Are You Lonesome Tonight?
Ein Mann, der überzeugt ist, einen Mord verübt zu haben. Die Witwe des Opfers. Ein Ermittler auf den Fersen des Täters. In Wen Shipeis Are You Lonesome Tonight? überschneiden sich die Schicksale dreier Figuren. Der chinesische Regie-Debütant setzt dabei auf stimmungsvolle Bilder mit einer Ästhetik à la Film Noir und entfacht ein Schuld-und-Sühne-Drama mit einer komplexen Erzählstruktur. Ein Film, der auf dem Fantasy Filmfest 2021 thematisch außer Konkurrenz lief. Der deutsche Kinostart erfolgte am 27. Januar 2022.
In einer dunklen Nacht baut Wang Xueming (Eddie Peng, The Great Wall) einen Unfall, bei dem er mit seinem Auto einen Fußgänger erwischt. Völlig überfordert von der Situation fährt er davon. In den Tagen darauf macht sich Schuld in ihm breit, die ihn zunehmend zur Verzweiflung treibt. Als er herausfindet, wer der Tote ist, beginnt er, sich dessen Frau Liang Ma (Sylvia Chang, Mad Mission) anzunähern. Er ist vollkommen davon überzeugt, am Tod des Mannes schuldig zu sein. Bis herausgefunden wird, dass die Leiche des Mannes von Kugeln durchlöchert aufgefunden wurde. Der Ermittler Chen (Wang Yanhui, On Your Mark) ist fasziniert von diesem Fall.
Jahre später finden sich alle Drei in einem Netz aus Erinnerungen und Lügen wieder – wer deckt die Wahrheit auf?
Schuld-und-Sühne-Drama
Originaltitel | Re dai wang shi |
Jahr | 2021 |
Land | China |
Genre | Drama, Krimi |
Regie | Wen Shipei |
Cast | Wang Xueming: Eddie Peng Liang Ma: Sylvie Chang Chen Er: Wang Yanhui |
Laufzeit | 95 Minuten |
FSK | unbekannt |
Kinostart: 27. Januar 2022 |
Are You Lonesome Tonight? ist einer jener Filme, bei denen es am besten ist, vollkommen unvoreingenommen auf sie zuzugehen. Dazu gehört das Vermeiden von Spoilern ebenso wie zu viele Informationen – auf beides verzichten wir in diesem Artikel. Noch nicht einmal der Trailer sollte vorab angesehen werden, zumal dieser ohnehin einen falschen Eindruck der Produktion vermittelt. Wichtig zu wissen ist nur, dass man sich auf ein komplexes und verschachteltes Schuld-und-Sühne-Drama einlässt, das nicht ganz leicht zu überblicken (und zu verdauen) ist. Das sollte die einzige Grundlage sein, die darüber entscheidet, ob man sich auf den Film nun einlassen möchte oder nicht.
Anspruchsvolles Arthouse-Cinema
Bereits durch den Plot verdeutlicht sich von selbst, dass die Erzählung auf eine stringente Abhandlung verzichtet. Mittels Rückblenden, achronologischer Struktur und sich wiederholender Handlung, die durch neue Perspektiven ergänzt wird, ergibt sich das große Ganze. Dafür eignen sich Xuemings verschwommene Erinnerungen selbstverständlich perfekt. Am Ende liegen alle enthüllten Lügen und Motivationen auf dem Tisch und auch erst dann ist klar, was hier eigentlich wirklich Sache ist. Auf erzählerischer Ebene greift Puzzleteil in Puzzleteil und wer gerne mitdenkt und -rätselt, wird wahre Freude an diesem Film haben. Ein wirklicher Genre-Film ist das allerdings nicht: Auf einen mitreißenden Thriller sollte man sich nicht einstellen, sondern eher auf ein kunstvolles Kriminal-Drama, das mit etwas gutem Willen noch als Gangsterfilm durchgehen könnte. Besonderes Augenmerk verlangt in diesem arthousigen Dunstkreis die ausdrucksstarke Inszenierung. Bereits die offiziellen Pressefotos und das Key Visual stehen stellvertretend für das verlockende Farbenspiel, das Are You Lonesome Tonight? an den Tag legt. Mit einem immersiven Sounddesign und durchdachter Beleuchtung entsteht eine intensive Film Noir-Atmosphäre. Hinzu kommen tolle provinzielle Locations, die man in dieser Form noch nicht häufig gesehen hat.
Fazit
Are You Lonesome Tonight? ist ein emotionales, verschachteltes und kathartisches Drama, das den klassischen Strukturen entweicht. Die Geschichte aus mehreren Perspektiven erweist sich als reizvoll erzählt. Ein narratives Wollknäul, das sauber Faden für Faden auseinander gezurrt wird, um mit seinem durchdachten Drehbuch zu faszinieren. All das würde nicht ohne die starke Inszenierung von Wen Shipei funktionieren, der ein intensives Erstwerk abliefert, das in Sachen Storytelling mit den ganz Großen mithalten kann.
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