Violet Evergarden (Folge 13)

“Ich brauche keine Befehle mehr.” Durch den Schluss eines Friedensabkommen wird nicht nur in der fiktiven Welt von Violet Evergarden ein Meilenstein gelegt, sondern gleichzeitig auch für Violets persönliche Entwicklung. Als Diethardt ihr einen letzten Befehl mit dem gleichen Inhalt wie Gilberts Wunsch mit auf den Weg geben will, weiß Violet diesmal eine Antwort aus Überzeugung zu geben. Folge 13 schließt die TV-/Netflix Ausstrahlung ab.

Violet und Diethardt stellen sich den Terroristen, die eine Brücke auf dem Haupttransportweg zwischen dem Norden und dem Süden zerstören wollen. Violet, aber auch ihre Kollegen geben alles, um dies zu verhindern. Letztendlich steht dem Friedensabkommen nichts mehr im Weg. Doch trotz des feierlichen Anlasses verbleibt die Trauer über die Gefallen und Verschollenen des Krieges. In einer Prozession werden Briefe in den Wind geworfen, bei denen man die Menschen adressieren kann, denen man selbst den Brief nicht überreichen kann. Violet hat als Korrespondenzassistentin alle Hände voll zu tun, diese Menschen zu unterstützen. Doch vor allem steht sie vor einer eigenen großen Herausforderung: Was soll sie in ihren eigenen Brief an Gilbert schreiben?

Die “Extras” bekommen auch noch einen Auftritt

Der letzte Terrorist ist außer Gefecht gesetzt, aber sogleich ist die Gefahr noch nicht gebannt, da der ganze Zugüberfall wohl vor allem ein Ablenkungsmanöver war, um von den Bomben an der Brücke abzulenken. Dumm nur, dass der Mann in einem Anflug von überheblicher Schadenfreude den Plan in letzter Minute ausplaudert. Violet sprengt buchstäblich einige Grenzen, um die Bomben aus dem Verkehr zu ziehen, aber ihr alleiniger Verdienst ist es dann doch nicht, da sie Unterstützung erhält. Benedict und Cattleya sind zwar als feste Nebenfiguren etabliert, doch sind sie sonst in der Staffel eher nur Randfiguten. Benedict bekommt hier einmal die Gelegenheit, tatkräftig dabei zu sein und Cattleya kann daraufhin ihrer eigenen Arbeit nachgehen und die Worte des Friedensabkommen dokumentieren. Später hat sie sogar noch Gelegenheit, etwas aus ihrem eigenem Hintergrund preis zu geben.

Zurück zu den Anfängen

In mehrerlei Hinsicht ist die zweite Hälfte der letzten Folge ein Spiegel auf die ersten beiden Folgen: Violets Arme sind zerstört und sie hat wieder neue bekommen. Doch diesmal kann sie ohne Probleme mit ihnen umgehen. Ihre Uniform ist wohl noch in Reperatur, daher hat sie wieder ihr schlichtes weißes Hemd mit grünem Kleid an zusammen mit einem einfachem Zopf. Ein Kunde ringt um Worte, um das auszudrücken, was er fühlt, doch diesmal versteht Violet ihn und seine unausgesprochenen Botschaften, die sie für ihn niederschreibt. Statt der Frau Evergarden, die ihren Sohn verloren hat, trifft sie nun auf Gilberts Mutter, die ebenso ihren Sohn verloren hat und Violet treffen wollte. Diethardt gibt ihr in gewisserweise nun auch Absolution, als er ihr den Befehl gibt, dass sie ein erfülltes Leben führen soll. Doch anders als Gilbert formuliert er dies als Befehl. Seine Missgunst hat er zwar abgelegt, aber er sieht in ihr unwillkürlich immer noch die Hundefigur. Aus der entwächst Violet nun auch, als sie diesen gewissermaßen ablehnt. Ebenfalls erhebt sich wieder ein Brief durch die Lüfte, doch diesmal nicht mehr alleine.

Der violette Schnee

Violett sieht den Briefregen am Ende der Folge zwar nicht, aber das begleitende Lied heißt “Violet Snow”, für das eigens mehrere Versionen produziert wurden. (Die deutsche Synchronisation verwendet allerdings die japanische englische Liedvariante.) Es wurde bereits ausgiebig in Trailern verwendet, aber handlungstechnisch hat man es für den emotionalen Höhepunkt der Serie aufgehoben. Bei den Briefen, die im Winde verstreut werden, handelt es sich nicht nur um Briefe an die Toten, was etwas trübselig wäre. Adressiert werden auch Briefarten, die schon durch die Serie hinweg auftauchten: Briefe mit Liebesgeständnissen (Folge 1-2), Personen aus der Zukunft (Folge 11), oder Töchter (Folge 9, 11). Wie “Violet Snow” beginnt: “Life is a journey”. Und die Reise geht weiter. Bzw. ist sie schon die ganze Zeit in Gange, denn hinter den Kulissen scheint sich auch noch etwas ganz anderes entwickelt zu haben: Hopkins möchte gerne Vater werden. Erika hat Gefühle für Benedict entwickelt. Der hat aber aber etwas für Cattleya übrig, da er sogar hohe Stiefel trägt, um nicht kleiner als sie zu sein. Cattleya hat hingegen womöglich eine Liason mit Hopkins. Intimere Momente hatten sie schon in Folge 2, sie ist auch die erste Vertraute, mit der er schwer verdauliche Themen ansprechen kann. Das Vorlesen seines weggeworfenen Briefmanuskripts erscheint fast wie eine besonders kokette Art von Stichelei. Aber manches bleibt auch beim Alten: Iris ist immer noch hinter ihrem (leicht größenwahnsinnigen) Traum hinterher, die erstklassigste Korrespondenzassistentin des Landes zu werden. Und Violet scheut nach wie vor keine Wege, um ihre Kunden aufzusuchen. Wen mach sie da hinter der Tür jeweils treffen?

So ganz alle Szenen aus den beiden Light Novel Commercials haben die 13 Folgen noch nicht abgedeckt. Aber in dieser Folge ist Violets geplatzter mechanischer Arm dabei. Auch als Gegenpol zum Anfang fühlt sich dieser Abschluss nicht so unmittelbar übermächtig wie die atemberaubende majestätische Schönheit der ersten Folge an. Was vielleicht aber auch schwer zu toppen ist; nach 13 Folgen Genuss dieser qualitativen Ausnahmeerscheinung wächst der Standard wohl mit. Überrascht bin ich ein wenig von Hopkins Kinderwunsch. Die Szene in der zwölften Folge, bei der er wehmütig einer Tochter mit Vater nachschaut, ist wohl doch nicht (nur), wie er sich in einer Vaterrolle für Violet sieht. Die Frage, ob Gilbert nun noch lebt oder nicht, hat der Kyoto Animation Staff ebenso clever wie hübsch mit der Schlusszene gelöst, bei der für den Zuschauer verborgen bleibt, wen Violet trifft. Gilbert leiblich lebend zu präsentieren, würde irgendwie billig rüberkommen, da sich alle gerade endlich mit seiner Abwesenheit abgefunden haben. Die Mehrheit glaubt ihn tot, andererseits hat Hopkins klar gesagt, dass Violet “nicht wirklich” irgendetwas verloren hat, während sie so zerstört am Boden liegt. Auch hat der Militärstab auf Diethardts Kommentar, dass sie die Drecksarbeit nun bei ihm abladen etwas verdächtig gezuckt. Ist Gilbert, falls er lebt, eine Art Geheimagent geworden und zeigt sich deswegen nicht einmal seiner Familie? Wen trifft Violet da am Ende nun? Sie ist sichtlich überrascht und sie lächelt darauf. Wer auf immer das ist, es ist jemand, den sie kennt. Dann kriegt sie rote Bäckchen, aber schwer auf jemand sehr wichtiges hindeutet, wo sich Gilbert geradezu aufdrängt. Aber wenn man ihre Entwicklung berücksichtigt, sind Gefühlsregungen nicht mehr nur auf ihn beschränkt. Also scheint er mir wohl eher nur ein normaler Bekannter sein, bei dem sie wichtige Dinge gelernt hat. Aber wer lieber ein romantisch erfülltes Ende haben will, kann sich immer noch vorstellen, dass Gilbert sie da zu sich ruft. Erfahren werden wir es vielleicht noch im nächsten Violet Evergarden Animeprojekt, das bereits mit dem Erscheinen des Light Novel Zusatzbandes angekündigt wurde.

Zweite Meinung:

Leider ist mehr als deutlich, worauf das Ende hinausläuft… auf eine zweite Staffel. Grundsätzlich immer schön, wenn eine Serie fortgesetzt wird und das entsprechende Studio mehr Geld bekommt. Leider ist Kyoto Animation in den letzten Jahren zu einem Konzept mit zwei Staffeln und weiten Filmen umgestiegen, was mir persönlich nicht so gefällt. Aber mit Netflix im Boot kann man zumindest hoffen, dass sie von ihrem Schema abweichen. Auf der anderen Seite, wäre es interessant zu sehen, ob sie die Optik für einen Film noch einmal aufbessern können. Zu dem Finale gibt es nicht viel zu sagen. Es weicht komplett von der Novel ab, hat aber für Novel-Leser ein kleines Easter Egg. Schön finde ich, dass der sich Anime  nun komplett von der Vorlage gelöst hat und zu etwas Eigenständigem wurde. Da Violet Evergarden lange als Kyoto Animations heiliger Gral galt – einen Gral, den sie sich mit ihren Wettbewerben, bei denen es bislang keine Gewinner gab, selbst erschaffen haben – haben sie vielleicht länger an der Vorlage festgehalten, als es für sie üblich ist. Das hat der Serie vielleicht auch etwas geschadet, aber umso mehr kann man auf eine neue Staffel hoffen.

Luna

Luna residiert auf dem Mond mit ihren beiden Kaninchen. Als solche hat sie eine Faible für flauschige Langohren und ist auch nicht um die ein ums andere Mal etwas entrückte Sicht auf die Weltordnung verlegen. Im Bestreben, sich verständigt zu bekommen, vertreibt sie gerne die Zeit mit dem Lernen und Erproben verschiedener Sprachen und derer Ausdrucksformen.

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