Moonfall

Katastrophenfilme finden auch 2022 ihren Weg auf die Leinwand. Roland Emmerich, der unter anderem mit Godzilla, Independence Day und The Day After Tomorrow erfolgreiche Blockbuster ablieferte, widmet sein am 27. Mai 2022 veröffentlichtes Werk Moonfall dem Mond. Dieser droht nicht nur auf die Erde herabzustürzen, sondern birgt auch noch ein ganz eigenes Geheimnis. Zeit für Popcornkino, bei dem es ordentlich kracht und knallt und alles in Schutt und Asche gelegt wird? Das hätte es werden können, wenn … ja, wenn Emmerich bei diesem Thema geblieben wäre und seinem Drang, zwischenmenschliche Dramen in seinen Filmen unterzubringen, widerstanden hätte. Hat er aber leider nicht.

Die Astronauten Jocinda „Jo“ Fowler und Brian Harper werden im Weltraum von etwas Unbekanntem angegriffen, wobei ihr Kollege sein Leben verliert. Infolgedessen wird Brian, der für den Vorfall verantwortlich gemacht wird, aus der NASA entlassen, während Jo weiter Karriere macht. Zehn Jahre später entdeckt K.C. Houseman bei einer illegalen Aktion, dass der Mond sich nicht mehr in seiner Umlaufbahn befindet. Die NASA entsendet einen Erkundungstrupp zum Mond, doch dieser wird vernichtet. Bei ihren Nachforschungen stellt Jo fest, dass der NASA schon lange bekannt ist, dass auf dem Mond etwas nicht stimmt und Brian zu Unrecht beschuldigt wurde. Durch die Veröffentlichungen K.C.s im Internet ist eine Massenpanik entstanden, die durch Umweltkatastrophen neue Nahrung erhält. Jo, die die Leitung über das Projekt hat, will Brian mit einem Expertenteam erneut zum Mond schicken, um die Katastrophe aufzuhalten.

Stereotype Charaktere in klischeehaften Rollen

Originaltitel Moonfall
Jahr 2022
Land USA
Genre Science-Fiction, Katastrophenfil
Regie Roland Emmerich
Cast Jocinda ‘Jo’ Fowler: Halle Berry
Brian Harper: Patrick Wilson
KC Houseman: John Bradley
Sonny Harper: Charlie Plummer
Tom Lopez: Michael Peña
Brenda Lopez: Carolina Bartczak
Mosley: Chris Sandiford
Johansen: Jonathan Maxwell Silver
Holdenfield: Donald Sutherland
Laufzeit 130 Minuten
FSK
Veröffentlichung 27. Mai 2022

Der abgehalfterte Ex-Astronaut, die Badass-Karrierefrau, der nerdige Verschwörungstheoretiker, die Exfrau mit neuen, wohlhabenden Partner, der rebellische Sohn, diverse Familienangehörige sowie einige unnötig aufgebauschte Nebenrollen – die Palette an Figuren ist groß und unübersichtlich, da es keine Gewichtung in wichtig und unwichtig gibt. Somit sind auch belanglose Personen mit zu viel Background ausgestattet und beanspruchen damit zu viel Aufmerksamkeit. Diese sollte besser auf der ausschweifend erzählten Handlung liegen, um den Faden nicht zu verlieren, da sich die Geschichte nach einem langsamen Start sehr sprunghaft entwickelt und Nebenschauplätze aufgemacht werden, die vielleicht besser mit anderen Stilmitteln hätten dargestellt werden können. Hinsichtlich der Charakterentwicklung müssen die Zuschauer*innen sich keine Sorgen machen. Diese findet nämlich so gut wie überhaupt nicht statt. Auch die Entwicklung der zwischenmenschlichen Beziehungen ist häufig nicht nachvollziehbar. So hat Brians Sohn Sonny Harper (Charlie Plummer, Words on Bathroom Walls) zunächst Probleme mit seinem Vater und auch mit seinem Stiefvater, doch alle Unstimmigkeiten scheinen sich zum Ende hin einfach in Luft aufzulösen. Aber das dürfte den Zuschauer*innen an dieser Stelle auch schon gleichgültig sein, da es keinen Charakter gibt, zu dem eine emotionale Bindung entstehen könnte. Das liegt an der mangelnden Fokussierung auf einzelne Figuren sowie der eindimensionalen Darstellung der Protagonisten, die beliebig austauschbar wirken, wenn sie nicht gar Platzhalterfunktion haben.

Verschwendete Talente

Den Schauspielern ist kein Vorwurf zu machen. Innerhalb des vorgegeben Rahmens spielen sie ihre Charaktere gut, das Starangebot ist allerdings auch gewaltig: Halle Berry (James Bond 007 – Stirb an einem anderen Tag), Patrick Wilson (Conjuring 3: Im Bann des Teufels), John Bradley-West (Game of Thrones) und Michael Peña (Ant-Man), um nur einige zu nennen. Doch auch sie retten die Geschichte nicht, die mit einem interessanten Plot aufwartet, sich in ihren Nebenschauplätzen verliert, statt sich auf das eigentliche Thema mit der KI im Mond zu konzentrieren. Roland Emmerich verfällt erneut seiner Neigung, zu viel Stoff in zu wenig Zeit unterbringen zu wollen. Dadurch wirken die zwischenmenschlichen Dramen auf einer immer weiter zerstörten Erde deplatziert und ziehen die Aufmerksamkeit von der doch recht komplexen Hauptgeschichte mit der extraterrestrischen KI ab. Das führt nach einem langsamen Beginn und einem spannenden mittleren Teil mit gut inszenierten Actionszenen zu einem unbefriedigenden Ende. Dieses wirkt durch den Zeitmangel zum Schluss hin abrupt und undurchdacht, wofür nicht jede Frage eine Antwort findet. Dafür haben die Zuschauer*innen eventuell das Gefühl, zwei Filme mit unterschiedlichen Themen gleichzeitig gesehen zu haben.

Fazit

Wer die fehlende Charakterbildung und einige Logikfehler ignorieren kann und für mehrere Handlungsstränge gleichzeitig offen ist, für den ist Roland Emmerichs Moonfall durchaus ein netter Zeitvertreib. Die Actionszenen können sich sehen lassen, die CGI-Effekte wirken realistisch und die eine oder andere humorvolle Szene lässt schmunzeln, wie zum Beispiel die aussagekräftige Aufschrift des Space Shuttle “Endeavor”, welches die Helden aus dem Museum entwenden. Auch musikalisch gibt es nichts auszusetzen, hier liefert Thomas Wander (Midway – Für die Freiheit) wie gewohnt solide Klänge ab. Wer aber den Ankündigungen nach eine reine Science-Fiction-Story erwartet, der dürfte enttäuscht nach Hause gehen, da das Geheimnis des Mondes sich gegen Melodramen behaupten muss, die der Hauptstory die Kraft rauben. Und die Frage, ob die Tabletten nun wichtig sind, bleibt ebenfalls offen.

Zweite Meinung:

Mensch, Herr Emmerich, vielleicht ist es kein cleverer Schachzug, zur Promotion von Moonfall darüber zu schimpfen, dass Marvel-Filme das Kino zerstören würden. Denn hält man dann ein Moonfall dagegen, das einem erzählerischen Totalausfall gleichkommt, wird unweigerlich das Sprichwort mit dem berühmten Glashaus bedient. Was will der Film denn eigentlich nun sein? Katastrophen-Reißer? Verschwörungs-Thriller? Weltraum-Abenteuer? Familiendrama? Science-Fiction-Epos? Survival-Krimi? Zerstörungsorgie?  Von allem etwas und das auf Kosten von Logik (draußen geht die Welt unter und alles bebt, aber es muss erstmal einen geben, der von Raum zu Raum rennt und jeden darauf hinweist), Charakterisierung und Erzählkunst. Wie üblich spult Emmerich nebenbei mal wieder seine Familie-Jedermann-im-Fadenkreuz-des-Bösen-Nummer ab, was angesichts der Enthüllungen im All nun wirklich niemanden mehr interessiert. Zudem sah der Untergang der Welt selten so steril und leblos aus wie hier. Das genüsslich-trashige Ende hilft allerdings auch nicht mehr, um diesen außer Kontrolle geratenen Film zurück in seine Umlaufbahn zu befördern.

© Leonine


Veröffentlichung: 24. Juni 2022

 

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