Brüder der Finsternis

Manche Bücher lassen sich nicht voneinander trennen. Sie hängen zusammen, sind ineinander verwoben und ergeben ein noch größeres Ganzes als es ein Einzelwerk es je könnte. Für so ein Projekt haben sich Werner Graf mit Sterbende Götter und Jacqueline Mayerhofer mit Brüder der Finsternis gefunden, die beide eine literarische Heimat im Verlag ohneohren gefunden haben. Unabhängig voneinander, aber mit Überschneidungen, haben sie ihre Bücher geschrieben. In Jacqueline Mayerhofers Roman verfolgen wir die außergewöhnliche Coming-of-Age Geschichte von Connel, der gegen gesellschaftliche Zwänge und die Missstände seiner Welt aufbegehrt und dabei auf der Suche nach einem jahrhundertealten Rätsel ist …

   

Connel ist der Erbe der Jhissino AG. Sein Weg scheint vorgezeichnet zu sein, doch er möchte sich nicht den gesellschaftlichen Normen seiner Spezies unterwerfen, die er noch nie verstand. Zusammen mit seinen Freunden erlebt er auf seinem Schiff, der „Albenträne“ Abenteuer. Doch als seine Eltern ihn zwingen wollen, dass er sein Erbe antritt und er bei einem Auftrag mehr über die Vergangenheit seiner Spezies erfährt, hat er erst recht einen Grund, zu rebellieren. Auf der Suche nach Antworten begegnet er Feinden und Freunden und muss versuchen, die eigenen Prinzipien nicht zu verletzen.

Rebellion auf mehreren Ebenen

Originaltitel Brüder der Finsternis
Ursprungsland Österreich
Jahr 2018
Typ Roman
Bände 1
Genre Science-Fiction
Autorin Jacqueline Mayerhofer
Verlag Verlag ohneohren

Connel ist von Kindheitsbeinen an regelrecht dafür vorherbestimmt, zu rebellieren. Er ist anders als die anderen Jhisseri und versteht nicht, warum man nie Gefühle zeigen darf, warum man immer nur effiziente und erfolgsorientierte Entscheidungen treffen darf. Einzig Admiral Droi unterstützt seine Andersartigkeit. Zusammen mit seiner kleinen Crew übernimmt Connel Aufträge für die Firma der Jhisseri, deren Vorstand seine Eltern bilden. Diese hoffen, dass er irgendwann Vernunft annimmt und ihr Nachfolger wird, um die Macht der Jhisseri zu vergrößern. Doch je mehr Connel über die ausbeuterischen Machenschaften seiner Spezies erfährt, desto weniger ist er bereit dafür. So rebelliert er nicht nur gegen seine Eltern, sondern auch gegen den Weg, dem die Jhisseri folgen und der in weiterem Leid enden könnte. An einigen Stellen im Buch schafft es die Autorin, einem regelrecht Cyberpunk-Bilder in den Kopf zu schreiben. Zwar driftet Brüder der Finsternis nie wirklich in diese Richtung ab, jedoch muss man bei den ausbeuterischen Tätigkeiten der Jhissino AG öfters einmal an die düsteren Zukunftsvisionen dieses Genres denken.

Die Geschichte wiederholt sich

Einst mussten die Jhisseri von ihrem Heimatplaneten fliehen, da er von der Weltenfresser-Waffe zerstört wurde. Seitdem herrscht ein prekäres Verhältnis Raviel, welche für die Vernichtung verantwortlich sind. Die Nachfahren dieser Flüchtlinge sind auf der Suche nach einer neuen Heimat, doch scheinen sie sich nicht mit der Bitte um Aufnahme zu begnügen, sondern verbinden damit auch gleich die Unterdrückung einer anderen Spezies. So leidet seit Jahrhunderten Pokdärvis unter der Ausbeutung der Jhisseri. Die Pokis rebellieren gegen ihre Behandlung, fallen dadurch jedoch nur in einen Kreislauf aus Rassissmus und Leid. Auch auf Enmea machen sich die Jhisseri breit und beuten den Planeten aus. So entsteht ein weiterer
Kreislauf, bei dem die Stärkeren sich die Schwächeren von den Schuhsohlen abputzen wollen. Jacqueline Mayerhofer beweist hier ein Gespür für Gesellschaftskritik und zeigt, dass Hass nur neuen Hass schafft und Gewalt neue Gewalt. Jedoch schafft sie es auch, Hoffnung zu zeigen, denn manchmal bedarf es nur weniger mutiger Personen, die dagegen aufbegehren und versuchen, den Kreislauf zu durchbrechen.

Komplizierte Beziehungen

Ein Firmenerbe, der rebelliert. Ein Androide, der oft fast schon menschlich wirkt. Eine Enmeanerin, die ausgerechnet in der Crew eines Jhisseris landet – dessen Spezies doch für die Ausbeutung und Versklavung ihres Heimatplaneten zuständig ist. Mit Hilfe solcher Konstellationen schafft es Jacqueline Mayerhofer auch in Brüder der Finsternis zu zeigen, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt, sondern auch noch viele Grauabstufungen. Feinde werden zu Freunden und alle eint dasselbe Ziel. Auch schafft es die Autorin erneut, den Figuren spannende Hintergrundgeschichten zu geben. Allen voran ist dabei Leyxor, der Androide und beste Freund von Connel. Doch wie kann eine Maschine diese Position einnehmen? In Momenten des Zorns versucht Connel dann auch, Distanz zu schaffen, indem er ihn als Maschine oder Diener bezeichnet. Doch auch der Firmenerbe wird noch einiges über seinen Freund lernen müssen, denn Leyxor ist regelmäßig für Überraschungen gut.

Außergewöhnliche Entstehungshistorie

Wie direkt zu Beginn dieses Textes erwähnt, überschneidet sich die Geschichte in Brüder der Finsternis stark mit dem Buch Sterbende Götter von Werner Graf. So beschreiben die beiden Autor*innen im Vorwort, dass der Planet Pokdärvis, sowie die Pokis und die Jhisseri aus dem Ideenpool von Jacqueline Mayerhofer. Auch hat sie die beiden Spezies mit einer Vergangenheit ausgestattet. Dagegen stammen die Enmeaner und was die Jhissino AG mit deren Planeten Enmea vorhat, samt dessen Verfallsprozess, von Werner Graf. Figuren tauchen im Buch des jeweils anderen auf, Szenen ergänzen sich um weitere Elemente, wenn man beide Bücher liest. Ebenfalls ungewöhnlich ist, dass Connels Geschichte schon als eine Art Auftaktroman erschien, jedoch wieder in die Schublade wandern musste. Jetzt haben die ehemals drei Kurzgeschichten ein Romankleid bekommen. Zu Beginn spürt man diese Vergangenheit noch ein bisschen, jedoch schafft es die Autorin schnell, ihre Verknüpfungen in den gewohnt flüssigen Schreibstil überzuleiten.

Fazit

Der Einstieg in die Geschichte fiel mir ein wenig schwer, was sich zum Glück schnell legte. Ich mag die Beziehungen, die Jacqueline Mayerhofer hier beschreibt. Wieder kann sie mit einem Androiden glänzen, der eine besondere Art aufweist. Ich glaube, ich muss ihr demnächst empfehlen, einen reinen KI Roman zu schreiben, das wird bestimmt super! Bei ernsten Thematiken wie Unterdrückung und Rebellion verliert die Autorin nie aus den Augen, dass auch amüsante Situationen nötig sind, um eine Geschichte rund zu machen. Jeder Charakter trägt dazu bei, dass die Handlung mehr als nur eine Aneinanderreihung von Plotpoints ist. Schön ist auch, dass im Nachwort erwähnt wird, dass man zumindest von den Kopfgeldjäger*innen irgendwann noch mehr lesen wird dürfen!

© Verlag ohneohren

MadameMelli

MadameMelli ist im Berufsalltag als Informationsninja unterwegs und hilft Suchenden, die passende Literatur zu finden. In ihrem Freundeskreis ist sie als Waschbär bekannt und dementsprechend ist auch kaum ein Buch, Manga oder Comic (oder Tee) vor ihr sicher – alles wird in die Hand genommen, begutachtet und bei Gefallen mit nach Hause geschleppt. Nur nicht gewaschen, das wäre zu viel des Guten. Sinniert gerade darüber, ob es als Waschbär sehr gefährlich ist, Wölfe zu lieben, lässt sich davon aber nicht abhalten und schreibt in ihrer Freizeit selbst Geschichten. Manchmal auch über Wölfe. Oder Tee.

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