Star Trek: Picard (Folge 1×04)

Das Ende von Folge 3 hatte eigentlich einen ganz klaren Kurs vorgegeben: Findet Dr. Maddox, ergründet das Geheimnis der Androidenzwillinge. Aber mit Folge 4 gönnt sich Star Trek: Picard einen weiteren Ausflug in die Vorgeschichte. Picards Abstecher auf den Planeten Vashti konfrontiert ihn einmal mehr mit den weitreichenden Konsequenzen der vor 14 Jahren abgebrochenen Rettungsmission. Und so wartet man vergeblich auf Dr. Maddox. Dafür bekommt man Flüchtlingsproblematik, romulanische Kriegernonnen und zwei neue Crew-Mitglieder. Unerwartet, aber auf keinen Fall langweilig.

Raffi ist wieder einmal stocksauer auf ihren Ex-Käptn und seine Alleingänge. Statt nach Freecloud will er nun nach Vashti. Auf diesem Planeten wurde einst ein provisorisches Flüchtlingslager für von der Supernova bedrohte Romulaner eingerichtet. Was nur eine Übergangslösung im Rahmen einer groß angelegten Umsiedlungsaktion hätte sein sollen, wurde nach dem Abbruch der Mission zu einem sich selbst überlassenen Dauerproblem, geprägt von Armut, Kriminalität und einer nationalistischen Widerstandsbewegung. Dort ist Picard, der einstige Hoffnungsträger, kein willkommener Gast mehr. Außer bei den Quwat Milat, einem Orden romulanischer Kriegernonnen, die schon vor 14 Jahren mit Picard zusammen arbeiteten und nun für ein wenig Sicherheit und Ordnung auf dem chaotischen Planeten sorgen. Damals hatten sie den Waisenjungen Elnor aufgenommen, mit dem Picard in einem Anflug von Großväterlichkeit Die Drei Musketiere gelesen und Fechten gespielt hatte. Nun ist Elnor ein erwachsener Schwertkämpfer und Picard will seine Dienste in Anspruch nehmen – hätte er schon früher einen Kämpfer an seiner Seite gehabt, hätte er Dahj vor ihren Angreifern beschützen können. Auch Elnor hat erst eine Menge Gründe für ein Nein, lässt sich dann aber doch auf das Abenteuer Picard ein. Währenddessen gerät seine neue Crew in der Umlaufbahn von Vashti in arge Bedrängnis durch das Raumschiff des ansässigen Warlords, als plötzlich unerwartete Rettung naht…

Vetrautes Terrain – oder doch nicht?

Picard im weißen Tropenanzug auf einem fremden Planeten. Der so aussieht, wie man das aus Star Trek kennt. Ein paar Kulissen, ein Marktplatz, auf dem Statisten mit etwas Latex im Gesicht gezielt ziellos von hier nach da laufen. Requisiten, die ausssehen aus wie beim Trödler und im Eine-Welt-Laden zusammengesucht, um “exotisch, aber doch vertraut” zu sagen. Die Sorte Planet der Woche, wo die Crew der Enterprise in einer Dreiviertelstunde dem Guten zum Sieg verhilft und möglicherweise obendrein ein moralisch-philosophisches Problem löst. Ja, Pustekuchen. Was in der Rückblende noch aussah wie ein typisches Star Trek-Szenario aussah, hatte 14 Jahre lang Zeit, sich zu einem Krisenherd zu entwickeln, wie man ihn auch überall auf der Erde des 21. Jahrhunderts finden kann. Ein Flüchlingslager, das zur Dauereinrichtung wurde, für Menschen, die sonst nirgendwo hin können. Ein Sumpf, wo vor allem Kriminalität und extreme politische Bewegungen gedeihen, die aus der Enttäuschung der Bewohner über die hohlen Versprechungen und halbgaren Hilfsangebote der Industrienationen bzw. der Sternenflotte Profit schlagen. Das kriegt auch Picard nicht in 45 Minuten gelöst. Dafür biegt die Handlung zu einem vertrauten Motiv ab. Elnor, der mit seiner Langhaarfrisur und seinen Kampfskills aussieht, wie aus einem chinesischen Historienfilm entliehen, ist sauer auf Picard. Aber mitmachen tut er trotzdem. Und kann gleich einmal seine Kampfkunst gegen romulanische Nationalisten unter Beweis stellen.

Also, jetzt muss mir irgendwer mal erklären, worüber wir hier sprechen!

Wieder eine Menge Hintergrundinformationen zu verdauen. Aber da es nicht so unübersichtlich wirkt, wie am Anfang, kann man sich leichter auf eine Geschichtsstunde einlassen. Und mittlerweile ist nicht nur der Zuschauer in der Rolle des Unwissenden, Agnes Jurati hat ihren Platz im Team gefunden. Ahnungslos stellt sie die Fragen und macht die Zwischenbemerkungen, die dem Zuschauer selber auf der Zunge liegen. Vor Verlegenheit dauerquasselnd bringt sie Raffi zur Weißglut und zerrt an Rios’ Nerven. Die Anfänge von Teamdynamik sind durchaus vielversprechend. Mal schauen, wie sich der romulanisch-chinesische Beinah-Elf Elnor in das Team einfügt. Und dann purzelt ganz zum Schluss noch das fünfte Teammitglied an Bord. Die attraktive Blondine mit den Metallstücken im Gesicht kennen Star Trek-Fans aus Star Trek: Voyager. Dort trifft man Käptn Picard eigentlich nicht an, aber trotzdem scheinen die beiden sich zu kennen. Raum für noch mehr Backstory.

Weltraum-Cersei und der diskrete Charme des Tal Shiar

Auf der gegnerischen Seite hat sich nicht viel getan. Soji ist für den zwielichtigen Charme von Narek immer wieder aufs Neue durchaus zu haben. Aber seine charmante Zwielichtigkeit macht sie auch zunehmend misstrauisch. Narissas Kontrollbesuche bei Narek werden drängender und bekommen einen zusehend erotisch-inzestuösen Unterton. Kein Wunder, dass das Internet sie schon Weltraum-Cersei genannt hat. Aber weiter bringt sie das auch nicht. Immerhin konnte man den Dialogen bei ihrem überfallartigen Auftauchen an Nareks Bett entnehmen, dass es außer Dahj und Soji noch weitere Androiden gibt. Und offenbar eine Menge Geheimnisse.

Meinung

Insgesamt ist Star Trek: Picard – Unbedingte Offenheit eine unterhaltsame Folge mit Anleihen an klassischen Star Trek-Motive. Hach, ich liebe das, wenn die Schauspieler von rechts nach links wackeln, um anzudeuten, dass ihr Raumschiff unter schwerem Beschuss durch das Weltall schlingert. Schön auch, wenn Altbekanntes intelligent weiterentwickelt wird und naive Weltrettungsszenarien zu einer vielschichtigeren und erwachseneren Variante weiterwachsen können. Mit dem romulanischen Gruß “Jolanthru” beginnt eine Trekkie-Bekannte von mir seit Jahren ihre Geburtstagseinladungen. Jetzt begegnet mir dieser Gruß zum ersten Mal im Erzählzusammenhang. “Jolanthru!” begrüßt Picard eins ums andere Mal die feindseligen Bewohner von Vashti – und bekommt keine Antwort. Weil er sich als Retter völlig diskreditiert hat. Ja, diesen Ansatz mag ich.

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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