Drache & Chamäleon
Bakuman sollte vielen Manga-Lesern ein Begriff sein. Die Serie der Death Note-Schöpfer Takeshi Obata und Tsugumi Ohba gibt einen Einblick in das Leben angehender Mangaka und weiß viele Menschen zu begeistern. Was wäre aber, wenn man Bakuman nimmt und eine Prise Freaky Friday drüberstreut? Dann kriegt man in etwa die Ausgangslage von Drache & Chamäleon. Der namensgebende „Drache“ ist Garyo Hanagami, der derzeit erfolgreichste Mangaka, und das „Chamäleon“ einer seiner Assistenten, Shinobu Miyama. Nach einem Unfall wachen die beiden im Körper des jeweils anderen auf und nun ändert sich für beide das Leben komplett. Garyo muss wieder von ganz unten anfangen und sich einen Platz erkämpfen, während Shinobu nun endlich erfolgreich ist. Geht das Konzept der Serie von Ryo Ishiyama auf oder ist es nur ein Gimmick, das die Serie von Bakuman unterscheiden soll? Band 6 erschien im Juli 2025 bei Altraverse und da bietet es sich an, den Beginn der Serie einmal genauer anzusehen.
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Garyo Hanagami ist der erfolgreichste Mangaka der Welt. Seine Serie „Dragon Land“ hat sich 150 Millionen Mal verkauft und seine Leidenschaft für das Leben als Mangaka ist ungebrochen. Mit seiner Art reißt er auch seine Assistenten mit und sie alle stehen hinter ihm. Mit Ausnahme von Shinobu Miyama. Dieser hat sich in der Szene den Spitznamen „Chamäleon“ verdient, wegen seiner Fähigkeit, den Zeichenstil von anderen Mangaka perfekt zu kopieren. Sein einziges Ziel ist es, erfolgreich zu werden. Er empfindet nicht dieselbe Leidenschaft für das Medium wie Garyo. Nachdem Garyo und Shinobu von einer Treppe fallen, kommen beide ins Krankenhaus und stellen schließlich fest: Sie stecken im Körper des jeweils anderen. Für Shinobu ist damit ein Traum wahr geworden. Nun kann er endlich dort stehen, wo er seiner Meinung nach schon immer hingehört hat. Garyo sieht es anders, aber hat keine andere Möglichkeit, als sich wieder von ganz unten hochzuarbeiten. Und muss dabei auch noch mit den Vorurteilen kämpfen, die ihm wegen Shinobus Verhalten jetzt in seinem neuen Körper entgegenkommen.
Einen Drachen stoppt nichts, sich in die Lüfte zu erheben
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Originaltitel | Ryu to Chameleon |
Jahr | 2022 |
Band | 1/? |
Genre | Action, Fantasy |
Mangaka | Ryo Ishiyama |
Verlag | Altraverse |
Im Handel erhältlich |
Mehr oder weniger vor dem Nichts muss Garyo nun in seinem Körper wieder von ganz vorne anfangen. Deswegen meldet er sich auch gleich bei seinem alten Redakteur Tachikawa. Dieser erwartet eigentlich nichts von einem One Shot, der von Shinobu Miyama kommt, ist dann aber überwältigt von der Qualität. Er spürt gleich etwas beim Lesen. Ein Gefühl, das ihn an Garyo Hanagami erinnert. Deswegen fackelt Garyo auch nicht lange und erzählt ihm die Wahrheit über den Körpertausch. Tachikawa akzeptiert das auch, denn ihm ist auch die nachlassende Qualität bei den neuesten „Dragon Land“-Kapiteln aufgefallen. Das würde zumindest die Änderung beider Persönlichkeiten erklären. Zwar versucht Shinobu Garyo davon abzuhalten, wieder im Magazin Fuß zu fassen, doch das schlägt fehl. Und somit startet der Drache Garyo Hanagami seinen zweiten Versuch, der beste aller Mangaka zu werden.
Das Chamäleon zeigt seine Stärke
Während am Anfang das Konstrukt rund um den „neuen“ Garyo Hanagami zu wackeln scheint, muss selbst der echte Garyo schnell anerkennen, dass Shinobu ihn nicht nur kopieren kann, sondern auch Talent hat. Zumindest kann er die Notizen, die Garyo hinterlassen hat, perfekt umsetzen. Ryo Ishiyama bedient sich zu diesem Zeitpunkt auch immer mehr der Zeichnungen von Drachen und/oder monsterhaften Verzerrungen von Chamäleons, um der Geschichte zur richtigen Zeit auch immer noch einen Punch zu verleihen. Er nutzt dabei geschickt die Panels, damit die Leser ähnlich wie die Charaktere fühlen können. Ein sehr gutes Beispiel ist die Szene, als Shinobu das erste „Dragon Land“-Kapitel mit Goryos Notizen veröffentlicht. Goryo schlägt das Magazin auf, blättert hinein und in dem Moment als man als Leser, und Goryo in der Geschichte, umblättert, bekommt man ein Panel serviert, in dem eine Drachenkralle aus dem Magazin fährt. Diese Bildsprache ist ein wichtiges Stilmittel für Drache & Chamäleon und Ryo Ishiyama lebt damit den Satz „Show, don’t tell“.
Aller Anfang ist schwer
Das letzte Drittel des ersten Bandes wird dann geschickt genutzt, um Garyos Neustart seiner Karriere von ganz unten zu zeigen. Als Assistent bei einer Serie, die bald abgesetzt wird, müsste er eigentlich an Motivation verlieren. Doch ganz im Gegenteil! Mit seiner Liebe zu Manga steckt er nicht nur die anderen Assistenten, sondern auch den Mangaka an. Der Leser bekommt dadurch auch ein bisschen mehr Einsicht in die Arbeit an einer Serie. Vor allem wie die Arbeitsteilung mit Assisten funktioniert. Natürlich wird hier vieles over the top dargestellt. Charaktere, Arbeitsabläufe und auch die Interaktionen zwischen den einzelnen Personen. Das macht die Serie aber auch unglaublich gut zu lesen. Fans von Action-Serien kommen hier auch nicht zu kurz, vor allem wenn Garyo und Shinobu wieder einmal aufeinanderprallen. Ryo Ishiyama nutzt große Panels, um ihre direkte Konfrontation besonders heftig darzustellen, was auch ausgezeichnet funktioniert. Im Abschluss wird der Leser auch gut geködert, um weiterzulesen, denn es wird etwas angekündigt, was vergleichbar mit Trainings-Arcs bei Serien wie Dragon Ball oder Naruto ist. Garyos Rückkehr zur Spitze hat also gerade erst begonnen.
Erster Eindruck
Wenn es um Serien über das Dasein als Mangaka geht, dürfte vielen zuerst Bakuman in den Sinn kommen. Die meisten anderen Geschichten darüber sind, zumindest im deutschsprachigen Bereich, eher unbekannt. Deswegen ist es auch mutig, dass Altraverse sich Drache & Chamäleon für eine deutsche Veröffentlichung geschnappt hat. Ryo Ishiyama ist nun kein bekannter Name wie eben Ohba und Obata, auch wenn ich vermute, dass er einiges an Inspiration für die Serie von seiner Arbeit als Assistent bei Eiichiro Oda (One Piece) genommen hat. Zeichnerisch ist Ryo Ishiyama auf jeden Fall eine Wucht. Die Geschichte ist extrem mitreißend und man fiebert mit Garyo. Shinobu auf der anderen Seite hat diesen gruseligen Look. Wenn andere Leute sich bei ihm unwohl fühlen, tut man das als Leser auch. Der Manga schafft es wirklich unglaublich gut, Emotionen über Bilder zu vermitteln. Was mir zu Beginn noch etwas fehlt, sind die „Manga im Manga“-Zeichnungen. Band 1 legt in der Hinsicht nur einmal das Fundament der zwei zentralen Charaktere und das ist schon unglaublich gut gelungen, die Mangas nehmen noch keine große Rolle ein. Nicht nur Fans von Bakuman sollten einen Blick riskieren, sondern auch Fans von Action-Serien werden durch den explosionsartigen Erzählstil bestens unterhalten. Ich kann nur hoffen, dass es bald kein Geheimtipp mehr ist.
© Altraverse