Das Unglück am Djatlow-Pass
Das Unglück am Djatlow-Pass im Jahr 1959 inspirierte schon viele Filme und Serien wie etwa die Miniserie Djatlow-Pass – Tod im Schnee (2020). Der ungeklärte Tod von neun Skiwanderern im nördlichen Ural in der Sowjetunion stellt bis heute ein ungeklärtes Mysterium dar, dessen Interpretationen von Außerirdischen und Yetis bis hin zu einer Beseitigung der Regierung nach Entdeckung einer geheimen Forschungsstation reichen. Am 22. Mai 2024 veröffentlichte der Splitter Verlag die Graphic Novel Das Unglück am Djatlow-Pass des Autors Cédric Mayen und des Künstlers Jandro Gonzalez. Ob diese neue Ansätze verfolgt?
Im Januar 1959 beginnt eine Gruppe erfahrener Alpinisten eine ambitionierte Expedition im Uralgebirge. Keiner der neun Männer und Frauen kehrt zurück. Einen Monat später wird Staatsanwalt Lev Ivanov, der »Schnüffler von Swerdlowsk«, gerufen, um bei der Suche nach den Leichen zu helfen. Obwohl sie bald fündig werden, tun sich für Ivanov zahlreiche Rätsel auf: Warum hatten die Bergsteiger sich voneinander getrennt? Warum tragen einige von ihnen keine Schuhe im Schnee? Und warum haben einige Wunden erlitten, die auf einen Angriff hindeuten? Und – vielleicht am wichtigsten – warum scheint keinem seiner Vorgesetzten wirklich daran gelegen zu sein, dass Ivanov den Fall aufklärt?
Mysterium in Sepia
Originaltitel | Le Mystère du col Dyatlov |
Jahr | 2023 |
Ursprungsland | Frankreich |
Bände | 1 |
Genre | Krimi |
Autor | Cédric Mayen |
Zeichner | Jandro Gonzalez |
Verlag | Splitter (2024) |
Veröffentlichung: 22. Mai 2024 |
Im Mittelpunkt des Bandes steht der (vermutlich fiktive) Ermittler Lew Nikititsch Iwanow. Ein offenbar schlauer Kopf mit deduktiven Fähigkeiten, der am 26. Februar 1959 von oberster Stelle mit der Aufklärung des Verschwindens der Gruppe betraut wird, also noch ehe die ersten Toten gefunden werden. Er ist es auch, durch dessen Perspektive die Erlebnisse rekonstruiert werden. Besonders interessant ist hierbei der Kniff, dass Iwanow sich selbst innerhalb der Szenerie befindet und wie ein Teil der Gruppe wirkt, ohne aber dass er ins Geschehen eingreifen kann. Er wird andersfarbig hervorgehoben, sodass klar wird, dass es sich hierbei um einen Blick in seine Fantasie handelt. Er wirft auch eine Menge Fragen auf: Wieso sind zwei Tote bei der Eiseskälte nur leicht bekleidet und tragen keine Schuhe – mehrere hundert Meter von ihrem Zelt entfernt? Warum wurde dieses von innen aufgeschnitten? Warum weisen die Toten Verletzungen und Verbrennungen auf? Und sogar erhöhte Radioaktivität? Alles Rätsel, die nach dem späteren Fund weiterer Leichen, die teilweise übel zugerichtet sind, nur noch größer werden. Bald merkt Iwanow, dass er bei seinen Ermittlungen ausgebremst wird. Man will den Fall schleunigst abschließen und lässt beispielsweise bei den Obduktionen zahlreiche Details unter den Tisch fallen. Offiziell starben die Wanderer entweder an Unterkühlung oder durch ein Unglück.
Spannung ohne Auflösung
In den sepiafarben gestalteten Episoden vor dem verhängnisvollen Tag lernen wir die Wanderer kennen, die fast allesamt Freunde sind. Man scherzt gerne, freut sich auf das Abenteuer, und es herrscht weitgehend Harmonie. Die Figuren sind nicht sonderlich stark charakterisiert, haben aber ihre kleinen Momente, die sie nahbarer machen. Etwa wenn eines der Mädchen seine Tage hat und deswegen im Zelt flachliegt. Die Geschichte besitzt einen guten Erzählfluss, das macht es leicht, ihr zu folgen. Die Ermittlungen setzen sich in erdigen Farben ab und zeigen den mutmaßlichen Ereignisverlauf auf. Das fällt mitunter relativ spannend aus, wie aber im Bereich des Erwartbaren liegend bekommen wir keine Auflösung des Falls geboten. Vielleicht wäre es hier eine mutige Entscheidung gewesen, sich für eine Theorie festzulegen und diese, wenngleich fiktiv, konsequent bis zum Ende zu verfolgen. Zum Teil sind die Zeichnungen sehr detailliert (insbesondere wenn es in Richtung Autopsie geht), auch wenn die Figuren selbst es nicht sind. Im Dossier im Anhang kommen einige Experten und Wissenschaftler zu Wort. Insgesamt umfasst der Hardcover-Band 104 Seiten und lässt sich gut an einem Abend am Stück weglesen.
Fazit
Wer sich mit dem Unglück am Djatlow-Pass bereits beschäftigt hat (es gibt mittlerweile genügend Stoff, der sich darum dreht), wird von dieser Graphic Novel fasziniert sein. Was hier erzählt wird, ist eine spannende, doch im Vergleich zu den wilden Spekulationen, eine erfrischend nüchterne Betrachtung. Eine stimmungsvolle Aufarbeitung eines jahrzehntealten Mysteriums, das von einem eindringlichen Artwork getragen wird.
© Splitter