Alles steht Kopf 2
Kurswechsel bei Disney: keine Experimente mehr. Es müssen Kassenmagneten folgen, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Das sollen Remakes und Fortsetzungen beliebter Titel richten. Folgerichtig erschien mit Alles steht Kopf 2 das Sequel des 2015er Animationshits, welches sich binnen weniger Tage als einer der erfolgreichsten Kinofilme 2024 entpuppte. Im ersten Teil geht es noch um die Geschichte der elfjährigen Riley, deren anthropomorph dargestellte Emotionen eine abenteuerliche Reise durch den mentalen Zustand des Mädchens erleben, während sich das Kind selbst mit dem Umzug in eine neue Umgebung auseinandersetzen muss. In der Fortsetzung gerät die Persönlichkeit der jungen Heldin erneut ins Wanken, als die Pubertät einsetzt. Zeit für noch mehr und vor allem noch komplexere Gefühle! Am 25. September 2024 erschien der Film auf Disney+, ein Disc-Release folgt kurz darauf.
Die kunterbunten Charaktere Freude, Kummer, Angst, Wut und Ekel haben es sich in Rileys Kopf schön gerichtet, als neue Herausforderungen auftauchen: Selbstzweifel, das schwierige Finden von sozialem Anschluss, das langsam heranschleichende Ende der unbeschwerten Kindheit mit Freundinnen und viel mehr kumuliert innerhalb weniger Tage im Leben der Hauptfigur. Die Dramen, die sich dabei entwickeln, sind aus Rileys Perspektive, aber auch aus jenem der in ihr wohnenden Gefühle mitzuverfolgen. Wenn neue Emotionen auftauchen, werden erfahrungsgemäß andere verdrängt. Und die Pubertät kennt viele Launen …
Stimmen im Kopf
Originaltitel | Inside Out 2 |
Jahr | 2024 |
Land | USA |
Genre | Animation |
Regie | Kelsey Mann |
Cast | Riley: Kensington Tallman / Marlene Schick Freude: Amy Poehler / Nana Spier Kummer: Phyllis Smith / Philine Peters-Arnolds Angst: Tony Hale / Olaf Schubert Wut: Lewis Black / Hans-Joachim Heist Ekel: Liza Lapira / Tanya Kahana Zweifel: Maya Hawke / Derya Flechtner Neid: Ayo Edebiri / Olivia Büschken Ennui: Adèle Exarchopoulos / Jessica Walther-Gabory Peinlich: Paul Walter Hauser / Manuel Straube |
Laufzeit | 96 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 25. September 2025 auf Disney+ |
Die Handlung, die sich vordergründig abspielt, ist vergleichsweise banal zu dem, was in Riley selbst passiert. Auch wenn die Verbindung zwischen Handlungsebene und Meta-Ebene nun noch wesentlich deutlicher ausfällt. Auf ersterer bekleckert sich das Drehbuch nicht unbedingt mit Ruhm und serviert eine klassische Teenager-Story: Für Riley geht es ins Eishockey-Trainingslager mit zwei langjährigen Freundinnen, doch die lassen eine unerwartete, emotionale Bombe über die gemeinsame Zukunft platzen und nun beginnt Riley damit, alles infrage zu stellen, und weiß nicht, wie ihre Zukunft auf der Highschool und als Sportlerin aussehen soll. Bleibt sie ihren BFFs treu oder hängt sie sich an die coolen Hockey-Spielerinnen? Gibt es womöglich einen gesunden Mittelweg für die Jugendliche, die sich bisher emotional so gut entwickelt hatte? Wie schon im ersten Teil ist viel spannender, was eigentlich “unter der Haube” stattfindet. Die Original-Emotionscrew muss derweil parallel zu Rileys Abenteuern eine beschwerliche Reise auf sich nehmen, aber auch hier muss gelernt werden, dass eine Lösung nie nach einem vorgefertigten oder erzwungenem Plan funktionieren kann.
Pubertät ohne Sexualität
In Rileys Oberstübchen wird es allmählich eng: Zu den fünf bekannten Gefühlen gesellen sich in Alles steht Kopf 2 nun Zweifel (und zwar in Überpräsenz!), Neid, Peinlich und Ennui hinzu. Ennui? Richtig gehört. So nennt sich die Verkörperung von jugendlicher Apathie und Langeweile, wohl der am wenigsten geläufigste Begriff, der sich auch auf gut Deutsch mit “Null-Bock-Haltung” übersetzen lässt. Kritisieren darf man an der Stelle zurecht, dass vergleichsweise eindimensional in die Sphären der Pubertät vorgedrungen wird. Wie nicht anders zu erwarten, schweigt man sich bei Disney und Pixar über Hormone, Sexualität, Lust oder Körperlichkeit komplett aus. Das könnte bei einem dritten Teil dann schon schwierig werden, ganz über diese Gefühle bzw. Gefühlsregungen hinwegzusehen. Auch wird ein potenzieller weiterer Film angedeutet, indem mit Nostalgie immer wieder eine Emotion vorbeischaut, für die es augenscheinlich noch viel zu früh ist. Nun stellt sich allerdings berechtigterweise die Frage, wieso Rileys Eltern eigentlich selbst nur die fünf Basis-Emotionen besitzen, wenn doch mit zunehmendem Alter weitere hinzukommen oder offensichtlich durch andere abgelöst werden. Eine Antwort darauf findet der Film allerdings nicht. Aber: Als Erwachsener darf man an dieser Stelle auch behaupten, dass sich so mancher Teenager im Publikum bestimmt in dieser unsortierten Gefühlswelt wiederfinden wird.
Kindheitssünden bleiben besser vergessen
Von der visuellen Gestaltung her gibt es nichts zu meckern. Die Animation sieht sauber und flüssig aus und vermischt diesmal noch einige 2D-Animationsaspekte (Stichwort: Cartoons für Vorschulkids) und krude Videospiele mit den etablierten Figuren, was witzige Auswirkungen hat. Hierin findet sich wohl jede:r wieder, der oder die schon diverse Geschmacksfragen im Leben durchlaufen ist, um festzustellen, dass man sich nicht für immer mit bestimmten Themen identifizieren kann. Und manches will man besser auch für andere unter Verschluss bewahren. Da gibt es eine Menge Ideen, die man unterbringen kann. Schließlich distanzieren sich Jugendliche umso mehr von ihrem Dasein als Kind. Zeit zum Durchatmen bleibt kaum, doch irgendwie müssen die Macher ja all ihre überbordenden Ideen in dem gerade einmal 96 Minuten lange Film unterbringen. Der Fluss der Bedürfnisse, die Schlucht des Sarkasmus oder ein Kino, in dem sich aus Rileys Gedanken die größtmöglichen Katastrophen entspinnen. Da passiert eine Menge und es kommt keine Langeweile auf.
Fazit
Alles steht Kopf 2 steht dem ersten Teil in nichts nach und baut auf angenehme Weise auf der Handlung auf. Vielleicht muss man sich auch die Frage stellen, ob Kinder zwischen sechs und zehn mit den neuen Emotionen wirklich viel anfangen können, denn es handelt sich wirklich um Gefühle, welche vor allem in der Pubertät aufkeimen. Insofern: Schlüssig weitererzählt, aber in Sachen Innovation wird es dann schon schwer, etwas zu bringen, das ganz und gar außerhalb des Erwartbaren liegt. Das ist über weite Strecken charmant, kurzweilig, lustig, traurig und sehenswert. Alles steht Kopf ist somit neben den Toy Storys und Soul einer der intelligentesten und am besten konzipierten Pixar-Filme.
© Disney