The Falcon and the Winter Soldier

Was macht die Welt nach dem Blip? Ursprünglich sollte The Falcon and the Winter Soldier Phase 4 des Marvel Cinematic Universe einleiten, ehe ein Tausch mit WandaVision stattfand, das zwar inhaltlich ebenso an Avengers: Endgame anknüpft, aber eine eigene Agenda verfolgt. The Falcon and the Winter Soldier richtet also sein Augenmerk auf das Weltgeschehen, etwas, wofür in Spider-Man: Far From Home nur bedingt Platz war. Dass diese Thematik auch bei den MCU-Fans auf Anklang stößt, machte sich schnell bemerkbar. Denn als die Serie am 19. März 2021 auf Disney+ startete, entwickelte sie sich rasend schnell zum meistgestreamten Titel auf Disneys Plattform. Nicht nur rücken erstmals Helden aus der zweiten Reihe in den Mittelpunkt, sondern auch wieder die Action.

Sam (Anthony Mackie, Der Plan) gibt dem Verlangen nach, in die Fußstapfen von Captain America zu treten. Zwar arbeitet er erfolgreich mit der Air Force zusammen, gibt schlussendlich aber den ihm übertragenen Schild zurück, um sich seinem Privatleben in Lousiana zu widmen. Auch Bucky Barnes (Sebastian Stan, The Devil All the Time) kämpft mit den Dämonen seiner Vergangenheit. Er war nicht Herr seiner selbst, doch die Erinnerungen an die Tötungen im Auftrag Hydras suchen ihn in Alpträumen heim. Verzweifelt versucht er bei jenen, denen er Schaden hinzugefügt hat, Abbitte zu leisten. Gleichzeitig sieht er sich verpflichtet, das Vermächtnis seines Freundes Steve zu schützen. Doch dann benennt die Regierung einen neuen Captain America …

Ziemlich zweitbeste Freunde

Originaltitel The Falcon and the Winter Soldier
Jahr 2021
Land USA
Episoden 6 in 1 Staffel
Genre Action
Cast
Sam Wilson / Falcon: Anthony Mackie
Bucky Barnes / Winter Soldier: Sebastian Stan
John Walker / Captain America: Wyatt Russell
Karli Morgenthau: Erin Kellyman
Joaquin Torres: Danny Ramirez
Helmut Zemo: Daniel Brühl
Sharon Carter: Emily VanCamp
Georges Batroc: Georges St-Pierre
Sarah Wilson: Adepero Oduye
Ayo: Florence Kasumba
Seit 22. April 2021 vollständig auf Disney+

In den zahlreichen Filmen des MCU durften sowohl Anthony Mackie als auch Sebastian Stan nicht unbedingt tiefgründige Figuren verkörpern. The Falcon and the Winter Soldier macht also wenig Hehl daraus, wohin die Reise innerhalb der sechs Folgen geht. Zwei Dinge stehen schon von Anfang an fest: Sam und Bucky müssen sich in irgendeiner Weise zusammenraufen und Sam muss in eine neue Rolle wachsen, um seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Welche das ist, könnte offensichtlicher kaum sein, auch wenn bereits die erste Folge das Ruder herumreißt. Einer Buddy-Serie wird die Produktion trotzdem nur bedingt gerecht: Zwar teilen Sam und Bucky viele Szenen miteinander, entwickeln sich aber nur in kleinen Schritten weiter. Im Ursprung sind beide wie Feuer und Eis, waren nie sonderlich dicke miteinander, haben aber beide ihre wichtigste Bezugsperson verloren. Und das eint sie. Hierin zeigen sich die Vorteile des seriellen Formats: Es bleiben die kleinen Momente, in denen die Handlung entschleunigt wird und die den Figuren gut tun. Das funktioniert zwar nicht so progressiv wie in WandaVision, doch zumindest kennt man beide Charaktere zum Ende der Serie hin deutlich besser. Es wird privat und intim.

Ein Land repräsentieren, das einen selbst nicht repräsentiert

Während sich die Geschichte des Winter Soldiers fast von alleine erzählt und auch relativ wenig Erzählstoff (Ist er ein Killer? Ist er ein Held?) hergibt, ist vor allem Sams Story mehrschichtig aufgeladen und könnte kaum besser in unsere Zeit passen. Sam sind die Honorierung seines Freundes und das Vertreten dessen Werte wichtig. Allerdings sieht die Regierung das anders und reicht den Schild direkt weiter. Eine Klatsche für Sam, der eigentlich bereits als neuer “Cap” ernannt wurde, als er den ikonischen Vibranium-Schild erhielt. Das löst Zweifel in ihm aus, die vor allem mit seiner Hautfarbe und der Frage zusammenhängen, ob Captain America dunkelhäutig sein kann. Eine Fragestellung, die eine Menge Komplexität mit sich bringt und einige Gespräche voraussetzt, die auch im Verlauf der Serie geführt werden. Die Frage nach Identität zieht sich durch die Handlung und gleichzeitig wird auch schon zu Beginn mit Joaquin Torres (Danny Ramirez) ein neuer Falcon in Aussicht gestellt. Und so ringt Sam außerhalb der Action-Szenen vor allem mit der Symbolik, die mit der Übernahme des Schildes einhergeht. In der Konfrontation mit John Walker (Wyatt Russell, Operation: Overlord), der ein Zerrbild Steves abgibt, und einem alten schwarzen Mann, welcher einst aus der Geschichte amerikanischer Superhelden auf perfide Weise herausgeschrieben wurde, reift in Sam schließlich eine Erkenntnis.

Wiedersehen macht (keine) Freude

Obwohl The Falcon and the Winter Soldier natürlich an die Ereignisse in Avengers: Endgame anknüpft, stützt sich das Geschehen vorrangig auf Dinge, die bereits in Civil War ins Rollen gekommen sind. Auch das Personal betreffend, denn die Rückkehr zweier Figuren wurde schon vor Beginn der Serienausstrahlung publik gemacht: Helmut Zemo (Daniel Brühl, Rush: Alles für den Sieg) und die in Ungnade gefallene Sharon Carter (Emily VanCamp, Revenge) werten die Serie mit ihrer Präsenz auf. Zumal sich beide Figuren seit dem letzten Wiedersehen spürbar weiterentwickelt haben. Darüber hinaus schauen auch weitere Figuren vorbei, wie etwa Ayo aus Wakanda (Florence Kasumba, Wonder Woman). Doch der eigentliche Star sind weder die alten Recken noch die zahlreichen neu eingeführten Charaktere, sondern tatsächlich die Locations. Wenn The Falcon and the Winter Soldier eine besondere Stärke besitzt, dann ist dies die Vielzahl an Locations, die rund um den Globus führen. Reale (digitalisierte) Schauplätze in Deutschland oder Tschechien plus fiktive wie das bekannte Wakanda oder Madripoor, ein zwielichtiger Ort, dessen Ursprünge eigentlich im X-Men-Universum liegen.

Polit-Thriller mit erschreckend authentischem Vibe

Die politischen Verhältnisse im Marvel Cinematic Universe waren schon immer kompliziert und Falcon and the Winter Soldier packt dafür sogar noch eine Schippe drauf. Denn die Zeiten haben sich geändert und in den fünf Jahren des Verlusts ist die gesellschaftliche Struktur in Bewegung geraten. Zahlreiche Überlebende aus armen Ländern haben die Chance genutzt, in die Industrieländer zu emigrieren und dort verwaiste Jobs und Wohnräume zu übernehmen. Durch die Rückkehr der Verschwundenen, die nun freilich ihre angestammten Plätze wieder einnehmen wollen, ist allerdings ein Konflikt entstanden, der gelöst werden muss. Dafür ist das Global Repatriation Council (kurz: GRC) entstanden, das Flüchtlingslager für die Blip-Rückkehrer errichtet hat und eine Perspektive zur Wiedereingliederung bieten soll. Womit viele, für die die Verflüssigung angestammter Verhältnisse eine Chance auf Verbesserung war, nicht einverstanden sind. Daraus formierte sich also eine Gegenbewegung, die “Flag Smashers”, welche den rahmengebenden Konflikt darstellt. Das alles fühlt sich im Jahr 2021 erschreckend real an, was die Tonalität der Serie aus der gesamten Reihe hervorhebt.

Moralischer Irrgarten

Sieht man sich einmal die einzelnen Vertreter des MCU genauer auf Schwachstellen an, fällt vor allem der Umgang mit Bösewichtern auf. Entweder nach einem Film verheizt oder so eindimensional angelegt, dass es schwer fällt, Interesse für ihr Schicksal aufzubringen. Damit brach der Writer’s Room zuletzt und begann Figuren komplexer anzulegen, wie beispielsweise Thanos oder Mysterio, die aus dem klassischen Gut-oder-Böse-Spiel ausbrechen, indem ihre Motivation längst nicht einseitig angelegt ist.  Ob man The Falcon and the Winter Soldier nun mag oder nicht: Lassen muss man der Serie, dass sie den bisherigen Höhepunkt ambivalenter Bösewichte bildet. Karli Morgenthau (Erin Kellyman, Les Misérables), die sommersprossige Anführerin der Flag Smashers (eine umgedeutete weibliche Version des in den 1980ern erfundenen Karl Morgenthau) besitzt triftige Gründe für ihr Handeln. John Walker, der als neuer Captain America die Massen spaltet, besitzt ebenfalls eine innere Zerrissenheit, die es schwer macht, ihn für seine Handlungen zu verurteilen. Sogar der dandyhafte Helmut Zemo, der ganz klar den Schurkenstempel trägt, handelt im Grunde aus Liebe. So weit ist es inzwischen gekommen. Einfach jeder bewegt sich in irgendeiner Grauzone.

Nicht bis ins Detail gelungen

Die serienerfahrene Regisseurin Kari Skogland (Vikings) besitzt ein prima Gespür dafür, ihre Produktion stimmig in den Erzählkosmos des MCU einzufügen und gleichzeitig spannungsvoll weiterzuerzählen. Im Vergleich zu WandaVision ist The Falcon and the Winter Soldier das konventionellere Produkt und liefert rasante Action-Szenen mit schnellen Schnitten. Klotzen statt kleckern und das auf einem beeindruckenden Kino-Niveau. Mit dieser Serie hievt Marvel den Anspruch an Action im Serien-Format auf ein neues Niveau, an dem sich zukünftige Superhelden erst einmal messen müssen. Wer also das MCU bislang aufgrund der hohen Action-Dosis kritisierte, wird mit dieser Disney+-Produktion keinen neuen Lieblingsteil gewinnen. Wer es allerdings aufgrund genau dieser Tatsache liebt, wird auch schnell mit der Serie warm. Die Handlung selbst kann dabei aber nicht immer so zuverlässig mithalten: Manche Charakterentscheidungen sind streitbar, andere Subplots fallen erstaunlich flach aus. Zwar wird die Motivation jeder Figur erklärt, erscheint im Gesamtkontext aber nicht in jedem Fall stimmig ausformuliert. Über so manche inhaltliche Entscheidung lässt sich streiten, wie etwa über die Begnadigung John Walkers .

Fazit  

Im Kern ist The Falcon and the Winter Soldier stark in unserer Realität verwurzelt und schafft weitaus mehr als einfach nur den Kurs der Buddy-Action einzuschlagen. In puncto High-Class-Action können sich zahlreiche Serien eine Scheibe von dieser Serienproduktion abschneiden. Denn die Serie sieht nicht nur tadellos aus, sondern überzeugt stilistisch komplett. Im Grunde haben wir es mit einem echten Kino-Blockbuster zu tun, nur dass dieser eben auf sechs Episoden aufgeteilt ist. Diese Laufzeit kommt der Entwicklung der Figuren zugute und zeichnet vielschichtige Charaktere, wie das MCU sie bislang noch nicht gesehen hat. Wie immer gibt es  Easter Eggs Galore, was das Ansehen nicht nur für Fans der Reihe zu einem großen Spaß macht.

© Disney

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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Taria
Redakteur
12. Mai 2021 19:24

Mir hat die Serie sehr gut gefallen, sie hat natürlich die eine oder andere Schwäche, aber sie ist unterhaltsam und spannend. Sam und Bucky sind ein tolles und sympathisches Team. Wyatt Russell hat als John Walker auch hervorragende Arbeit geleistet, das Ende von Episode 4 ist wirklich so ein Gänsehaut-Moment. Bei ihm darf man gespannt sein, wie sein weiterer Werdegang aussehen wird. Dasselbe gilt für Helmut Zemo, der zwar wieder einmal weggesperrt wurde, aber es dürfte nicht das letzte Mal sein, dass wir ihn sehen werden. Gerade da er durch die Serie so einige Fans gewonnen hat und deshalb ist Daniel Brühls Charakter wohl der größte Gewinner der Serie.