Unfinished

Noch vor ein paar Jahren hätten man den Begriff “Yakuza” erklären müssen. Mittlerweile weiß auch das deutsche Publikum: Das sind die Herren aus Japan, die dort für das organisierte Verbrechen zuständig sind. Die mit den schicken Anzügen oder gar zu grellen Streetwear-Klamotten und den großflächigen Tattoos, die mit Wumme und Katana gleichermaßen virtuos ihre Gegner niedermetzeln. Im japanischen Kino haben sie ein ganzes Genre für sich. Das Regisseur-Viergespann Yuki Kobayashi, Kiyoto Naruse, Yuugo Sakamoto, Yoshihiro Nishimura (Kodoku Meatball Machine) machte 2019 aus altbekannten Versatzstücken des Genres Unfinished eine temporeiche zehnteilige Serie für einen japanischen Streamingdienst. Eine Spielfilm-Zusammenfassung von Unfinished war 2020 auf dem Japan-Filmfest zu sehen.

 

Student Ryou stellt keine großen Ansprüche an das Leben. Kiffen mit den Kumpels und Sex mit seiner Freundin reichen schon. Immerhin: ein Yakuza will er nicht werden, so tief will er nicht sinken. Doch das ändert sich. Der Stoff ist alle und in einem Nachtclub eine Kassette mit rauchbarem Inhalt zu klauen, stellt sich als sehr schlechte Idee heraus. Denn dass ihm auf der Flucht ein netter Herr mit allzu schickem Anzug und beängstigendem Gewaltpotenzial aus der Klemme hilft, ist nur auf den ersten Blick ein Glücksfall. Von nun an wird Ryou mehr und mehr in die Welt der Yakuza hineingezogen. Auch wenn er sich als Nachwuchsgangster selten dämlich anstellt. In einer Mischung aus Todesangst und Faszination kann er sich aus dem Milieu nicht mehr lösen und bringt es sogar zu einem eindrucksvollen Yakuza-Rückentattoo. Das, wie der Titel schon vorwegnimmt, unvollendet bleiben wird. So wie aus Ryou auch einfach kein richtiger Gangster werden will.

Willkommen in der Welt der Yakuza

Originaltitel Sujibori
Jahr 2019
Land Japan
Genre Action, Komödie
Regie Yuki Kobayashi, Kiyoto Naruse, Yuugo Sakamoto, Yoshihiro Nishimura
Laufzeit 119 Minuten

Es gibt Dinge, die machen den Kino-Yakuza aus, wie den Cowboy der Hut und der Revolver. Die prächtigen Tattoos. Die Kunst, erlesen geschmacklose Kleidung mit überdimensionalem Selbstbewusstsein zu tragen. Der blitzschnelle Wechsel vom Plauderton zu einschüchterndem Gebrüll. Die Bereitschaft, jederzeit eine Waffe zu zücken und den Gegenüber ohne Vorwarnung niederzumähen. Das epische Schreiten in Zeitlupe durch nachtdunkle Straßen, am besten in der Gruppe. Die Fähigkeit, jeglichen Alltagsgegenstand in eine tödliche Waffe zu verwandeln, die man dem Gegner in verwundbare Körperpartien rammt. Unfinished bringt sie alle. Ein Film als Enzyklopädie der coolsten Yakuza-Momente aller Zeiten. Das ganze schnell, grotesk, überzeichnet und mit viel Freude am Klischee. Die Macher müssen jede Menge Yakuza-Filme geschaut und alle ihre Lieblingsstellen in Unfinished verwurstet haben.

Wildes Grimassieren, jede Menge Kämpfe und ein unübersichtlicher Plot

Japanische Schauspieltechnik kann für westliche Betrachter schon gewöhnungsbedürftig sein. Mal agieren Schauspieler selbst in hochemotionalen Momenten absolut minimalistisch und in Gesichtern zuckt kein Muskel. Dann wieder wird gnadenlos überagiert, jede Emotion wird zur Grimasse. Und so stolpert Ryou mit schreckgeweiteten Augen und sperrangelweit aufgerissenem Mund durch die Welt des organisierten Verbrechens. Was der Sache sehr viel an Ernsthaftigkeit nimmt. Und worum geht es eigentlich? Jede Menge Gründe, einander abzuschlachten, für die Ehre, für die Rache, für die Vorherrschaft in der Stadt, für die Aufrechterhaltung der Hierarchie in den eigenen Reihen. Aber ein Plot? Eher eine Abfolge von Episoden, wie es bei einer auf Spielfilm-Format gestutzten Serie nicht anders sein kann. Mehrmals hintereinander scheint das große Finale statt zu finden, doch dann kommt noch eins. Und noch eins. Aber egal, einen Plot braucht das ganze eigentlich nicht, Hauptsache, Yakuza bekommen Gelegenheit, das zu tun, was sie am besten können.

Fazit

Ein Film, der vermutlich umso mehr Spaß macht, je mehr japanische Gangsterfilme man gesehen hat. Aber auch als Einstiegsdroge in das Genre funktioniert er gut, vor allem für die Zuschauer, die ihren Humor gern schwarz aber schlicht mögen und Spaß an Dutzenden von Varianten den Gegner zu meucheln haben. Für manch anderen erschließt sich die Faszination von grimassierendem Overacting und einer nicht enden wollenden Abfolge von überdrehtem Gemetzel wohl eher nicht.

© Japan Shock

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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