Killerbot-Reihe (Band 4): Systemkollaps

Systemkollaps, erschienen am 12. März 2025, ist der mittlerweile siebte Streich in Martha Wells Killerbot-Reihe und liefert genau das, was wir in den letzten Jahren an der Serie lieben gelernt haben: durchtechnisierte Sozialphobie, Cringe, Action, Mediensucht, Konzernintrigen und natürlich der stete Wunsch des Protagonisten: »Bitte lasst mich einfach in Ruhe!«. Eine wilde Mischung, die auch Apple für sich entdeckt und als vielversprechend eingestuft hat, denn am 16. Mai 2025 erscheint die erste Staffel der Serienadaption von Killerbots Abenteuern auf dem hauseigenen Streamingdienst. Perfekter Zeitpunkt, um sich vorher noch schnell mit Systemkollaps einzugrooven.

Systemkollaps spielt nur wenige Tage nach Der Netzwerkeffekt. Killerbot und »seine Menschen« versuchen, die Kolonisten auf dem kontaminierten Planeten davor zu bewahren, durch den Konzern Barish-Estranza »gerettet« – also zu Arbeitssklaven gemacht – zu werden. Die Mission verkompliziert sich, als sich herausstellt, dass die Kolonisten nicht als homogene Gruppe sprechen, da es irgendwo auf dem Planeten eine Gruppe Abtrünniger gibt, die seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen wurde. Als sich Killerbot und sein Trupp auf die Suche machen, realisieren sie, dass Barish-Estranza eine eigene geheimen Agenda verfolgt, und auch Killerbots System läuft seit dem letzten Vorfall nicht mehr rund. Wenn er also seine Menschen und die Kolonisten retten will, muss er sich schnell etwas einfallen lassen …

Viel Zeit für uns Leser, aber nur wenig für Killerbot

Originaltitel System Collapse
Ursprungsland USA
Jahr 2025
Typ Roman
Band 4 / ?
Genre Science-Fiction
Autorin Martha Wells
Verlag Heyne
Veröffentlichung: 12. März 2025

Wer die ersten Seiten von Systemkollaps aufschlägt und sich nach (bis zu) vier Jahren Zwangspause möglicherweise fragt, wo und wann sich Killerbot zur Hölle gerade befindet: Systemkollaps spielt immer noch auf dem selben Planeten wie Der Netzwerkeffekt (erschienen 2021) – jenem Planeten, auf dem sich Kolonisten gegen eine Alienkontamination zu Wehr setzen mussten und Killerbot nur knapp mit dem Leben davonkam. Seit diesem Vorfall sind nur wenige Taqe vergangen. Der Schauplatz ist also derselbe, aber der Fokus hat sich verschoben: Während es in Der Netzwerkeffekt um den Kampf gegen kontaminierte Entitäten und das Wiedersehen mit Fifo ging, stehen in Systemkollaps nun die Nachwirkungen und die Verantwortung gegenüber den zurückgelassenen Kolonisten im Vordergrund.

Killerbot wie gewohnt …

Wells schreibt gewohnt schnörkellos und bleibt sich stilistisch treu. Pointierte Sätze, Technogebabbel und Actionszenen, die sich durch Killerbots rasante Verarbeitungszeit und aufgeteilte Blickwinkel immer »wie im Flow« anfühlen. Wells‘ größte Stärke liegt darin, dass sie es schafft, ein Wesen ohne klassische Emotionen glaubhafter und nachvollziehbarer zu schreiben als manche Autoren ihre menschlichen Protagonisten. Killerbot ist kein Held, der sich für ein höheres Ideal opfert – er ist ein Wesen, das von Pflicht, Neugier und einer widerwilligen, aber doch ungetrübten Zuneigung für »seine Menschen« angetrieben wird. Während Killerbot also auf der Suche nach verlorenen Kolonisten durch gruselig-verlassene Terrraforming-Anlagen streift, sich mit fremden Netzwerken anfreundet (ein Herz für AdaCol2 und seine Netflix-Bibliothek) und sich gegen SecUnits von Barish-Estranza behaupten muss, dürfen wir wie gewohnt seinen zynischen, ungewollt empathischen und immer wieder überraschenden Monologen lauschen.

… aber auch ungewohnt

Interessant ist, dass Killerbot an diesem Punkt seiner Reise immer noch körperlich und mental von den Ereignissen aus Der Netzwerkeffekt gezeichnet ist, denn Killerbot besteht zu geschätzten 33,7% aus organischem Gewebe, das schwitzen, aber eben auch traumatisiert werden kann. Das macht Killerbot diesmal zu einem zunächst unzuverlässigen Erzähler, denn es gibt Textpassagen, die er absichtlich »entfernt« und uns Lesern vorenthält. Dass er auf fremde SecUnits trifft, macht seine Genesung nicht unbedingt leichter, dennoch ist sein Umgang mit fremden SecUnits immer wieder spannend zu lesen, da es sich bei ihnen um Spiegelbilder seiner Vergangenheit handelt. Wie Killerbot mit diesen SecUnits verfährt, eröffnet einen interessanten Weg für zukünftige Geschichten.

Fifo x 3

Die Beziehung zwischen Killerbot und Fifo bleibt ein zentraler Ankerpunkt der Geschichte. Killerbot hält Fifo für eine supernervige, großmäulige Schiffs-KI, die alles besser weiß. Und Fifo hält Killerbot für eine halbfertige, emotional beschädigte, schlecht programmierte SecUnit mit Serien-Sucht. Eine Dynamik, die seit Der Netzwerkeffekt ein Highlight der Serie markiert und sich fortwährend weiterentwickelt. In Systemkollaps erfährt diese Dynamik eine Abwandlung, indem Fifo im Verlauf der Handlung mehrere Instanzen von sich selbst erschafft. Killerbot beginnt also, Fifo mehrdimensional zu sehen und stellt kleine, aber bedeutende Unterschiede in Sprache, Timing und Prioritäten fest. Neuland für Killerbot, aber auch für uns, da Fifo nun einen Körper besitzt und nicht nur im Feed, sondern auch in der fassbaren Realität »rumhockt«.

Fazit

Zwischen kapitalistischer Gier, kontaminierten Agrardroiden und emotionaler Selbstzerstörung rumpelt Killerbot widerwillig durch ein weiteres moralisch aufgeladenes Desaster, um »seine« sowie fremde Menschen vor sich selbst und vor bösen Konzernen zu retten. Also alles wie gehabt in Systemkollaps und damit ein Fest. Killerbots Mediensucht zahlt sich in diesem Band endlich mal aus und wird zum Eckpfeiler der Problemlösung, und das »Hey! What now?«-Ende lässt das Herz eines jeden geneigten Fans höher schlagen, da es eine breite Zukunft für noch viele weitere Geschichten verspricht. Bis es soweit ist, werde ich mir aber erst einmal genüsslich die Serien-Adaption geben. 2025: Das Jahr für Killerbot-Fans!

© Heyne

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

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