Murderbot (Folge 1×06)
Folge 6 von Murderbot (»Befehlskette«) ist ein Wechselbad der Gefühle. Murderbot agiert in seinen drei Rollen als Helfer, Fremdling … und schließlich Henker. Päng; ein Kopfschuss, der alles verändert. Murderbot bleibt pragmatisch, die Crew traumatisiert. Langsam beginnen die Menschen, ihren Bodyguard als das kennenzulernen, was er ist.
Inhaltsangabe:
Nachdem in Folge 5 die Bake explodiert ist, sind Mensah und Murderbot gestrandet. Der Hopper will nicht starten, die Kabel sind im Arsch und das Reparaturhandbuch fehlt, da Murderbot den Speicherplatz lieber für die 19. Staffel von »Sanctuary Moon« freigemacht hat. Es ist das erste Mal, dass Mensah wütend wird und Murderbot sich für seinen Fehler schämt. Anders als in der »Sanctuary Moon«-Folge, in der die gestrandeten Figuren romantische Momente erleben und alles prima ist, hat Murderbot seine eigene Strandung mit Mensah verkackt.
Als Mensah eine weitere Panikattacke erleidet, nutzt Murderbot »Sanctuary Moon«, um Mensah zu beruhigen – mit Erfolg. Doch dann klappt Murderbot um, weil es vom Absturz beschädigt ist und deswegen Schmiermittel (= Blut) verliert. Mensah koppelt Murderbot an den Hopper, um es mit Nachschub zu versorgen. Murderbot, nun wieder online, erkennt seine Kompatibilität mit dem Schiff und hat eine Idee. Mensah wagt einen improvisierten Eingriff und entnimmt Murderbot einen Teil seiner neuralen Rückenverbindung, um damit die kaputten Kabel des Hoppers zu überbrücken. Der Plan klappt.
Unterdessen versucht LeeBeeBee im Habitat mit Smooth Talk Zugang zum Perservation-Team und zu dessen Informationen zu bekommen. Gurathin bleibt der verschlossene Bock, der er immer ist (zum Glück). Da LeeBeeBee nicht weiterkommt, zückt sie die Waffe: Daten her oder einer stirbt!
Im rechten Moment kehren Murderbot und Mensah zurück. Murderbot schießt LeeBeeBee den Kopf weg – Schockmoment für alle. Die Crew reagiert traumatisiert und verunsichert auf Murderbots brutales Vorgehen.
Murderbot selbst bleibt ruhig und stellt fest: Es hat gut getan, jemanden zu töten.
Zwei Tropes: »Der Outcast« und die »Found Family«
Die Geschichte von Murderbot folgt einer bekannten Grundstruktur: Ein Außenseiter mit konträren Ansichten und/oder Wesensart wird Teil einer fremden Gruppe/Familie und muss sich zurechtfinden. Meistens gehen die Storybeats dahin, dass der Außenseiter über seinen eigenen Schatten springt und sich teilweise anpasst, während die Gruppe auf der anderen Seite lernt, die Eigenheiten des Außenseiters zu tolerieren und eventuell zu lieben. Bei Murderbot befinden wir uns immer noch in der skeptischen Phase. Die Gruppe und der Außenseiter tänzeln misstrauisch umeinander herum, obgleich Ratthi ganz klar »gute Vibes« spürt. Mensah ist diejenige, die Murderbot das meiste Vertrauen entgegenbringt. Doch auch sie zeigt in dieser Folge eine interessante Ambivalenz.
Murderbot ist cute – die Soap-Szene
Als Murderbot sie mit einer »Sanctuary Moon«-Folge beruhigen will, ist Mensah sichtlich bewegt. Murderbot versucht auf seine eigene unbeholfene und asoziale Art zu helfen. Ihr Blick ist mütterlich, fast zärtlich. Wir, das Publikum, wissen aber, dass Murderbots Beweggründe in erster Linie erst einmal von pragmatischer Natur sind. Es fürchtet, dass Mensahs Angstzustand ansteckend sein könnte, und versucht deshalb, dagegen anzugehen. Seine Unwissenheit über Gefühle und den angemessenen Umgang mit ihnen zeigt sich auch darin, wie schnell Murderbot wieder »back to work« will, sobald Mensah auch nur die leisesten Anzeichen von Besserung zeigt.
Murderbot ist strange – die Spinalkanal-Szene
Mensah verspürt also Zuneigung. Jedoch: Als Murderbot sich niederkniet und dabei seinen geöffneten Spinalkanal entblößt, kippt nicht nur die Musik in den diffus-disharmonischen Bereich, sondern auch Mensahs Wahrnehmung. Aus Mensahs mütterlichem Blick wird etwas … anderes. Sie erkennt, dass ihre Vermenschlichung von Murderbot nicht ohne Risse vonstattengeht. Eine bewusste Inszenierung auf mehreren Ebenen. Die Regie zeigt, wie schnell vermeintliche Nähe reißen kann und das beklemmende Gefühl von Fremdheit wieder die Oberhand gewinnt.
Murderbot ist »Hell, no!« – die Exekutionsszene
Der finale Riss entsteht, wenn Murderbot LeeBeeBee ohne Ultimatum den Kopf wegpustet. Für unsere pazifistisch und empathisch denkenden Space-Hippies ist das eine Grenzlinie, die ihr Vertrauen hart auf die Probe stellt. Murderbot ist das herzlich egal. Wie wir schon im Artikel zur »Menschelnden K.I.« festgestellt haben, will Murderbot kein Mensch sein und sich auch nicht angleichen. Ganz im Gegenteil: Murderbot kommt zu der Selbsterkenntnis, dass es sich gut angefühlt hat, LeeBeeBee zu erschießen. Damit muss es nicht zwingend den Tötungsakt als solchen gemeint haben, sondern vielleicht den Umstand, dass es zum ersten Mal frei nach eigenen Gefühlen handeln konnte. Es bleibt also abzuwarten, inwieweit Murderbot das fröhliche Trope der »Found Family« erfüllen wird.
Fazit
Viel Drama dieses Mal (und trotzdem schaffen es die Showrunner, immer wieder kleine Comedy-Momente einzubauen: »Who is little Jemmy? ó_ò«). Durch LeeBeeBees Tod wird die Vertrauensstruktur zerrüttet und auch Mensahs Wahrnehmung bekommt eine Delle: Sie sieht in Murderbot zunehmend mehr als eine Maschine, was ihre Gefühle für Murderbot auch so prekär macht. Denn je mehr Murderbot menschelt, desto schwerer wiegt auch jede Brutalität, die von ihm ausgeht.
Ach ja, und LeeBeeBee war also doch »nur« eine Spionin der geheimen dritten Partei und kein Konstrukt. Thema abgehakt. Ciao Kakao!
© Apple TV+