Neues vom US-Comicmarkt (April 2019)
In diesem Format stellen wir euch ausgewählte aktuelle Comics des US-Markts vor, die wir monatlich begleiten.
Helden haben Probleme. Menschen haben Probleme. Helden sind auch nur Menschen. Wally West ist nur ein Mensch, weshalb auch er Probleme hat. Wegen seiner Probleme begeht er einen Fehler, der ihm nicht passieren sollte, der einem Helden nicht passieren sollte. Doch Helden sind nur Menschen und diese machen Fehler. Statt sich seinen Fehlern zu stellen, nutzt er all seine Kräfte und sein Wissen, um die Tat zu verschleiern. Gleichzeitig macht er alle Videos von Sanctuary öffentlich, um noch einmal zu zeigen, dass alle Helden am Ende nur Menschen sind. Es war seine Entscheidung, an jedem Punkt seines Plans. Als er Sanctuary zerstörte. Als er Harley und Booster Gold gegeneinander ausspielte. Auch sein “Ich” aus der Zukunft zu töten, war Teil von etwas Größerem. Denn die Ablenkung gab ihm fünf Tage Zeit, Zeit die er braucht um auf etwas hinzuarbeiten.
Mit der vorletzten Ausgabe von Heroes in Crisis hat Autor Tom King die Fans gespalten. Sogar Todesdrohungen an ihn und seine Familie gab es für die Art, wie er mit Wally West umgeht. Für mich persönlich sind die Gründe nachvollziehbar und diese haben noch einmal verstärkt, um was es in Heroes in Crisis geht: Die psychischen Probleme der Helden. Tom King arbeitet seit der ersten Ausgabe daran zu zeigen, was kleine Probleme mit den Helden machen und mit der Auflösung der Morde von Sanctuary – die in Wirklichkeit keine waren – wird gezeigt, was passiert, wenn die psychischen Probleme bei Menschen mit Kräften Überhand nehmen. Wally West ist mental schwer angeschlagen und es lässt ihn Dinge tun, die sonst für ihn nicht in Frage kommen würden. All das scheint einem Plan zu folgen und ich bin jetzt sehr auf den Abschluss gespannt. Ich denke es wird notwendig sein, die Serie als Gesamtpaket zu lesen um das Finale richtig zu genießen.
Der Krieg ist zuende, eine stehende Armee unnötig. Ehemalige Soldaten versuchen, sich wieder in ein normales Leben einzufügen. Manch einer wendet sich der Kriminalität zu, manche finden einen Job und einige werden Dedektive mit Lizenz: sogenannte Fairmen. Jennifer Faulds gab sich als Mann aus, um im Krieg mitzukämpfen und ist nun die einzige Fairlady des Landes. In der Zeit zwischen zwei Auftägen widmet sie sich den Fällen, die sonst niemanden interessieren. Im ersten Kapitel von Fairlady wird sie beauftragt, eine Buchhalterin zu finden, die ihrem Arbeitgeber Geld schuldet. Schnell wird klar, dass sie nicht nur diesem Geld schuldet und auch andere nach ihr suchen. Doch diese anderen sind nicht so ehrenhaft wie Jennifer Faulds.
Fairlady von Brian Schirmer (Ultrasylvania) beginnt direkt mit einer Konfrontation und stellt die Verhältnisse der Welt klar. Jennifer Faulds’ Begleitung ist ein tigerartiges Wesen, die anscheinend keinen Respekt in der Welt genießen. So begeht ihr Gegenüber den Fehler, ihn als Jennifers Kater zu bezeichnen. Prompt bekommt er einen Kinnhaken und “fliegt” zur Deko aufs Titelblatt. Auch sonst merkt man im ersten Kapitel, dass die beiden Hauptfiguren eine besondere Beziehung haben, die oft gar nicht so vieler Worte bedarf. Der Weltenbau ist interessant, so ist der Handlungsort größtenteils ein riesiger Roboter, in dessen Überresten sich Menschen in einer über den ganzen Körper verteilten Siedlung namens “Das Feld” organisiert haben. Der Zeichenstil von Claudia Balboni (Robyn Hood) ist klar und wird durch die Farbgebung von Marissa Louise (Grumble) noch ausdrucksstarker. Die kräftigen, aber satten Farben geben der Handlung eine ernste, aber dennoch dynamische Stimmung.
Im sechsten Kapitel von Middlewest hat Abels Vater Jeb gefunden. Nach dem dieser bei dem alten Zauberer gewütet hat, ist er seinem Sohn noch mehr auf der Spur. Jeb kann mithilfe eines sprechenden Rabens seine Schwester Maggie vorwarnen, welche sofort den Jahrmarkt weiterziehen lässt. Passenderweise hat sie eine wahre, aber mehrdeutige Begründung: Ein Sturm kommt auf sie zu. Währenddessen taut Abel in der Gesellschaft der Jahrmarkt-Mitarbeiter, allen voran Bobby, immer mehr auf und findet eine ganz neue Art von Zuhause, sowie eine Gemeinschaft, die sich nicht auf Zwängen begründet. Aber seinen Erinnerungen kann er nicht entkommen, denn Maggie beginnt damit, Abel mit Magie zu helfen. Nur ist das nicht so leicht wie erhofft und Abel wird von seinen Ängsten übermannt.
Dieses Kapitel hat eine ganz besondere Stimmung. In der ersten Hälfte sehen wir vor allem im Zeitraffer, wie sich Abel eingewöhnt und seine Schulden abarbeitet. Noch etwas unbeholfen gewinnt er schnell an Selbstvertrauen, weil er gebraucht wird. Bobby wird dabei immer mehr seine Freundin und bringt ihn sogar zum Weinen, als sie meint, dass er dort nicht nur gebraucht, sondern gewollt wird. Die Menschen um ihn herum gewinnen ihn genauso wie die Leser*innen von Skottie Youngs lieb und nehmen ihn in ihren familiären Verband auf. Dem Autor gelingt es dadurch, sehr feinfühlig ein sich langsam entwickelndes Gefühl einzufangen. Die zweite Hälfte ist ebenfalls magisch, aber auf eine andere Art: Wir sehen, welche Magie Maggie beherrscht. Sie ist dazu in der Lage, mit einer Person dessen Erinnerungen zu durchwandern, um Probleme zu lösen. Die Gedankenwelt ist von Jorge Corona äußerst detailliert und verspielt gestaltet. Dass sie hauptsächlich in Bläulichgrau-Weiß gehalten ist und nur einzelne Elemente mit Rot hervorgehoben, gibt dem ganzen einen besonderen Touch, der mir sehr gut gefällt.