X-Men: Der letzte Widerstand

Was macht ein Studio, wenn ein lukratives Franchise dringend mit einem neuen Film aufwarten muss, aber der bisherige Regisseur einfach mit einem Kryptonier durchbrennt? Inhaltlich ist es wohl egal, solange nur die Kassen klingeln, weil die Fans sowieso geködert sind. Brett Ratner (Rush Hour) bescherte Fox mit X-Men: Der letzte Widerstand einen monetären Hit. Mehr Action, mehr Mutanten, mehr Handlungsstränge. Schade nur, dass niemand Lust hatte eine einheitliche Story zu erzählen. Mehr ist nicht immer besser.

  

Es ist vollbracht, ein Pharmakonzern verspricht ein Heilmittel für das X-Gen gefunden zu haben. Keine Mutanten mehr! Sie können von ihren Leiden befreit werden und die Menschen dürfen aufatmen eine Gefahr für die Öffentlichkeit weniger fürchten zu müssen. Hank McCoy (Kelsey Grammer, Frasier) möchte sie Sache aber genauer inspizieren. Immerhin ist er selbst Mutant und zudem ein Regierungsbeamter. Die Beziehungen zwischen Menschen und Mutanten sollen sich mit seiner Hilfe verbessern und dieses Wundermittel betrachtet er mit Skepsis, was er seinen Kumpels, den X-Men, mitteilt. Die haben derzeit noch andere Sorgen. Jean Grey (Famke Janssen, The Faculty) ist ihrer nassen Ruhestätte entstiegen und zudem schlecht gelaunt. Als Kind hatte sie Hilfe von Charles Xavier (Patrick Stewart, Jeffrey) erwartet, doch als er erkannte welche unbändigen Kräfte tatsächlich in ihr schlummerten, blockierte er ihre Psyche. Der dunkle Teil von Jean, der Phoenix, will sich nun rächen.

Viele Fäden und doch kein rundes Knäuel

Originaltitel X-Men: The Last Stand
Jahr 2006
Land USA
Genre Action, Science-Fiction
Regisseur Brett Ratner
Cast Charles Xavier: Patrick Stewart
Erik Lensherr/Magneto: Ian McKellen
Logan/Wolverine: Hugh Jackman
Ororo Munroe/Storm: Halle Berry
Jean Grey: Famke Janssen
Mystique: Rebecca Romijn
Kitty Pryde: Ellen Page
Rogue: Anna Paquin
Laufzeit 104 Minuten
FSK

Es wäre unfair Brett Ratner allein die Schuld zu geben, dass X-Men: Der letzte Widerstand ein Sammelsurium unfertiger Teile ist. Er wurde spät engagiert und niemand hatte Zeit ihm das Konzept der X-Men näher zu bringen. Bryan Singer, Regisseur der ersten beiden Teile, war abgesprungen, weil er lieber Superman Returns machen wollte und mit ihm ging die Liebe zum Detail. Ratner schert sich wenig um die Charaktere und lieferte Fox, basierend auf einem halbgaren Drehbuch ein, audiovisuelles Actionspektakel. X-Men 2 endet mit einem subtilen Versprechen, dass der Phoenix, eines der mächtigsten Wesen des X-Universums, seinen Auftritt bekommen würde. Doch neben der Storyline von einem Heilmittel, verblasst die kosmische Kraft. Die Integrität von Xavier als gutmeinendem Mentor wird für einen B-Plot geopfert, der über weite Strecken des Films keine Auswirkungen hat. Jean bringt Leute um, schaut grimmig drein und ist nur Plot Device statt selbstständiger Figur. Vielleicht wäre diese Verschwendung hinnehmbar, wenn der Hauptplot des Films richtig genutzt werden würde. Leider verhaspelt sich das Skript auch hier. In einer beispielhaften Szene gibt Storm (Halle Berry, Catwoman) entrüstet zum Besten, dass Mutant-sein keine Krankheit sei und daher überhaupt nicht von einem Heilmittel gesprochen werden könne. Damit hat sie wohl Recht, wenn man den Mutantenstatus als Minderheit etwa mit einer Hautfarbe gleichsetzt. Ein Produkt, das verspricht Haut aufzuhellen, gehört in die Mülltonne (es gibt sie wirklich). Ein Mittel zur Gleichmachung ist keine akzeptable Lösung für Rassismus oder ähnliche Diskriminierungen. Aber dann betritt Rogue (Anna Paquin, Das Piano) die Bühne. Diese entzieht anderen Menschen bei Hautkontakt die Lebensenergie, eine unkontrollierbare Kraft, die ihre eigene Lebensqualität einschränkt. Für manche Mutanten sind die Kräfte ein Fluch, eine Einschränkung, eine Behinderung. Eine Entscheidung, diese Kräfte aus freien Stücken abzutreten, sollte zur Diskussion stehen dürfen. Grade weil der Zuschauer noch verdauen muss, dass der Professor Jean immerhin seine Form der Kontrolle aufgezwungen hat. Diese Parallele wird allerdings nicht aufgegriffen. Und die Grauzone um ein Für-und-Wider wird nicht für spannende Konflikte genutzt.

Ein oberflächlicher Schurke

Für Magneto (Ian McKellen, Der Herr der Ringe) steht natürlich sofort fest, dass dieses Heilmittel als Waffe einzustufen ist. Was hält denn die Anti-Mutanten Flügel der Regierung davon ab, es ungefragt einzusetzen, um bei einem Konflikt mit Mutanten die Oberhand zu gewinnen? Schnell zeigt sich, dass Magneto Recht hat und bereits Munition für Handfeuerwaffen existiert, die das Mittel enthalten. Eine hervorragende Position, um einmal mehr zu untermauern, dass Magneto als Schurke auch Sympathien verdient und seine Ansichten nicht nur boshafter Natur entspringen. Er sucht nach Gleichgesinnten und findet die Morlocks. Eine Bande stolzer Mutanten, die ihre ganze Form der Gesellschaft bedroht sehen. Soweit so gut. Es gibt sogar eine beschwingte Rede, in der Magneto erneut an den Holocaust erinnert. Aber dann entpuppen die Morlocks sich als bloßes Kanonenfutter. Und selbst Magneto sieht sie nur als niedere Bauern und macht sich keine Mühe sie als Individuen zu sehen. Die Mutation ist das alleinige Merkmal, das er schützen will. Mystique (Rebecca Romijn, Femme Fatale) verliert ihre Kräfte und Magneto lässt sie sofort fallen wie eine heiße Kartoffel. Natürlich sind ihre nützlichsten Fähigkeiten weg, aber sie behält ihr Wissen und könnte durchaus helfen. In all den Jahren der Zusammenarbeit sollte sie sich zudem ein bisschen Loyalität als Person verdient haben. Aber nein, kein Mutant? Kein Verwendungszweck. Als Mystique dann von den Behörden gefangen genommen wird, kann sie immerhin alle Pläne offen legen, von denen sie weiß und Magneto verraten. Sie ist nur erbost darüber, dass sie Raven genannt wird. Diesen aktenkundigen Vornamen nennt sie ihren Sklavennamen, was wohl als Holzhammermetapher gedacht ist, aber zeigt, dass die Macher hier keinerlei Verständnis für die Grenzen der sozialen Parallelen von Mutant und Minderheit mitbringen.

Aber hübsch sieht es aus

Es ist aber gar nicht alles schlecht an X-Men: Der letzte Widerstand. Die Eröffnungsszene lässt zunächst auf Gutes hoffen, denn da trainieren die X-Men in ihrem Gefahrenraum und die Sentinels, mutantenjagende Riesenroboter, haben ihren ersten Auftritt. Mit Kitty Pryde (Ellen Page, Inception) ist auch endlich ein weiterer Fanfavorit im Team. In den zwei Filmen zuvor sah man zwar verschiedene Mädchen durch Wände gehen, aber hier wird sie als Figur vorgestellt und hat ein paar schicke Momente abgekriegt. Die Lederuniformen haben ein bisschen mehr Farbe und Wolverine (Hugh Jackman, Greatest Showman) läuft mit einem größeren X auf der Brust rum. Und die Effekte sind mit all ihren Explosionen sehr ansehnlich (abgesehen von Wolverines Klauen, die unechter wirken als zuvor). Rein visuell gibt es wenig zu meckern und dieses Spektakel hat zumindest für ein ordentliches Einspielergebnis gesorgt, das auch von späteren Filmen der Reihe gar nicht spielend überboten wurde.

Nachdem ich mich damit abgefunden hatte, dass die Filme eben ihr eigenes Universum sind und nicht mehr zwanghaft die Comics zum Vergleich hernahm, ist Der letzte Widerstand Ernüchterung pur. In diesem Film scheint es wichtiger zu sein möglichst viele Namen zu nennen (Callisto, Psylocke, Kid Omega, Multiple Man, Juggernaut, Ravita Kao, Moira MacTaggert), statt sich mit den bisher eingeführten Leuten als vollständige Charaktere zu beschäftigen. Da werden Hauptfiguren nebensächlich umgebracht und es hinterlässt keine wirklichen Spuren. Dass in der post-credit Szene Xavier wieder zum Leben erwacht,  interessiert dann auch nicht mehr.

Zweite Meinung:

X-Men: Der letzte Widerstand ist die Katastrophe, die sich kein Anhänger eines Franchises wünscht. Ein kosmetisches Update, welches gereifte Zutaten ignoriert und darauf aus ist, die Größer-schneller-weiter-Formel auszureizen. Bryan Singer bedauert es selbst, die Reihe zugunsten des Kassenflops Superman Returns hängen gelassen zu haben, denn den Ruf als schwarzes Schaf der Reihe wird der dritte X-Men-Ableger wohl nicht mehr loswerden. Das beginnt mit einem großen Chaos an Handlungssträngen, die so halbgar erzählt werden, dass ihr erzählerisches Ausmaß in keinerlei Weise emotional packt und endet mit dem Verheizen von Figuren, für die es offenbar angesichts der Größe des X-Men-Universums einfache Austauschobjekte in späteren Teilen gegeben hätte. Dazwischen befindet sich eine Bösewichtgruppe, die in ihrer Lederkluft einem Gothic Rock-Videoclip entsprungen sein könnte und als Handlanger degradiert das Zeitlichte segnen muss. Das tut besonders in Hinblick auf die Kontinuität weh, wenn eine Figur wie Psylocke  hier gnadenlos verheizt wird, die in späteren Teilen noch vergleichsweise brillante Momente spendiert bekommt. Doch das ist nicht der einzige Störfaktor, auch über eine McTaggert hüllt man besser den Mantel des Schweigens, weil dieser Charakter ihrer späteren Rolle nicht ebenbürtig ist. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass eine Dreiecksromanze als unverzichtbarer Faktor galt, um persönliche Verbindungen darzustellen – selbst, wenn das rückwirkend auf Kosten der ersten beiden Filme geht. Befasst man sich nun überhaupt nicht mit den Charakteren und hegt wenig Interesse an deren Entwicklung, bekommt man noch immer einen soliden Actionfilm geboten.

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Misato

Misato hortet in ihrer Behausung fiktive Welten wie ein Drache seinen Goldschatz. Bücher, Filme, Serien, Videospiele, Comics - die Statik des Hauses erlaubt noch ein bisschen, der Platz in den Regalen weniger. Am liebsten taucht sie in bunte Superheldenwelten ein, in denen der Tod nicht immer endgültig ist und es noch gute Menschen gibt. Íhr eigenes Helfersyndrom lebt sie als Overwatch Support Main aus und adoptiert fleißig Funko Pops.

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