Doctor Who (Folge 11×04)
So nützlich Spinnen auch sind, will fast niemand sie im Haus haben. Die Vorstellung, wie sie blitzschnell mit ihren acht Beinchen umher krabbeln, versetzt Leute massenweise in Panik. Bei Doctor Who ist die Angstreaktion aber selbst für Nicht-Phobiker verständlich, wenn die Tierchen nicht mal mehr unter einen Hausschuh passen. Wenn dann auch noch raffgierige Unternehmer im Spiel sind, wird es jedoch knifflig das größere Monster zu finden.
Es ist vollbracht, die TARDIS landet nach einer schön inszenierten Irrfahrt durch die Raumzeit (aka den Time Vortex) wieder in Sheffield. Hier ist nur eine halbe Stunde vergangen seit der Doctor mit Graham, Ryan und Yaz die Lagerhalle in Episode 1 verlassen hat. Es ist Zeit Abschied zu nehmen, was keinem leicht fällt, also lädt Yaz sie zum Tee ein. Immerhin sind sie vor ihrer Haustür angekommen. Der Doctor nimmt liebend gern an, sichtlich erleichtert, sich nicht direkt wieder allein ins Universum stürzen zu müssen. Und dass die Nachbarin der Familie Khan einer sichtlich besorgten Person nicht die Tür öffnet, ist genau die Sorte fremder Angelegenheiten, in die prompt eine Timelord-Nase reingesteckt wird.
Arachnids in the UK
Die Nachbarswohnung sieht aus wie seit Monaten verlassen, überall hängen dichte Spinnweben. Da hätten übliche Hausspinnen ihre Hinterteile lange für beansprucht, im Schlafzimmer haust aber eine überdimensionale Version, die mittlerweile Menschen für passende Beutetiere hält. Der Doctor versucht es dennoch mit etwas Diplomatie und greift nicht sofort zu Haarspray und Feuerzeug. Sie bastelt eine chemische Barriere aus Hausmittelchen und redet beruhigend auf das Tier ein. Die Spinne ist eindeutig verwirrt und das wird kaum ihre eigene Schuld sein. Statt sich lange auf dem Gruselszenario von Monster-Arachniden auszuruhen, beginnt erneut Ursachenforschung. Immerhin stellt sich die besorgte Person als Dr. Jade McIntyre vor, die im Labor Spinnen erforscht und in letzter Zeit von vielen seltsamen Begegnungen gehört hat. Was passiert mit den Spinnen in Sheffield und wie kann man das stoppen? Yaz ist dem Geheimnis schon unfreiwillig auf der Spur, da sie ihre Mutter Najia von der Arbeit abholen soll. In einem Luxushotel laufen die Fäden des krabbeligen Grauens zusammen.
Humor statt Monstergrusel
Bei einer Erstausstrahlung ausgerechnet in der Woche vor Halloween, bieten klassische Riesenspinnen eigentlich eine perfekte Vorlage, um Spannung mit Gänsehaut zu erzeugen. Selbstverständlich gibt es auch einige Momente, die für einen kurzen wohligen Schauer sorgen, ganz ungefährlich ist die Sache schließlich nicht. Aber nach der sehr ernsten Folge „Rosa“ wird hier der Abwechslung wegen auf etwas Humor gesetzt. Flapsige Sprüche im Angesicht der Gefahr stärken die Nerven. Dabei ist es schön zu sehen, dass einige Dinge sich einfach nicht ändern. Besonders der zehnte Doctor hatte es immer wieder mit den Müttern seiner Begleiterinnen zu tun. Weder Jackie Tyler noch Francine Jones oder Sylvia Noble nahmen ihm gegenüber ein Blatt vor den Mund. Und Najia Khan würde auch gern wissen, woher der Doctor denn bitte ihre Tochter Yazmin kennt. Wobei gleich die Frage aufkommt, ob die zwei da etwas am Laufen haben. Was der Doctor sonst ja auch oft genug zu hören kriegt. Yaz‘ Vater und Schwester sind einfach per se überrascht, dass Yaz überhaupt mal Freunde mit nach Hause bringt und machen sich nichts aus deren Eigenheiten.
Eine Ladung Sozialkritik
Was die Folge ein wenig an Gruselatmosphäre vermissen lässt, füllt sie dafür nebenbei mit politischen Statements auf. Vielleicht hätte der Titel schon ein Hinweis sein können, da er angelehnt ist an den Sex Pistols Song „Anarchy in the UK“. Der wirklich perfide Bösewicht des Stückes ist der amerikanische Geschäftsmann Jack Robertson. Perfekt dargestellt von Chris Noth, am besten bekannt als Mr Big aus Sex and the City. Robertson brüstet sich damit, dass alle Welt ihn kennt, was am Doctor stumpf abprallt. Erneut lässt sie sich von Titeln nicht beeindrucken und fragt sogar noch frech, ob er Ed Sheeran sei. Denn über den redet zu dieser Zeit jeder. Respekt gibt es von ihr keinen. Schon gar nicht, als sich zeigt, dass
Platz für Gefühle und eine wichtige Entscheidung
Eigentlich stolpert der Doctor mal wieder nur ganz zufällig in ein Abenteuer. Auslöser ist die Rückkehr nach Sheffield, was zu einem emotionalen Nebenplot wird. Graham, Ryan und Yaz können in ihr normales Leben zurück. Ryan bekommt einen Brief von seinem Vater, zu dem er kein Verhältnis von Bedeutung hat und gibt indirekt zu, dass ihm Graham doch sehr wichtig ist. Graham selbst kehrt in sein Haus zurück, wo er in Gedanken seine verstorbene Frau Grace, Ryans Großmutter, sieht. Die Trauer ist noch frisch und in diesen Wänden kaum auszuhalten. Yaz dagegen ist froh ihre Familie wiederzusehen, doch nachdem sie ein kleines Stück vom Universum gesehen hat, möchte sie mehr davon. So sehr sie ihre Familie liebt, treibt diese sie manchmal doch in den Wahnsinn und sie muss einfach raus. Daher sind die drei sich einig, dass sie sich nicht vom Doctor verabschieden wollen. Nach einem letzten expliziten Hinweis, dass die Reise gefährlich werden kann und es keine Sicherheitsgarantien gibt, ist das Team TARDIS offiziell gegründet. Naja, der Name steht noch nicht fest. Aber gemeinsam können sie darüber nachdenken und es fühlt sich an, als würde Folge 4 hier eine Einführungsphase abschließen.
Nach der Vorschau hatte ich wirklich auf eine gruslig-spannende Monsterfolge gehofft. Besonders beim elften Doctor fingen viele Episoden mit einer schaurigen Atmosphäre an. Aber nicht immer ist das, was man möchte, auch das, was man braucht. Und das wurde mir mit „Arachnids in the UK“ bewusst gemacht. Ich brauchte keinen Kampf gegen eine Riesenspinne, das hatten wir schon. Sogar innerhalb der Serie. Was ich derzeit brauche ist ein Charakter, der optimistisch, hoffnungsvoll, mitfühlend und offen ist. Und all das darf der Doctor hier sein. Es ist ein kleiner Moment, in dem sie Mitleid mit einer mutierten Spinne zeigt, die nicht mehr lange zu leben hat. Und es tut ihr leid, dass dieses Tier die Welt grade nicht mehr versteht. Da teile ich die Meinung von Yaz, wenn sie am Schluss zum Doctor sagt „you’re like the best person I’ve ever met“ („du bist die beste Person, die ich je getroffen habe“). Auch wenn ich ein bisschen darüber hinweg sehen muss, dass die meisten Spinnen sich vermutlich erst gegenseitig fressen werden, um dann zu ersticken oder zu verhungern. Wie human das ist, sei mal dahingestellt. Aber es ist wichtig, die Dinge erst zu verstehen, bevor man die Brechstange auspackt. Und nachdem ich anfing mich zu beklagen, kann ich mich hier freuen, dass Sallie Aprahamian einen guten Job als Regisseurin macht. Keine überstrapazierten Nahaufnahmen. Dafür einige wundervolle Einstellungen, die möglichst viele Figuren auf einmal einfangen.
©BBC