Kuss um Mitternacht
Geschichten über ein zurückhaltendes, schüchternes Mädchen und einen bekannten Superstar sind bekannt und erinnern an die Story von Aschenputtel. Viele junge Frauen träumen davon, einmal ihren Prinzen zu finden und auf Händen getragen zu werden. So auch Hinana in Rin Mikimotos (Close to Heaven) Manga-Titel Kuss um Mitternacht, dessen letzter Band im Januar 2021 von Tokyopop in Deutschland veröffentlicht wurde. Ob die junge Schülerin in dem Schauspieler Kaede Hayase ihren Traumprinz findet, wie schwer sich eine Beziehung zu einem Mann im Rampenlicht entwickelt und was für Probleme auf die beiden warten, wird in zwölf Bänden anschaulich gezeigt. Auf geht’s in die Welt des Showbiz, kombiniert mit dem alltäglichen Leben.
Hinana Hanazawa ist eine ganz normale Schülerin. Ihr Alltag verläuft sehr geregelt und wiederholt sich immer wieder aufs Neue. Um 5 Uhr klingelt der Wecker, zehn Minuten später gießt sie ihre Zimmerpflanzen, danach wird der Stoff für den Tagesunterricht vorbereitet, 6.30 Uhr folgen die morgendlichen Gymnastikübungen nach den Anleitungen aus dem Radio und anschließend kommt das Frühstück dran. Bevor sie sich 20 Minuten nach Sieben auf den Weg zur Schule macht, versorgt sie noch ihre kleine Schwester und nach Schulschluss wird gelernt. Ihren wirklichen Wunsch verbirgt sie allerdings nicht nur vor ihrer Familie, sondern auch vor ihren Freunden: Einen festen Freund. Allerdings aber einen Prinzen, der sie auf Händen trägt und verwöhnt wie in einer kitschigen Romanze aus einem Liebesfilm. Hinanas durchstrukturiertes Leben ändert sich allerdings, als der gutaussehende Schauspieler Kaede Hayase an ihre Schule kommt, um dort seinen nächsten Film zu drehen, in dem Hinana als Mitglied des Schülerrats eine Statistenrolle erhält. Der Superstar ist jedoch anders, als man sich eine Berühmtheit vorstellt. Ein normaler Mensch und ein echter Gentleman, der Hinanas Herz schneller als gedacht für sich erobert. Allerdings hat er eine Faszination für weibliche Hintern.
Liebe, Kino und Romantik
Originaltitel | Gozen 0-ji, Kiss shi ni Kite yo |
Jahr | 2015 – 2020 |
Bände | 12 |
Genre | Romanze, Komödie |
Mangaka | Rin Mikimoto |
Verlag | Tokyopop (2017 – 2021) |
Seit Januar 2021 vollständig im Handel |
Hinana Hanazawa nimmt die Schule sehr ernst. Sie ist eine Musterschülerin, schlau, Klassensprecherin und im Schülerrat. Für viele Mitschüler gilt sie als großes Vorbild. Das Lernen ist ihr zwar wichtig, doch sie hat viele Geheimnisse. So tarnt sie sich beispielsweise in der Schulpause, da sie nicht ins Unterrichtsbuch vertieft ist, sondern sich zwischen den Seiten ein Klatschmagazin rund um Liebesgeschichten verbirgt. So versteckt sie ihre heimliche Liebe zur Romantik. Sogar vor ihrer Familie hält sie das geheim und geht an ihren freien Tagen nicht zum Lernen in die Bibliothek, sondern in ein einsames Kino, in dem sie den Saal für sich hat und wo die Liebesfilme auf sie warten. Im Kino entstehen schöne und liebevolle Szenen, allerdings kommen bei genauer Betrachtung Fragen auf, wie sich dieser Betrieb am Leben halten kann, wenn selbst am Wochenende nur eine Person eine Eintrittskarte kauft. Im Verlauf des Mangas kommt zwar noch eine zweite Person hinzu, was aber auch nicht zwangsläufig mehr Geld einbringt. Sei es drum, denn ohne diesen Kinobetrieb wäre eine Liebesgeschichte nicht in Gang gekommen und Szenen, die die Herzen von Schmachtgeschichten-Fans höherschlagen lassen und für einen roten Faden sorgen, hätten einen anderen Weg finden müssen.
In der Realität läuft es anders als im Märchen
Wer würde sich nicht einmal gerne mit einem berühmten Schauspieler unterhalten. Als durchsickert, dass Kaede Hayase für die Filmdreharbeiten an die Schule kommt, möchten alle anwesend sein, um ihn zu sehen. Das ist natürlich so nicht eingeplant. Dank des Mangels an Statisten darf der Schülerrat am schulfreien Tag einspringen und so nimmt eine Liebesgeschichte seinen Lauf. Völlig unerwartet trifft Hinana schon auf Kaede, der sich sogar bei Ihr entschuldigt, da er sie angerempelt hat. Was für ein Mann! Wie schnell so ein positiver Eindruck aber ins Wanken geraten kann, wird in der Drehpause deutlich. Bei der Arbeit professionell, hat Kaede im Privatleben ganz andere Vorlieben, denn sein Blick richtet sich nicht auf das Tennisspiel, das vor seinen Augen stattfindet, sondern auf die Hintern der Spielerinnen, die sich verausgaben. Er ist zwar ein Po-Fetischist, aber auch ehrlich, authentisch und aufrichtig, daher erzählt Hinana ihm, als sie im leeren Kinosaal aufeinandertreffen die Wahrheit, dass sie sich erträumt, ein Leben wie in diesem Liebesfilm zu führen. Diese Mischung aus Liebesszenen und schmutzigen Passagen mag seltsam wirken, jedoch schafft es Rin Mikimoto im Laufe der Reihe den Blick auf Hinterteile abzulegen und so Kaedes Veränderung deutlich zu machen.
Liebe auf Abwegen
Einige Wendungen fädelt Rin Mikimoto geschickt ein. So kennt Kaede bis zum zweiten Band nicht einmal Hinanas Namen. Auf den ersten Blick wirkt es seltsam, dass er sie nicht bereits bei ihren Treffen während den Dreharbeiten in der Schule, in den Pausen oder im Kino gefragt hat. Noch merkwürdiger ist seine Aktion auf dem Schulgelände, als er ihr seine Handynummer gibt. Er geht allerdings geschickt vor, denn diese Aktion ist ein Zeichen, dass er mit Hinana in Kontakt bleiben möchte, denn er fordert sie auf, ihn anzurufen, um ihm ihren Namen zu nennen. Ein gewiefter Schachzug. Was wäre allerdings eine Liebesgeschichte ohne einen Leidtragenden, heimlich in die Protagonistin verliebten Kindheitsfreund. Akira, genannt A-Chan, ist mit Hinana aufgewachsen und ihr Nachbar. Seine Gefühle sind von Beginn an spürbar. Für Hinana gehört er auch zur Familie, und besonders für ihre kleine Schwester ist er wie ein große Bruder, der sich um sie kümmert. Typischerweise erkennt Hinana die Gefühle nicht, dafür aber Kaede. Der Kampf um die Frau ist eröffnet und Akira ist es egal, ob er sich einem Star in den Weg stellt. Das Prinzip der Handlung ist nichts neues. Klischees werden ausgiebig bedient, was bei der Fanbase immer gut ankommt.
Was für ein Mann
Welches Mädchen, das von einem Mann liebevolle Sätze hört, kann nicht auf Wolke Sieben schweben? So auch Hinana bei Kaedes Geständnis. Denn sie sieht ihn nicht durch einen Star-Filter, wenn sie mit ihm zusammen ist. Bei ihr kann er sich einfach so geben, wie er ist. Dass sie sich immer bedankt oder entschuldigt, hat es ihm angetan. Sie kann gut kochen und er findet es charmant, dass sie so schnell rot wird. Auch wenn man es ihr nicht ansieht, ist sie hart im Nehmen und das alles findet er sexy. Zudem liebt er ihre süße Stimme. Kaede hat keine Bedenken, sich als 24-jähriger mit einem Mädchen im Alter von 16 Jahren zu treffen. Allerdings wäre das für die Presse und eventuell auch für einige Leser des Mangas ein gefundenes Fressen. Die beiden treffen sich regelmäßig, aber das Ganze muss geheim bleiben, da so eine Beziehung rechtliche Probleme mit sich bringen würde. Paparazzi können doch schnell zur Stelle sein. Neben der geheimen Beziehung der beiden spielt auch Kaedes Trennung von seiner ehemaligen Band „Funny Bone“ eine Rolle, denn neben negativen Schlagzeilen sorgt sie auch bei ihm für emotionale Probleme. Auch hinter einem Star verbirgt sich eben ein normaler Mensch.
Was das Herz begehrt
Der Zeichenstil bietet eine passende Mischung aus detaillierten Bildern, in denen das unterschiedliche Verhalten der Figuren (vor allem bei Kaede) während der Arbeit und privat deutlich gezeigt wird. Einige Szenen, in denen die Hauptfiguren als Chibis dargestellt werden, lockern die Seiten auf. Große und zu den Liebesszenen passende Panels gehören dazu. Allerdings wird Kaedes Altersklasse durch verruchte Szenen verdeutlicht. Der wörtlich übersetzt Originaltitel „Komm um Mitternacht, um mich zu küssen“ kann etwa darauf auch hinweisen. Die Optik der Figuren verändert sich ebenfalls regelmäßig. Kaedes verschiedene Rollen als Arzt, Polizist, Geheimagent und Scharfschütze bringen dies natürlich mit, aber auch Hinana hat immer wieder eine andere Frisur. Im Vorwort betont die Mangaka, dass sie einmal eine richtig romantische Liebesgeschichte entwerfen wollte und daraus ist nun Kuss um Mitternacht entstanden, für dessen Handlung sie ausgiebig Klatsch und Tratsch der Promiwelt studierte. Im Lauf der Handlung geraten einige Nebencharaktere stark in Vergessenheit, was zu Beginn nicht zu erwarten ist. Als bestes Beispiel sei hier Hinanas Schulfreundin genannt, die im ersten Band noch wie eine wichtige Figur wirkt. Die Dynamik zwischen Hinana und Kaede stehen eben im Mittelpunkt und reißt die Leser regelrecht mit.
Fazit
Kuss um Mitternacht ist eine typische Geschichte über das schüchterne, unscheinbare Mädchen und den Superstar, die mich von Anfang bis zum Schluss mitgezogen hat. Die Geschichte bedient sich mehreren Hauptpunkten: Hinana und Kaede müssen ihre Beziehung vor allen verstecken, während diese immer intensiver wird. Kaedes Trennung von seiner Band und die Gefühle von Hinanas Jugendfreund Akira. Viele Drehungen und Wendungen sind vorhersehbar, aber der Charme der Charaktere trägt die Geschichte. Die Handlung ist lustig und süß, realistische Momente kommen zum Tragen und Spannung ist dabei. Durch das alles geht Geschichte auch zügig voran und zieht sich nicht unnötig in die Länge. Durch das Cinderella-Prinzip, was die Suche nach dem Traumprinzen beschreibt, wird die Reihe kitschig, aber das stört mich nicht, denn ich lese solche Geschichten wahnsinnig gerne. Als Einziges hat mich von Anfang an der Altersunterschied der beiden etwas zum Nachdenken gebracht. Kaede geht das Ganze sehr locker an und hält sich auch nicht zurück. Obwohl Hinana für ihr Alter sehr erwachsen wirkt, haben mich manche Szenen doch etwas hin und hergerissen. Aber die Reihe lohnt sich auf jeden Fall für jeden, der klassische Liebesgeschichten mag.