägnanten Story und einer klar lesbaren, emotionalen Botschaft. Nicht umsonst gehen die Klickzahlen in die Millionen (z.B. »Warriors« mit derzeit 162 Mio. Klicks, Stand 15.12.2024). Auch Fortiche Production, das französische Animationsstudio hinter Arcane, verfügt über diese Musikvideo-Stärke und baut sie in Staffel 2 weiter aus. Völlig legitim, sieht auch extrem schmuck aus. Aber trotzdem ist diese ständige Beschleunigung der Geschichte auffällig und manchmal auch ermüdend. Man kann auf diese Weise zwar Geschichtsentwicklungen nachvollziehen, aber nie richtig fühlen.

Helden ohne Screentime und ohne Text

Die erste Staffel von Arcane ist ein in sich ruhendes Sahnestückchen, vollgepackt mit vielschichtigen Charakteren, die einen bei der Stange halten, und so gut erzählt, dass selbst jemand, der versehentlich mit Folge 3 in die Serie einsteigt und daher eigentlich nichts verstehen sollte, emotional voll dabei ist (z.B. ich, Anm. d. Red.). Jede Nebenfigur hat etwas zu erzählen. Erinnern wir uns noch an den Vollstrecker, der quasi zum Judas wird, Zaun verrät und dann mit seiner eigenen Tochter erpresst wird? Holy sheet. Und in Staffel 2? Da wird uns Loris präsentiert, dessen Namen man aber auch nur erfährt, wenn man googlet. Er ist der Best Buddy von Vi, eine integre und offensichtlich formidable Persönlichkeit, aber es gibt so gut wie keine Szenen oder Charaktermomente mit ihm. Ganz zu schweigen von der eklatanten Unterrepräsentation des schicksten Fischmenschen aller Zeiten (sein Name ist Steb, auch mal eben gegooglet). Sie führen so jemanden wie Steb ein, machen aber nichts aus ihm! Insgesamt ist das echt schade.

Als Gesamtpaket trotzdem tippitop

Charaktermomente und Paarentwicklungen, die sich langsam ergeben: Das fehlt in Staffel 2. Wenn es dann doch mal passiert und man sich viel Zeit für einen besonderen Fokus nimmt (natürlich mit einem tollen Musikvideo, freilich), dann wird das vom Publikum auch direkt mit einer Topwertung bei IMBD belohnt (Folge 2×07). Warum also nicht mehr davon, liebes Arcane-Studio? Aber gut: Arcane hat mit Staffel 1 ja schon ordentlich Vorarbeit geleistet, was die Charakterzeichnung anbelangt. Staffel 2 ist quasi ein einziger Payoff sämtlicher sorgfältig aufgezogener Stränge aus Staffel 1. Und das Beste ist: Die Serie bleibt dabei kohärent. Es mag billig sein, dass man heutzutage den eigentlichen Standard so hervorheben und feiern muss. Aber für Arcane gab es ganz offensichtlich ein staffelübergreifendes, komplett durchdachtes Konzept. Hallelujah. Die zweite Staffel wartet mit vielen Enthüllungen auf, deren Andeutungen man nun im Nachhinein erkennt und die auch neue Prämissen für die Storyentwicklung setzen. Wer sich fragt, warum Silco seinerzeit Powder (fast) ohne zu zögern bei sich aufgenommen hat, bekommt in Staffel 2 die Antwort.

Die Zukunft von Arcane

Arcane ist nun abgeschlossen, mit einem Grande Finale, in dem sich viele Charaktere zu ihrer Form als League of Legends-Champion entwickeln (bzw. das originale Champion-Design an das Arcane-Design angepasst wird). Dennoch ist das Ende überraschend offen, und auch Caitlyn gibt uns mit ihrem »Unsere Geschichte ist noch nicht vorbei« ein Versprechen für weitere Geschichten auf den Weg. Co-Creator Christian Linke bestätigt das: Arcane seit immer nur als erster Schritt betrachtet worden, um zu testen, ob Riot das Zeug dazu habe. Ob es die Figuren und die Möglichkeit des Geschichtenerzählers habe. Alles drei kann mittlerweile mit »Ja« beantworten. Huiui, Arcane soll also nur die Feuerprobe gewesen sein? »Wie sehr möchtest du tieftstapeln?« Christian Linke: »Yes.«

Fazit

Klingt nach viel Gemecker, und ja, ich bleibe dabei: Staffel 2 ist mir zu gerusht. ABER! Arcane bleibt einfach Peak Entertainment. Die Serie ist eine atemberaubende Kombination aus durchdachtem Writing, unglaublichen Animationen, tiefgründigen Charakteren und Momenten voller Impact. Insgesamt eine der unvorhersehbarsten und aufregendsten Animationsserien auf Netflix (und überhaupt), die weit über eine simple Videospieladaption hinausgeht.

© Netflix

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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