Doctor Who (Staffel 13): Flux

Das Universum ist mal wieder in Gefahr und wie immer hat die TARDIS den Doktor an der richtigen Stelle von Zeit und Raum ausgespuckt, um etwas dagegen zu unternehmen. Doch was passiert, wenn sowohl die dritte als auch die vierte Dimension aus den Fugen geraten? Und die Vergangenheit des vielgereisten Timelords die Gegenwart bedroht? Dann ist es vermutlich an der Zeit, sowohl mit alten, als auch mit neuen Feinden abzurechnen – und ein paar Freunde hinzu zu gewinnen. Flux nennt sich der jüngste Sechsteiler der BBC-Kultserie, der seit dem 5. Dezember 2021 endlich vollständig in der Amazon Library Bibliothek materialisiert ist – bislang zwar nur im O-Ton, dafür aber mit Interviews. Der deutsche Release erfolgt voraussichtlich erst im Herbst 2022, wenn es für die derzeitige Hauptdarstellerin Jodie Whitaker (Broadchurch) schon wieder Abschied nehmen heißt. Wer nicht so lange warten möchte – und neugierig ist, was es mit dem mysteriösen Flux-Phänomen auf sich hat, das der Staffel ihren Namen gibt – der sollte jetzt auf keinen Fall aufhören zu lesen. Denn jetzt geht’s los.

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Oder vielleicht doch nicht? Vom nächsten Giftplaneten mit Säuresee ist es via TARDIS nur ein Katzensprung in das Liverpooler Wohnzimmer des Suppenküchenhelfers Dan Lewis (John Bishop, Skins – Hautnah). Beziehungsweise Hundesprung, wenn man bedenkt, dass der einfach so von Karvanista (Craig Els, Coronation Street) entführt wird – jenem Langhaaralien, das nicht nur frappierend an einen äußerst beliebten Star Wars-Charakter erinnert, sondern auch mehr über die vergessene Vergangenheit des Doktors zu wissen scheint. Natürlich macht der sich sofort mit seiner Companion Yaz (Mandip Gill, Love, Lies and Records) auf den Weg, um dem bösen Doggo das Handwerk zu legen. Doch wenn man frei durch das Zeit und Raum hopsen kann, lauern Probleme meist schon hinter der nächsten Ecke. So erfährt der Doktor ganz nebenbei von einer viel größeren Gefahr, die nicht nur Liverpool, sondern gleich das ganze Universum vernichten wird: Dem Flux.

It‘s raining Cats and Dogs – from Space?

Als Fan von Marvel-Monstern wie Galactus (Fantastic Four) oder Dormammu (Doctor Strange) hat man ja schon so seine Erfahrung mit Planeten verschlingenden Partikelwolken – sie glitzern genauso hübsch, wie sie böse sind. Und meist steckt irgendeine fiese Entität dahinter – in diesem Falle The Division, eine Undercover-Timelord-Einheit, die es auf den Doktor abgesehen hat. Auch wenn der sich nicht entsinnen kann, warum, wieso und vor allem wann. Gleichzeitig spukt außerdem noch mit Swarm (Sam Spruell, Snow White and the Huntsman) und Azure (Rochenda Sandall, Line of Duty) ein neues, extrem stilbewusstes Superschurkenpärchen herum, das das Chaos des Flux‘ nutzen, um noch mehr davon zu stiften.

Originaltitel Doctor Who: Flux
Jahr 2021
Land Großbritannien
Episoden 6 Folgen in Staffel 13
Genre Science-Fiction
Cast Doktor: Jodie Whittaker
Yaz: Mandip Gill
Dan: John Bishop
Im Dezember 2021 auf BBC One geendet

Etwas Gebrauchtes, etwas Blaues und etwas Neues

Doctor Who: Flux ist Showrunner Chris Chibnalls (Broadchurch) letzte Staffel – und sein Meisterwerk, wenn man so will. Denn was Flux neben ordentlich Effektgewitter und folgenüberspannender Mystery noch zu bieten hat, das ist die Vielzahl an Figuren. Gleich mehrere altbekannte Gegner bekommen ein Cameo: Die Daleks und die Cybermen natürlich, denn ohne die geht ein „Doctor Who-Blockbuster“, wie Flux in den internationalen Medien bezeichnet wird, ja schon mal gar nicht. Andere Aliens wie die Sontaraner mischen ebenfalls ordentlich an der Handlung mit; zuletzt aufgetaucht waren die glatzköpfigen Klonkrieger in Staffel 9 der Revival Series, gemeinsam mit dem zwölften Gesicht des Doktors (Peter Capaldi, World War Z). Jodie Whittaker als nachfolgende Regeneration darf sich zusätzlich allerdings noch mit den allseits beliebten Weeping Angels rumschlagen und – sehr odd – mit einem Ood. Doch Chris Chibnall spielt nicht nur die Karten aus, die er bereits auf der Hand hat, er nimmt auch neue auf: Inston-Vee Vinder (Jacob Anderson, Game of Thrones) zum Beispiel, letzter Diensthabender des Außenposten Kastor-Winfer-Foxfell und seine schwangere Geliebte Bel (Thaddea Graham, The Irregulars), die ihn verzweifelt sucht, seit der Flux die Raumstation gefressen hat. Oder Parapsychologe Professor Eustacius Jericho (Kevon McNally, Fluch der Karibik), der in den 60ern Messungen an Medium Claire Brown (Annabell Scholey, The Split – Beziehungsstatus ungeklärt) vornimmt und so unwissend und unfreiwillig in die Machenschaften der Division reingezogen wird. Selbst vor Dans Hättegern-Freundin Diane (Nadia Albina, Innocent) machen die Verwicklungen nicht halt. Und das sind nur die wichtigsten Figuren.

Etwas Altes, etwas Neues

Die größte Veränderung von Doctor Who: Flux im Gegensatz zu den vorherigen Staffeln besteht darin, dass die Handlung nicht auf ein oder zwei Folgen begrenzt ist. Erstmalig seit 1979 (The Armageddon Factor, Classic Series Staffel 16) wird eine sechs Folgen lange Story erzählt. Ein gewagter Bruch zu Chris Chibnalls anderen Staffeln, die von den Fans eher gemischte Kritiken erhielten. Offiziell ist die Pandemie daran schuld, dass Flux im Miniserienformat erzählt wird. Aber vielleicht ist sie auch nur ein willkommener Anlass für den Showrunner, aus seinen vorherigen Mustern auszubrechen. Die bestanden, wenn man Staffel 11 und 12 noch im Kopf hat, hauptsächlich darin, in nur lose zusammenhängenden Episoden möglichst viele aufrüttelnde Messages zu verpacken – und gleichzeitig den seit beinahe 60 Jahren etablierten Canon ordentlich mit Neuerungen aufzumischen. Auch das eher charakterzentrierte Erzählen, das maßgebend für das Wiederauferstehen der britischen Kultserie im Jahr 2005 gewesen ist, hatte der Showrunner augenscheinlich hinter sich gelassen. Umso schöner, dass jetzt in Staffel 13 so viele bunte, interessante Figuren eingebunden wurden.

Es ist nicht alles Gold, was glitzert

Der sechsteilige Aufbau von Doctor Who: Flux hat jedoch einen Haken: Er zerstückelt die einzelnen Charakterarcs so sehr, wie der Flux das Universum aufribbelt. Es ist immer schön, neue Figuren kennenzulernen – und umso unschöner, wenn man bis Folge vier, fünf oder sogar sechs warten muss, um ihren Sinn innerhalb der Story zu erfahren. Bis dahin sind diese Charaktere eher Anhängsel, mehr von der faneigenen Imagination getragen als von den Infos, die man zu ihnen erhält. Und wie das mit der Fantasie nun mal manchmal der Fall ist – bisweilen ist sie kreativer, als die Realität erlaubt. Wer sich also zu sehr reinhängt in die Staffel, dem könnte es passieren, dass am Ende mehr Enttäuschung als Befriedigung wartet. Das ist echt schade – eine Serie sollte ihre Fans dafür belohnen, dass sie Interesse mitbringen. Ein typischer Fall von verschenktem Potenzial. Und bedauerlicher Weise nicht der einzige:
Doctor Who: Flux schafft es, innerhalb der Handlung Situationen zu kreieren, die erzählerische Räume öffnen. Ob die Begleitpersonen des Doktors jetzt in Indiana Jones-Manier einen Tempel ausrauben, untertage durch ein Raum und Zeit verbindendes Tunnelsystem irren oder mit einer Bratpfanne eine Armee von Sontaranern in ihre Schranken weisen – solche Momente wünscht man sich mehr. Oder, präziser, stärker ausgebaut. Sie bringen nämlich eine Menge Spaß mit sich, den die mysteryfokussierten Anteile der Story etwas vermissen lassen – zu viel Teasing und zu wenig Antworten. Und dabei wirft uns der Doktor noch nicht mal sein berühmt-berüchtigtes „I’ll explain later!“ an den Kopf.

Elementary, my dear Doctor

Der Höhepunkt von Staffel 13 ist definitiv Folge 4 (“Once, Upon Time”). Hier, an dieser Stelle im erzählerischen Raum-Zeit-Gefüge, hat Doctor Who: Flux einfach alles, was man sich von einer guten Story dieser Serie wünscht: Eine Prämisse, die mitreißt und die Vorstellung ordentlich ankurbelt. Genug Spannung, um gleich zwei Herzen höher schlagen zu lassen. Ein wirklich unheimliches „Monster of the Week“ – und eine gute Portion an Witz und Hirnschmalz, um dagegen anzukämpfen. Sogar der Sonic Screwdriver kann mal mehr, als nur Geräusche von sich zu geben und Dinge zu scannen, die man mit bloßem Auge hätte sehen können. Von schlechten Eltern ist zu guter Letzt auch nicht der Cliffhänger, über den Fans der Serie vermutlich noch in 20 Jahren reden werden. Bedauerlicherweise war das allerdings auch die Spitze des Qualitätseisbergs – denn “Once, Upon Time” agiert im 6-Folgen-Verbund sehr in sich geschlossen. So sehr der Anfang von Staffel 13 an Zusammenhang insbesondere bei den Charakter-Arcs vermissen lässt, so sehr holpert es am Ende, wenn sich alle Puzzlestücke zusammenfügen – da hat Chris Chibnall wohl vergessen, die Handbremse der TARDIS anzuziehen. Immer höher, besser, weiter ist halt nicht immer die richtige Antwort. Und wenn am Ende einer Staffel dem Publikum einige Figuren, Handlungsorte und Ideen obsolet vorkommen, fragt man sich doch, ob nicht eher der Rotstift angebracht gewesen wäre. Denn ein Miniserienformat funktioniert erzählerisch einfach etwas anders – und eine folgenübergreifende Erzählung lässt sich nicht einfach wie eine Ziehharmonika zusammenquetschen. Auch nicht, wenn der Flux den Raum komprimiert.

Und da war nur noch Schweigen zwischen den Sternen

Wirklich Antworten zur mysteriösen Vergangenheit des Doktors gibt es auch nicht. Die einzige Figur, die etwas darüber hätte verraten können, wird dummerweise im Fast-Kill-Verfahren aus der Erzählung gekickt. Außerdem erfahren wir, dass der Flux und damit die Vernichtung des Universums nur dazu da waren, den Doktor wieder zur Division zurück zu bringen. Und um weder als Gefangener zu enden, noch seine geliebte Erde vernichtet zu sehen, begeht er schließlich ein Dreifach-Genozid an den Armeen seiner alten Feinde, um mit ihrer Materie die Antimaterie des Flux zu vernichten. Das ist nicht nur unlogisch und damit ein Plothole in Universengröße – schließlich hat der Flux das vorher schon großteilig gefressen, wieso ist er dabei nicht vernichtet worden? – sondern passt auch überhaupt nicht zu unserer zeitreisenden Lieblingsfigur. Jemand, der statt einer Waffe einen Schallschraubendreher benutzt und sich fragt, ob gigantische, menschenfressende Riesenspinnen Gefühle haben, den bringt man als Zuschauer nur sehr schwer mit Massenmord in Verbindung. Selbst, um ein anderes Massensterben aufzuhalten. Aber vielleicht ist es ja gerade das, was passiert, wenn die Vergangenheit die Gegenwart einholt und Zeit und Raum aus den Fugen geraten.

Fazit

Insgesamt kann gesagt werden, dass Doctor Who: Flux von allen drei Chibnall-Staffeln definitiv die aufregendste und spannendste ist, ergänzt von einem großen Cast, tollen Handlungsorten und ordentlichen Effekten. Wer glitzernde Wolken mag, sollte sich das auf keinen Fall entgehen lassen – und wer mehr Classic-Fan ist, dem gefällt vermutlich der Aufbau und die Wiederkehr des früher so populären Cliffhangers. Folge 4 (“Once, Upon Time”) ist ein kleines Highlight, für das man die sonstigen Kinderkrankheiten von Staffel 13 ruhig ertragen, wenn nicht sogar übersehen kann. Wirklich ärgerlich ist eher das ständige Teasing, gepaart mit dem eher enttäuschenden Ende – aber wer weiß, was noch kommt. Drei abschließende Specials sind für 2022 angekündigt – also noch genug Möglichkeiten, um dieses Problem anzugehen oder es unter dem Teppich verschwinden zu lassen. Denn wer weiß, was noch alles auf den Doktor, Yaz und Dan wartet, bevor der uralte Timelord wieder sein Gesicht wechselt. Und wenn es nicht gut wird, blicken wir voller Spannung dem entgegen, was danach in Zeit und Raum auf uns wartet.

© BBC

FictionCat

Seit ihre Lavalampe kaputt gegangen ist, muss FictionCat sich damit begnügen, in die Verwirbelungen ihres Pfefferminztees zu starren, während sie von anderen Welten träumt: Besonders angetan haben es ihr "Doctor Who", "Star Trek" und die Scheibenwelt. Wenn sie schreibt – und schreiben ist wie träumen – ist meist ihr Gummibaum mit von der Partie, heimlicher Protagonist wiederholter Abenteuer. In ihrer spärlichen Freizeit hört sie sich nicht nur durch ihre Schallplattensammlung, sondern ist außerdem Mitglied einer geheimen Untergrund-Bewegung, die versucht, die Weltherrschaft mithilfe eines Gehirnkontrollsatelliten namens "Humorbit X" an sich zu reißen ... Ach ja, und an der Uni studiert sie auch noch.

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