Arcane (Staffel 1)

Das von Riot Games entwickelte League of Legends (kurz: LoL) ist ein Titel, der wohl nicht nur Menschen, die sich gerne mit Videospielen beschäftigen, etwas sagt. 2009 als kostenfrei zugängliches MOBA (Multiplayer Online Battle Arena, quasi ein Online-Game, das auf den Multiplayer ausgelegt ist) gestartet, gehört es zu den erfolgreichsten Online-Games überhaupt. Da ist es keine Überraschung, dass zum zehnjährigen Jubiläum eine animierte Serie angekündigt wurde. Im November 2021 erschien Arcane, die angekündigte Serie, die nicht nur im LoL-Universum spielt, sondern eine Vorgeschichte zum Spiel darstellt. In neun Episoden, die über drei Wochen verteilt auf Netflix veröffentlicht wurden, wird eine packende Geschichte um Widerstand und Gerechtigkeit erzählt. Die überaus positive Resonanz auf die Serie mit Steampunk-Elementen war wohl eher nicht zu erahnen, denn nicht nur Fans des Spiels, sondern auch absolute Neulinge zeigen sich begeistert von der ersten Staffel. Was die von Riot Games und dem französischen Animationsstudio Fortiche produzierte Serie so gut macht, erfahrt ihr in unserem Review.

       

Vor Jahren versuchten die von Hunger und Verwahrlosung geplagten Menschen aus der Unterstadt Zaun, in das Gebiet von Piltover vorzudringen. Das Ergebnis war ein brutales Zurückstoßen durch die sogenannten “Vollstrecker” von Piltover. Die Schwestern Vi und Powder verlieren hierbei ihre Eltern. In den folgenden Jahren werden sie von Vander aufgezogen und betätigen sich an Diebstählen. Denn in der Unterstadt heißt es: Fressen oder gefressen werden. Während die Menschen in Piltover in Reichtum leben, herrscht durch die Armut in der Unterstadt Gewalt und Kriminalität. Als Vi und Powder mit ihren Freunden eine Wohnung in Piltover ausräumen, ahnen sie nicht, welche Konsequenzen das haben wird …

Zwei ungleiche Schwestern

Originaltitel Arcane
Jahr 2021
Land USA, Frankreich
Episoden 9 in Staffel 1
Genre Fantasy, Action, Drama
Cast Vi: Hailee Steinfeld
Powder/Jinx: Ella Purnell
Jayce Talis: Kevin Alejandro
Caitlyn Kiramman: Katie Leung
Viktor: Harry Lloyd
Silco: Jason Spisak
Mel Medarda: Toks Olagundoye
Vander: JB Blanc
Ekko: Reed Shannon
Veröffentlichung: 20. November 2021 auf Netflix

Bereits die ersten Minuten zeigen recht deutlich, was Zuschauer*innen bei Arcane erwartet. Die Schwestern Vi und Powder verlieren bei einem Aufstand ihre Eltern, werden jedoch von Vander gerettet. Dieses recht einschneidende Ereignis wird in nur wenigen Szenen erzählt, schafft es aber trotzdem deutlich zu machen, was genau gerade passiert und vor allem viele Emotionen zu transportieren. Es fällt auch deshalb nicht schwer, schnell eine Bindung zu den Hauptfiguren Vi und Powder aufzubauen. Vi versucht eine Art Vorbild für die anderen Kinder in Vanders Obhut zu sein und gleichzeitig ihre kleine Schwester Powder zu beschützen. Diese ist nämlich zunächst ein sehr tollpatschiges Mädchen, das noch dazu das jüngste Kind in der Gruppe ist. Sie kann oft nur bedingt bei wagehalsigen Situationen mithalten, möchte aber unbedingt helfen. Erst ein tragisches Ereignis reißt die Schwestern auseinander und prägt vor allem Powder ganz entscheidend. Wenn sie sich Jahre später gegenüber stehen, dann nennt diese sich nämlich “Jinx” und scheint mit dem fröhlichen Tollpatsch namens Powder nicht mehr viel gemeinsam zu haben. Dieser Konflikt bildet ein zentrales Element der ersten Staffel.

Sowohl für LoL-Fans als auch Neulinge geeignet

Die Charaktere stellen eine Mischung aus Champions (so werden die spielbaren Charaktere in LoL genannt) des Spiels und gänzlich neu entworfenen Figuren dar. Erfreulich ist hierbei, dass dieser Umstand der Serie keinesfalls anzumerken ist. Wer vollkommen ohne Vorwissen an die Serie geht, wird sicher nicht bemerken, welche Figur bereits in den Spielen existierten. Denn die Charaktere werden gelungen ausgebaut und präsentieren sich vor allem als überraschend komplex. Denn nach und nach zeigt sich, dass es keine vollkommen gute oder schlechte Seite gibt. Zu den wichtigsten Figuren gehört neben Vi, Powder und dem korrupten Silco in Zaun auch der ambitionierte Wissenschaftler Jayce aus Piltover, der Magie künstlich erschaffen und nutzen möchte. Seine Forschung wird zunächst abgelehnt, da diese als zu gefährlich gilt, doch in Victor, der ursprünglich selbst aus Zaun stammt, findet er einen Verbündeten. Gut befreundet ist er zudem mit der jüngeren Caitlyn, die entgegen dem Wunsch ihrer adeligen Familie einen Job als Vollstreckerin anstrebt. Erst nach und nach ergeben sich die Verbindungen zwischen den Charakteren und die Auswirkungen von deren Handeln auf beide Städte. Es kann jedoch gesagt werden, dass die Geschichte ihren Fokus auf Vi und Powder setzt. Immerhin beginnt die Serie auch mit der Vorgeschichte dieser beiden jungen Frauen. Dennoch fungiert die Serie eben auch als wichtige Entstehungsgeschichte der vier Champions Vi, Jinx, Caitlyn und Jayce. Durch die gute Ausarbeitung der Charaktere und die gelungene Darstellung der Welt, die Zuschauer*innen über die Laufzeit immer besser verstehen können, ist Arcane eine echte Glanzleistung gelungen. Denn egal ob man schon jahrelang leidenschaftlich LoL spielt oder dieses nur vom Hörensagen kennt: Die erste Staffel bietet für beide Gruppen eine spannende, mitreißende Geschichte mit interessanten Figuren.

Eine düstere Serie für ein älteres Publikum

Wie ein roter Faden zieht sich zudem eine durchgetaktete Narrative durch die Serie. Die Handlung schreitet schnell voran und es gibt einige nicht näher definierte Zeitsprünge, trotzdem wirkt es nie als sei etwas gehetzt. Die neun Episoden wurden von Netflix als sogenannte “Akte” veröffentlicht, wobei je drei Episoden einen Akt bilden. Inhaltlich ergeben diese ein sehr stimmiges Bild, denn sowohl der Sinn hinter der Aufteilung der Akte als auch eine durchgängige Geschichte erschließen sich. Klar ist auch, dass sich Arcane wie LoL an eine Zielgruppe richtet, die sich mindestens im älteren Jugendalter befindet. Denn zimperlich ist diese nicht, die häufigen und ausgesprochen spannend gestalteten Actionszenen sind zwar nicht unbedingt explizit, aber doch brutal. Gerade in der Unterstadt Zaun geht es sehr rau zu. Egal ob Mann oder Frau, ob Erwachsener oder Kind – hier ist niemand sicher und jeder kann womöglich ein unschönes Ende finden. Die Serie zeichnet das Bild eines Kontrastes zwischen der fortschrittlichen und strahlenden Stadt Piltover und der düsteren und von schonungsloser Kriminalität durchzogenen Unterstadt Zaun. Dieser ist auch wichtiger Teil der zentralen Themen der ersten Staffel: Familienzugehörigkeit, politische Verstrickungen und die Frage nach Gerechtigkeit. Denn die hohe Kriminalität hält sich die Bevölkerung von Piltover von der Unterstadt fern und setzt eher auf brutale Methoden anstatt tatsächlicher Problemlösung, gleichzeitig ist es nun einmal erst die Verwahrlosung und komplette Ignoranz gegenüber der in Zaun wohnenden Menschen, die zu dieser Situation geführt hat.

Sowohl visuell als auch akustisch eine Wucht

Fest steht, dass Arcane eine ausgesprochen hochwertige Produktion ist. Optisch macht die Serie sehr viel her und wirkt quasi wie ein kleines Kunstwerk. Der Stil ist eine Mischung aus klassischem 2D und computeranimiertem 3D, was das Schauen zu einem echten Genuss macht. Noch dazu sind die Animationen sehr flüssig und oft stilistisch so stark ausgeschmückt, dass man kaum glauben mag, wie viel Liebe zum Detail in eine einzige Actionszene geflossen ist. Musikalisch ist das LoL-Universum mit eigenen Hits wie “Legends Never Die”, “Get Jinxed” oder “Rise” schon lange eine Hausnummer, deren Bekanntheit über den Tellerrand der Spielerschaft hinausgeht. Da ist es kein Wunder, dass für das Opening “Enemy” mit der Band Imagine Dragons eine große Nummer engagiert wurde. Auch der Rest des Soundtracks ist ein wahrer Hörgenuss. Auf die Ohren gibt es ohnehin einiges, denn als Synchronsprecher*innen wurden im englischen Original etwa Hailee Steinfeld (Hawkeye) als Vi, Mia Sinclair Jenness (Fancy Nancy Clancy) bzw. Ella Purnell (Army of the Dead) als Powder bzw. Jinx, Kevin Alejandro (Lucifer) als Jayce und Katie Leung (Harry Potter und der Feuerkelch) als Caitlyn verpflichtet. Der Cast macht dabei eine sehr gute Arbeit und auch die deutsche Umsetzung kann sich hören lassen. Ein Schmankerl für LoL-Fans sind zudem sicherlich die zahlreichen Easter Eggs, z. B. wenn Jinx in einer Szene ihren eigenen Champ-Song, “Get Jinxed”, hört.

Fazit

Arcane präsentiert in der ersten Staffel eine sehr spannende, dichte Handlung mit komplexen Charakteren. Dass dies in nur neun Episoden gelingt, ist dabei definitiv beeindruckend, denn sowohl Längen als auch gehetzte Passagen sucht man vergeblich. Die Geschichte ist von der ersten Sekunde an packend und zu den Charakteren baut man schnell eine emotionale Bindung auf. Die Dramaturgie wird sehr gelungen aufgebaut und die zahlreichen explosiven und actionreichen Szenen sorgen für durchgehende Spannung. Das Sahnehäubchen ist dann die meisterliche visuelle Darstellung und der akustische Rundumschlag, denn bei beiden Aspekten wurden offensichtlich keine Kosten und Mühen gescheut. Durch dieses wundervolle Zusammenspiel wird Arcane zu einem echten Geniestreich, der dabei sowohl Hardcore-Fans des Spiels als auch absolute Neulinge fesseln und überzeugen kann. Ein Highlight, das man gesehen haben sollte!

© Netflix

Ayla

Ayla ist Schülerin und beschäftigt sich hobbymäßig mit allen möglichen Medien, ohne dabei Beschränkungen zu kennen. Dennoch ist sie vor allem ein Serien- & Game-Junkie und liebt besonders actionreiche und dramatische Inhalte, wobei sie gleichzeitig für viele kindliche Themen zu haben ist, weshalb sie weiterhin großer Disney-Fan ist. Abseits ihrer Leidenschaft des Sammelns ihrer Lieblingsmedien schreibt Ayla gerne selbst Geschichten oder zeichnet Bilder, um sich so zu entspannen.

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Totman Gehend
Mitglied
15. Dezember 2021 11:35

lol, ich bin bei der Serie aus Versehen mit Folge 3 eingestiegen und hab es einfach nicht gecheckt … und war totzdem ständig tief berührt ob der ganzen Dramatik, auch wenn ich niemanden kannte^^””” Props gehen also raus an Silco und seinen Wasser-Monolog. War genau der richtige Einstieg für mich. Der Mann hat mich gecasht.

Und was da audio-visuell passiert ist echt manchmal wahre Kunst. Diese Szenen-Montage von Ekko vs. Jinx hat mich echt beeindruckt.

Totman Gehend
Mitglied
Antwort an  Ayla
17. Dezember 2021 11:28

Und das Interssante ist ja, dass ich nicht gemerkt habe, dass ich in Folge 3 bin. Das ganze Ding war so aufgebaut, dass ich trotzdem alles irgendwie verstanden habe; die ganze Folge an sich war ne runde Sache. So muss wohl gutes Drehbuch gehen oder sowas.

Silco sagt zwar zum Ende zu Jinx “Ich hätt dich niemals verkauft”, aber ich glaube, er hätt’s gemacht – so kam es jedenfalls rüber in der Szene, wo die beiden Männer über den Deal gesprochen haben. Was meinst du?

Das stimmt; die Serie ist gut darin, wortlos Gefühle und Zustände und Beziehungen und ja sogar ganze Politik zu transportieren^^” Nur einmal ist mir der Ausdruck zu übertrieben gewesen, in Folge 3 als Jinx da auf ihrem Bett beinahe verrückt wird, weil sie verstoßen wurde. Wäre das moderater gewesen, hätt ichs eindrücklicher gefunden.
So ähnlich wie in Anime, wenn jemand stirbt – dann wird häufig darauf zurück gegriffen, dass der Trauernde daneben den Kopf in den Nacken wirft und wie am Spieß brüllt. Find ich jedes Mal too much^^”

Mort
Redakteur
7. Januar 2022 17:39

Endlich Arcane gesehen und bei allen Göttern wird die Serie dem Hype gerecht. Absolut Outstanding. Klare Empfehlung an allen Fronten und bitte bitte bitte nicht davon abhalten lassen, nur weil es auf League basiert. Würd sagen, man ist faktisch sogar besser dran, weil man nicht vorneweg die Endergebnisse mancher Charaktere kennt.
Puh, was für eine inszenatorische Wucht. Die Verknüpfung aus 2D und quasi-3D, das Licht, der Einsatz von Musik … und die Action … hat im wahrsten Sinne des Wortes ‘Punch’ dahinter. Jeder Charakter ein Treffer, großartiges Voiceacting … ich habe nur so viele Daumen, die ich nach oben recken kann.
Einziger Kritikpunkt: irgendwann ist es vorbei. Und ein böser gemeiner Part in mir fragt sich, ob sie die Qualität ernsthaft halten können. Wenn ja, dann werf ich einfach mal das Wort ‘Meisterwerk’ in die Runde.