Space Sweepers
Wie so viele für das Jahr 2020 angedachte Kinoproduktionen wurde auch der koreanische Sci-Fi-Film Space Sweepers von Sung-hee Jo (Phantom Detective) dank einer gewissen Pandemie immer wieder verschoben. Mit anhaltend geschlossenen Kinos schlug dann Schnäppchenjäger Netflix zu und brachte den als Blockbuster angedachten Streifen rund um eine illustre Crew von Weltraummüll-Sammlern im Februar 2021 schließlich auf der eigenen Streaming-Plattform heraus.
In nicht allzu ferner Zukunft im Jahr 2092 ist das Leben auf der überfüllten und durch Umweltverschmutzung erkrankten Erde kaum mehr zu ertragen. Die Atmosphäre ist eine toxische Suppe, die nur noch mit schwerer Atemmaske konsumiert werden sollte. Wer es sich leisten kann, den zieht es deswegen eher in den Weltraum außerhalb der Atmosphäre. Die paradiesischen Lebensbedingungen in der Kuppel des den Orbit beherrschenden Großkonzerns UTS sind allerdings nur einer reichen Elite vorbehalten. UTS-Mogul James Sullivan arbeitet jedoch schon am nächsten Coup: Eine Kolonie auf dem Planeten Mars, der mit Nanotechnologie und genetisch optimierten Pflanzen in einen bewohnbaren Garten Eden verwandelt werden soll. Um diese Vision in die Tat umzusetzen, werden keine Mühen gescheut, oft jedoch auf Kosten des irdischen Ökosystems, dessen Kollaps Sullivan damit nur beschleunigt. Auch dadurch hat er den Zorn einer Gruppe radikaler Terroristen namens Black Foxes auf sich gezogen, die anscheinend einen Anschlag mit einer Wasserstoffbombe plant, die in einem Androiden in der Gestalt eines kleinen unschuldigen Kindes namens Dorothy zum Einsatz gebracht werden soll. Doch im Orbit lauert die Gefahr nicht nur in Form explodierender Kinder. Weltraummüll ist ebenfalls ein Problem, welcher mit der Geschwindigkeit von Pistolenkugel durch das Vakuum saust und eine Bedrohung für die vielen orbitalen Stationen und Anlagen darstellt. Damit betraut diesen Müll einzusammeln, sind die titulierenden Space Sweepers, die für einen Hungerlohn darum wetteifern, ihre Beute einzufangen und in einer Recyclingfabrik in genug Geld fürs Überleben umzumünzen.
Bunch of Badasses doing Badass-Stuff in Space
Originaltitel | Seungriho |
Jahr | 2021 |
Land | Südkorea |
Genre | Science-Fiction, Action |
Regie | Sung-hee Jo |
Cast | Tae-ho: Song Joong-Ki Jang: Kim Tae-ri Tiger Park: Seon-kyu Jin Bubs: Hae-Jin Yoo / Hyang-gi Kim Sullivan: Richard Armitage Dorothy / Kot-nim: Ye-Rin Park |
Laufzeit | 137 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 5. Februar 2021 auf Netflix |
Ein berüchtigtes und unter den Weltraum-Müllmännern auch etwas gefürchtetes Schiff ist dabei die Victory, ein für diese Art von Arbeit seltsam hochgerüstetes Weltraumgefährt. Das allein macht jedoch nicht den Unterschied. Mehr ist es die aus allerlei Hintergründen zusammengewürfelte Crew. Diese besteht aus dem Piloten Tae-ho, einem ehemaliger Space Guard, dem militärischen Arm von UTS; dem Mechaniker Tiger Park, ehemaliger Boss einer Drogenbande auf der Erde; Killerroboter Bubs, die, um sich in der eigenen Haut wohlzufühlen, erste einmal auf deren Kauf sparen muss und Kapitänin Jang, hinter der man die massenhaft abgesonderte Coolness mit einem Mob aufwischen könnte. Besonders die Crew der Victory anfangs kennenzulernen, gehört zu der stärksten Phase des Films. Etwa wenn diese unter den Sweepern nicht gerade beliebte Mannschaft ihren Kollegen mit waghalsigen Hochgeschwindigkeitsmanövern die Beute wegschnappt oder sich das Quartett aus asozialen Einzelkönnern versucht, das eh schon knappe Geld beim Kartenspiel gegenseitig aus den Taschen zu mogeln, zu bedrohen und zu prügeln. Ein Haufen Außenseiter im Weltraum mit zwielichtiger Vergangenheit, Misstrauen untereinander und andauernd knapp bei Kasse? Fans von Titeln wie Cowboy Bebop, Firefly oder Guardians of the Galaxy dürften sich schnell wohlfühlen. Dass die Victory bei ihrem neuesten Beutezug jedoch ausgerechnet ein Wrack aufgabelt, an dessen Bord sich die laufende Bombe Dorothy befindet, scheint zunächst zum krankhaften Pech der Crew zu passen. Dorothy an die gefährlichen Black Foxes zurück zu verkaufen, könnte jedoch auch den bitter nötigen Geldsegen bedeuten.
Die Entdeckung der Space-Soapera
So überzeugend die Anfangsphase ist, so sehr lässt der Film nach dem ersten Drittel nach. Ohne zu viel zu verraten: Die Dinge sind natürlich nicht so wie sie scheinen. Dorothy heißt eigentlich Kot-nim und ist viel zu menschlich und liebenswert (und hat viel zu viele Körperfunktionen), um nur eine wandelnde Bombe zu sein. Auch James Sullivan, von dem das Narrativ der Black Foxes als Terrororganisation ausgeht, ist nicht der Steve Jobs’sche Visionär und Heilsbringer, als der er sich gerne inszeniert. Im Zusammenspiel mit der zuckerguss-süßen Kot-nim darf die hartgesottene Victory-Crew natürlich schnell zeigen, dass sie eigentlich ein Herz aus Gold hat und trotz der harten Schale im Grunde gut ist. Auch eine tragische Hintergrundgeschichte von Tae-ho versucht ausgiebig die Tränendrüsen zu stimulieren. Zwischen temporeicher und optisch ansprechender Weltraumaction, die durchaus das Gefühl einer großen Kinoproduktion erweckt, gerät Space Sweepers stellenweise so auch zu einer rührseligen Dramedy-Soap.
Suchtprobleme: Schauspieler und Monolog(e)
Neben dem überzeugenden Hauptcast um Song Joong-Ki (Arthdal Chronicles), Kim Tae-ri (Die Taschendiebin) und Seon-kyu Jin (Kingdom) wartet der über weite Strecken zweisprachige Film (Koreanisch und Englisch) zudem noch mit Richard Armitage (Berlin Station) in der Rolle von Antagonist Sullivan auf. Leider offenbart sich an ihm eine weitere Schwäche des Films. Auch wenn Armitage ein toller und charismatischer Schauspieler ist (den ich persönlich auch gerne sehe), erlaubt man ihm in diesen Film leider, einer Verlockung zu erliegen, bei der viele Schauspieler schwach werden. Eine Kunstform, die leider schnell zu einer Todsünde geraten kann: der Monolog. Leider bleibt es jedoch nicht beim Singular. Es kommen Monologe – viele Monologe, gefühlt 10.000. Schlimmer noch: Es kommen Bösewicht-Monologe. Und noch schlimmer: Es kommen Bösewicht-Monologe in einer böse verzerrten Bösewicht-Stimme, da Sullivan mit irgendwas infiziert ist, das ihn gelegentlich zum Hulk werden lässt, wenn er wütend wird. Sowohl die ausufernde Menge an rührenden Familienmomenten zwischen Kot-nim und der Victory-Crew wie auch die geduldzehrenden Böses-Genie-Monologe von Sullivan sorgen dafür, dass der vielleicht auch etwas zu umfangreich geratene und schlecht getaktete Film trotz vieler spektakulärer Actionsequenzen einen ausgeprägten Hang zur Langatmigkeit hat.
Fazit
Vielleicht kennst du es, liebe*r Leser*in: Man schaut sich komplett erwartungsfrei einen Trailer an und weiß danach sofort: Yep, das ist mein Shit. Das werde ich mögen. So ging es mir mit Space Sweepers, da ich eine Schwäche für zusammengewürfelte Außenseitercrews im Weltraum habe. Zunächst werden diese Erwartungen auch zu hundert Prozent erfüllt, bis der Film mit ganzer Kraft dazu übergeht, zu zeigen, wie sich diese Außenseiter über ein Kind zu einer Familie entwickeln. Während diese zunehmend triefige Rührseligkeit noch zu ertragen ist und auch durchaus Erfolge erzielt (ja, okay, ich hab geheult), ist Sullivan mit seinen sich kaugummigleich dahinziehenden Monologen eine Qual und kann locker bei allen Kriterien ein Häkchen setzen, die einen schlechten Bösewicht ausmachen, der einen komplett am Popo vorbeigeht. Es ist ein böser Dude, der die Welt zerstören will, mehr muss man eigentlich nicht wissen und könnte die Szenen mit ihm auch überspringen. Subjektiv sind meine Erwartungen enttäuscht genug für eine mittelmäßige Bewertung, aber objektiv ist der Film noch durchaus unterhaltsames Popcornkino, das gut aussieht und auch Spaß machen kann.
© Netflix