Finale
Nichts zu tun auf der Arbeit. Für die einen ein Fluch, für die anderen ein Segen. In dem Thriller Finale geht die Tendenz glasklar in Richtung Fluch und entwickelt sich physisch wie psychisch zu einer echten Tortur. Søren Juul Petersen adaptiert den gleichnamigen Roman des dänischen Autors Steen Langstrup, der für eine neue Generation junger Horror-Autoren steht, die ihr Handwerk verstehen. 2018 wurde die Buchvorlage nicht nur in seinem Heimatland zum Horror-Roman des Jahres gewählt, auch deutsche Zuschauer kamen dank Heyne-Verlag in den Genuss des Horror-Thrillers. Wie es sich für einen populären Roman gehört, darf dann auch keine filmische Adaption fehlen. Diese fällt derart blutig aus, dass man beinahe schon einen metallischen Geschmack im Mund hat. Damit hat sich die Produktion auch bereits für das Obscura Filmfest 2019 qualifiziert, wo der Film im Oktober 2019 seine Deutschlandpremiere feierte, ehe er am 5. Juni 2020 in den Handel kam.
Wenn es um Sport geht, ticken alle Länder gleich. Auch in Dänemark gibt es kein Halten, als die heimische Mannschaft es ins Finale eines Sportereignisses schafft. Kein Wunder, dass die Menschen diesen Abend vor dem Fernseher verbringen. Für Agnes (Anne Bergfeld) und Belinda (Karin Michelsen) bedeutet das vor allem eine öde Nacht. Denn die Tankstelle, in der sie arbeiten, liegt ein wenig abgelegen und die beiden schließen schon eine Wette ab, ob wohl mehr als drei Kunden in dieser Nacht ihren Weg dorthin finden werden. Die Psychologie-Studentin Agnes erhofft sich vor allem Ruhe, um an ihrer Thesis weiterschreiben zu können. Doch erst wird sie immer wieder von Belinda und deren Beziehungsproblemen abgelenkt. Schließlich kreuzen doch nach und nach Kunden auf, einer seltsamer als der andere. Als dann auch noch merkwürdige Dinge geschehen, muss auch die taffe Agnes eingestehen, dass hier etwas faul ist …
Etwas ist faul im Staate Dänemark
Originaltitel | Finale |
Jahr | 2018 |
Land | Dänemark |
Genre | Horror-Thriller |
Regisseur | Søren Juul Petersen |
Cast | Agnes Berger: Anne Bergfeld Belinda Andersen: Karin Michelsen The Ringmaster: Damon Younger Benjamin: Kristoffer Fabricius Kenny: Mads Koudal |
Laufzeit | 100 Minuten |
Veröffentlichung: 5. Juni 2020 |
Ganz anders, als die Inhaltsbeschreibung es verspricht, beginnt der Film mit einem unerwarteten Prolog. Ein weißgeschminkter Mann mit Zylinder wünscht den Zuschauern viel Spaß. Eine Reminiszenz an Edward Van Sloan in Frankenstein (1931). Wissentlich, dass der Plot um die zwei Angestellten der Tankstelle herum gestrickt ist, sorgt bereits die erste Szene nach dem Intro für Verwirrung. Es ist nämlich eine Frau in Ketten zu sehen, ehe der Schnitt erfolgt und wir aus Vogelperspektive einen sonnigen Tag in Dänemark erhaschen dürfen. Auf narrativer Ebene nutzt Finale nämlich zwei Zeitlinien: Auf der einen Seite besitzt die Handlung einen sich langsam entwickelnden Erzählverlauf, der sich viel Zeit für die Vorstellung der beiden Hauptfiguren nimmt. Auf der anderen Seite lässt es sich der Regisseur nicht nehmen, mittels Flashforwards die Handlung der Zukunft zu zeigen. Ein Kniff, der viel Zeit verschafft, da andere Dinge ausgespart werden können, und der der Entwicklung der Figuren zugute kommt. Andererseits hat dies einen unschönen Nebeneffekt: Kommende Ereignisse werden vorweggegriffen und mitdenkende Zuschauer werden die ganze Zeit vor Augen haben, dass bestimmte Dinge noch folgen werden.
Gruselszenario Tankstelle
Finale hat seine spannendsten und besten Momente ohne Zweifel in der Tankstelle. Die Crew drehte dafür in einer echten Tankstelle, die zwischen 20 Uhr abends und 4 Uhr morgens nicht besetzt war und für die Dreharbeiten zur Verfügung stand. Agnes und Belinda bei der Arbeit über die Schulter zu schauen, bringt sogar gewissen Spaß mit sich, und obwohl sie Routinetätigkeiten folgen, nehmen sie ihre Aufgaben ernst. Dazwischen bleibt Raum für Unterhaltungen, aus denen immer wieder hervorgeht, wie unterschiedlich beide Frauen doch ticken. Während Agnes eher ein rationaler Typ ist, der die Dinge hinterfragt, sticht Belinda durch ihre emotionale Art und die Abhängigkeiten in ihrer Beziehung hervor. Stoff für Konflikte, doch zum Glück werden hier keine künstlichen Streitereien entfacht. Anne Bergfeld, deren Agnes gelegentlich auch deutsch sprechen darf, gibt eine reservierte Hauptfigur ab, mit der man schnell sympathisieren kann. Fraglich ist, ob es am Psychologiestudium der Figur oder in Agnes’ Natur liegt, doch dank ihr kann sich der Zuschauer auch lange Zeit auf der sicheren Seite wägen. Karin Michelsens Belinda ist keine Person, die man unbedingt zur Freundin haben möchte, da man bereits früh merkt, dass Belinda mit ihren Sorgen zu sehr hausieren geht. Sie bildet einen starken Gegenpol, dem man zutraut, dass sie auch mal austeilen kann.
Warnhinweis: Wir bewegen uns in Torture-Porn-Gefilden
Nicht jeder Zuschauer ist robust genug, um sich mit diesem Subgenre befassen zu wollen. Deshalb sei der Hinweis gestattet, dass Finale Torture-Porn aus dem Buche ist und damit in einer Liga mit Titeln wie Hostel und Captivity spielt. Eine realistische Erwartungshaltung ist deswegen essenziell. Denn je Standpunkt zu diesem Subgenre wird Petersens Film entweder gefallen oder eben Zuschauer verjagen. Man sieht Finale nämlich keinesfalls an, dass der Film einen solchen Weg einschlagen wird. Obwohl diese Entscheidung beinahe schon aus der Zeit gefallen wirkt, besitzt die Hintergrundgeschichte dennoch einen modernen Ansatz, der zumindest für die eine oder andere Erklärung sorgt. Ganz neu ist das zugegeben allerdings nicht. Für diejenigen, für die das ohnehin keine Rolle spielt, stehen die Folterszenen an erster Stelle, und an diesem Punkt weiß die Produktion zu gefallen. Finale fällt brutaler aus, als man erwarten mag, und gibt dabei auch noch eine gute Figur ab.
Genre-Stolpersteine
Obwohl mit Agnes – und das ist keine Selbstverständlichkeit – eine mitdenkende und oftmals im Sinne des Zuschauers agierende Hauptfigur vertreten ist, gesellen sich auch in dieses Drehbuch immer wieder Szenen, die nicht ganz rund wirken.
Fazit
Unterm Strich hinterlässt Finale einen guten Eindruck. Wohlgemerkt als das, was es ist, und nicht als das, was alles hätte sein können. Die Inszenierung fällt spannend aus, die begrenzten räumlichen Möglichkeiten werden clever genutzt und die Chemie zwischen Agnes und Belinda funktioniert dank den Performances von Bergfeld und Michelsen. Insgesamt wissen die Produktionswerte zu überzeugen: Vor allem vor dem Hintergrund, dass dieser Film als Wolf im Schafspelz daherkommt und erst dann die Torture-Porn-Abzweigung nimmt. Andere Filme gehen dies wesentlich plakativer und plumper an, ohne sich großartig um ihre Charaktere zu scheren. Das vergleichsweise subtilere Vorgehen lässt sich daher positiv verbuchen. Der Titel hätte sich jedoch besser damit getan, wenn er einfach geradlinig auf sein Finale hätte zulaufen dürfen, anstatt in ein strukturelles Korsett gezwängt zu werden. Manchmal ist weniger eben einfach mehr. Einen Blick wert ist die dänische Produktion definitiv.
© Neue Pierrot Le Fou
Seit dem 5. Juni 2020 im Handel erhältlich: