The Stand – Das letzte Gefecht

Als sich 2020 die Corona-Pandemie über die ganze Welt ausweitete, machte schnell ein Spruch im Netz die Runde: „2020 written by Stephen King“. Da hatten sich wohl einige an einen Roman des Horrorkönigs erinnert, in dem sich ebenfalls ein tödlicher Virus verbreitet und fast 99% der Menschen dahinrafft. Plötzlich fühlten sich die Schrecken des Buchs gar nicht mehr so fiktiv an und die Parallelen sind mehr als deutlich. Doch gerade deswegen stieg auch das Interesse an dem Werk. Regisseur Josh Boone (The New Mutants) kam hingegen auf einen anderen Trichter, denn er setzte erneut den (bereits in den 90ern als vierteiliger Fernsehfilm adaptierten) Stoff als Miniserie um. Seit dem 28. Oktober 2021 ist die pandemische Apokalypse The Stand – Das letzte Gefecht auch in den heimischen Wänden zu erleben, top besetzt mit Alexander Skarsgård und unserer Lieblingsnonne Whoopi Goldberg.

 

Ein Unfall in einer amerikanischen Militärforschungseinrichtung setzt einen hochgefährlichen Grippevirus frei. Dieser tötet fast die komplette Menschheit, doch es gibt eine Handvoll immuner Personen, die sich nun mit den Überresten der Zivilisation herumschlagen müssen. Frannie Goldsmith (Odessa Young, Mothering Sunday) und Harold Lauder (Owen Teague, Mrs. Fletcher) gehören zu den wenigen Auserwählten und das in doppelter Hinsicht: Nicht nur überleben sie „Captain Trips“, sondern träumen nun regelmäßig von zwei gegensätzlichen Visionen. In einer davon spricht eine alte Dame namens Abagail Freemantle (Whoopi Goldberg, Staged) zu ihnen und bittet sie, nach ihr in Hemingford Home in Nebraska zu suchen, in der anderen verspricht ein charmanter dämonischen Kerl ihnen das Glück in Las Vegas. Für welche Seite entscheiden sie sich?

Kein leichter Einstieg

Originaltitel The Stand
Jahr 2020
Land USA
Episoden 9 in 1 Staffel
Genre Horror, Drama
Cast Stu Redman: James Marsden
Frannie Goldsmith: Odessa Young
Harold Lauder: Owen Teague
Abagail Freemantle: Whoopi Goldberg
Nadine Cross: Amber Heard
Larry Underwood: Jovan Adepo
Randall Flagg: Alexander Skarsgård
Nick Andros: Henry Zaga
Glen Bateman: Greg Kinnear
Lloyd Henreid: Nat Wolff
Veröffentlichung: 28. Oktober 2021

1.712 Seiten umfasst Stephen Kings Mammutwerk The Stand – Das letzte Gefecht. Da standen die Drehbuchautoren vor keiner leichten Aufgabe, die Handlung so herunter zu stutzen, dass sie in neun Folgen passt. Gelungen ist ihnen dieses Vorhaben leider nicht. Schon der Anfang stellt sich als ein seltsam zusammengeschnittenes Sammelsurium an Szenen der Pandemie und der späteren Ereignisse heraus, nachdem einige Figuren ihren Weg zu Mutter Abagail schon fanden. Wer die Vorlage nicht kennt, wird sich daher schwertun, sich immer zwischen den Zeitsprüngen zurechtzufinden. Vor allem aber geht einiges an Spannung verloren, wenn Charaktere ihre Heimat verlassen, nicht wissen, was auf sie zukommt, und in der nächsten Szene fröhlich lachend umgeben von anderen Überlebenden spazieren gehen. Schnell wird klar, dass diese Serie ein anderes zentrales Thema fokussiert: den Kampf von Gut gegen Böse.

Es bleibt in der Familie

Wie fast nicht anders zu erwarten, darf ein Skarsgård in die Rolle des Antagonisten schlüpfen, nur dass es diesmal nicht Bill (wer sieht den roten Ballon schon fliegen?), sondern der ältere Bruder Alexander (Godzilla vs. Kong) sein darf. Wir reden hier ja auch nicht von irgendeinem Bösewicht, den er verkörpert. Nein, mit Randall Flagg schlüpft er in die Haut eines undurchschaubaren Spielers, der seine Karten nur langsam auf den Tisch legt, dabei aber wie ein gekonnter Schachspieler weitere Schritte vorausschaut. King-Fans dürfen sich freuen, denn Mister Flagg ist bekanntlich auch niemand Geringeres als ein gewisser Mann in Schwarz und gerade diese kleine Brücke schlägt die Serie mit einem netten Easter Egg. Wortgewandt, charismatisch und schlau wie ein Wüstenfuchs – Faszination geht von ihm aus. Schade nur, dass es seinem Gegenstück weniger gut ergeht.

Wenn das Böse interessanter ist als das Gute

Die 108 Jahre alte Abagail Freemantle verkörpert das komplette Gegenteil zu Mister Flagg. Doch wer denkt, dass die alte Dame trotz ihres christlichen Glaubens nur freundliche Worte in den Mund nimmt, der täuscht sich schnell. Kein Wunder, dass Boone eine Frau wie Whoopi Goldberg für die Rolle besetzte. Jedoch sind ihre Szenen rarer gesät als dünne Romane im Sortiment von Stephen King. So bleibt sie als große Anführerin sehr blass. Im Gegenzug stehen fünf andere Figuren für die Helden in dieser Geschichte im Rampenlicht. Wobei es auch hier Abstriche gibt, denn während Ost-Texaner Stu Redman (James Marsden, Westworld), Musiker Larry Underwood (Jovan Adepo, Watchmen) und Frannie Goldsmith eine ausgebaute Bühnenpräsenz besitzen, bleibt etwa der gutmütige, sehr an Jesus erinnernden Nick Andros (Henry Zaga, The New Mutants) nach anfänglich tollen Szenen weit hinter den Erwartungen zurück.

Der etwas unerwartete Ausgang

Schon nach der ersten Folge ist klar, dass Harold Lauder ein Unruhestifter erster Güte ist. Owen Teague verkörpert den kranken Psychopathen mit einer solchen Zerrissenheit, dass man glaubt, dass er noch die Kurve kriegt. Ähnlich ergeht es der hübschen Nadine Cross (Amber Heard, (Aquaman), der Angebeteten des Dämons, und dem unterwürfigen Lloyd Henreid (Nat Wolff, Mainstream), womit wir dann bei dem interessantesten Teil der Geschichte sind. So einfach ist es im Leben nämlich nicht, alles einfach in Schwarz und Weiß zu teilen. Genau in dieser realistischen Darstellung liegt die Stärke von The Stand, denn während sich die Lage bombastisch zuspitzt, überraschen einige Charakterentscheidungen. Wobei auch das große Finale in Erinnerung bleibt. Zuschauende erwarteten da wohl etwas anderes unter dem Namen „Gefecht“, trotzdem besitzt das Zusammentreffen einen hohen Schauwert. Nur die letzte Botschaft wirkt dann doch etwas arg kitschig.

Was bleibt von der Vorlage?

Von einem Werbeplakat lächelt uns Stephen King in der Serie an. Ob jedoch seine Lesegemeinschaft dies ebenso kann, steht auf einer anderen flagg-ischen Spielkarte. Einiges fiel der Schere zum Opfer und doch überzeugen viele Schauspielende in ihren Rollen und sorgen für ein zufriedenes Gefühl. Vor allem aber strotzt auch diese Umsetzung vor vielen versteckten tollen Anspielungen. Wenn schon Sohnemann Owen King als Produzent über das Projekt wachte, war auch nichts anderes zu erwarten. So trägt Flagg einen Smiley-Button, der vom Mercedes-Killer stammt, Frannie und ihre Brunnen-Abenteuer erinnern an 1922, ein sehr bekanntes Teppichmuster in Flaggs-Reich ist verwandt mit dem im Overlook-Hotel (Shining) und in Harolds Zimmer hängt ein Plakat von „King Crimson“, wohinter natürlich der Scharlachrote König steckt. Bei all den tollen Dingen fällt nur negativ auf, dass Harold mit seiner Brutstätte des Bösen schon zu sehr an Brady Hartsfield (Mr. Mercedes) erinnert.

In New Vegas geht die Post ab

Beklemmend sind die Einstellungen der leeren Straßen und Städte. Genauso wie die Szenen der Erkrankten, die sich die Lunge heraushusten, und bei uns Bilder aus den Tagesnachrichten wieder hervorrufen. Schlichtweg weil das Team hinter der Kamera alles so realistisch wie möglich einfing, wirken die Bilder erschreckend, ohne dass literweise Blut fließt. Auch in anderen Szenen punktet die Bildkomposition. Rita Blakemoors (Heather Graham, Horns) letzte Einstellung unter einer düsteren Brücke, schutzsuchend vor dem Regen und doch so verlassen, ist ein perfektes Beispiel dafür. Ebenso kontrastreich gestalten sich die beiden Lager: Während die „Boulder Free Zone“ von Team Abagail die perfekte amerikanische Kleinstadt darstellt, tanzt der Wolf in „New Vegas“. Schrille Kostüme, verrückte Partyszenen und jede Menge erotische Fantasien stehen auf der anderen Seite der amerikanischen Berge. Eine gelungene visuelle Abwechslung.

Musikalisch abgewürgt

Zwei größere Mankos fallen nach und nach störend in The Stand – Das letzte Gefecht auf. Zum einen sind die Schwarzeinblendungen zwischen einzelnen Szenen viel zu lang und dadurch nervig, zum anderen ist es ärgerlich, wie oft die perfekt platzierten passenden Songs regelecht abgewürgt enden. Zum Glück ergeht es den unterschiedlichen Stücken, die für die verspielten Endings herhalten, nicht so. Hier dürfen sich Zuschauende auf einen puren Genuss an Songs freuen, wie zum Beispiel Jefferson Airplanes „White Rabbit“, R.E.M.s „It’s The End Of The World As We Know It“ oder Sam & Daves „Hold On, I’m Comin’“.

Fazit

Ein ungeschickter Anfang, ein ansehnlicher Mittelteil und ein überraschendes, wenn auch symbolisch zu überladenes Finale ergeben die neue Umsetzung von The Stand – Das letzte Gefecht. Vor allem können einige der herausragenden Schauspielenden nichts daran ändern, dass die Serie ein durchwachsenes Erlebnis darstellt. Gerade Alexander Skarsgård liefert als Bösewicht Flagg eine tolle Show ab, ebenso wie Owen Teague als kranker Harold und Amber Heard als hin- und her gerissene Nadine. Im Gegenzug ist es schade, wie sehr Whoopi Goldberg als Mutter Abagail untergeht. Immerhin bietet die Serie einige toll mit der Kamera eingefangenen Szenerien, vor allem auf der Partymeile New Vegas, unter dem verlassenen New York. Jedoch schleicht sich das Gefühl ein, dass gerade mit den ausgeweiteten Darstellungen im Paradies des Glücksspiels die Zuschauenden geködert werden sollen. Dabei wäre weniger mehr gewesen und hätte Zeit für die eine oder andere zu kurz kommende Figur freigemacht.

© Paramount Pictures


Veröffentlichung: 28. Oktober 2021

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

Abonnieren
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments